Rechtsmissbräuchlicher Ordnungsmittelantrag im Wettbewerbsrecht
Das Kammergericht Berlin beschloss am 17.12.2020, dass die Einleitung eines Ordnungsmittelverfahrens als rechtsmissbräuchlich angesehen werden könne, wenn zuvor dem Schuldner angeboten wurde, gegen Zahlung eines niedrigeren Geldbetrages auf das gerichtliche Ordnungsgeldverfahren zu verzichten.
Ist das Rechtsmissbrauch?
Die Parteien stritten über einen wettbewerbsrechtlichen Verstoß. Der Gläubiger forderte die Schuldnerin zur Unterlassung auf. Später erfuhr er, dass die Schuldnerin gegen die Unterlassung verstieß. Der Gläubiger wendete sich aber nicht an das zuständige Gericht. Vielmehr bot er der Schuldnerin an, bei Zahlung einer bestimmten Geldsumme auf die Durchsetzung des Titels zu verzichten. Zugleich machte der Gläubiger in diesem Schreiben weitere (angebliche) Verstöße geltend. Die Schuldnerin ließ sich nicht darauf ein. Daher zog der Gläubiger vor Gericht und beantragte die Verhängung eines Ordnungsmittels. Die Vorinstanz verweigerte dies allerdings. Dagegen legte der Gläubiger sofortige Beschwerde ein.
Ordnungsmittel zu missbilligenden Zwecken
Das Kammergericht Berlin urteilte, die sofortige Beschwerde sei nicht begründet. Die gerichtliche Verfolgung eines Titelverstoßes sei im vorliegenden Fall rechtsmissbräuchlich und ein Ordnungsmittel deshalb nicht zu verhängen. Denn grundsätzlich könne ein Ordnungsmittelantrag rechtsmissbräuchlich sein, wenn dessen Ausübung nicht den gesetzlich vorgesehenen, sondern anderen und rechtlich zu missbilligenden Zwecken diene. Dies gelte auch hinsichtlich der Ausübung prozessualer Befugnisse, wenn sie anderen funktionsfremden und rechtlich zu missbilligenden Zwecken diene.
Erhöhte Gefahr von weiteren Verstößen aufgrund Zahlungsangebot einer geringeren Summe
Das KG befand, dass es dem Gläubiger vorrangig nicht um die Unterbindung weiterer Verstöße, sondern um die Erzielung eigener Einnahmen gegangen sei. Die Einleitung des Zwangsvollstreckungsverfahrens habe nicht dem gesetzlich vorgesehenen Zweck (Durchsetzung des Unterlassungstitels), sondern letztendlich der Bereicherung des Gläubigers gedient. Er habe der Schuldnerin Gelegenheit gegeben, eine gewisse Geldsumme an ihn zu zahlen und angeboten, im Gegenzug auf das gerichtliche Ordnungsgeldverfahren zu verzichten. Er habe dabei einen deutlich niedrigeren Betrag gefordert als in einem Ordnungsgeldverfahren ausgeurteilt worden wäre. Gerichtliche Ordnungsmittel seien aber im Rahmen des Erforderlichen zu verhängen, um weitere Verstöße zu unterbinden. Eine Titelverletzung solle sich für den Schuldner nicht lohnen. Vorliegend sei der Gläubiger aber bereit gewesen, die Sanktion für die Schuldnerin "deutlich niedriger" ausfallen zu lassen. Die Gefahr weiterer Verstöße sei dadurch "deutlich" erhöht worden, und zwar ausschließlich aufgrund des finanziellen Interesses des Gläubigers.
Angebliche Verstöße sprechen für rechtsmissbräuchliches Verhalten
Unabhängig davon sprächen auch die weiteren in dem Schreiben vorgebrachten angeblichen Verstöße und geforderten Unterlassungen für rechtsmissbräuchliches Verhalten, entschied das Gericht. Eine diesbezügliche Unterlassungserklärung habe dem Gläubiger nämlich nicht zugestanden. Denn er habe bereits über einen rechtskräftigen Unterlassungstitel verfügt. Auch dieses Ansinnen unterstreiche, dass es dem Gläubiger weniger um die Unterbindung weiterer Verstöße, als um die Generierung (künftiger) Geldforderungen im Falle eines Verstoßes gegangen sei.
Weitere Indizien
Als weiteres Indiz spielte für das Gericht eine Rolle, dass der Gläubiger selbst ob der Vielzahl der von ihm angestoßenen Verfahren und Zahlungsangebote den Überblick verliere. Manchmal verwechsele er in den Schreiben, in denen er einen Ordnungsmittelantrag bei Fruchtlosigkeit androhe, das zuständige Gericht. Die Rechtsverfolgung scheine sich zu verselbstständigen, was zur Indizierung eines Missbrauchs gleichfalls beitrage. Es lege zumindest den Gedanken nahe, dass der Gläubiger systematisch Schuldnerverstöße deshalb feststellen lasse, um sich die Einleitung diesbezüglicher Ordnungsmittelverfahren ebenso systematisch abkaufen zu lassen und damit eine dauerhaft sprudelnde Geldquelle zu erschließen.
Kammergericht Berlin, Beschluss vom 17.12.2020, Az. 5 W 1038/20