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Rechtsmissbräuchliche Titelerschleichung

Landgericht Bochum, Urteil vom 08.05.2018, Az. I-16 O 57/18


Rechtsmissbräuchliche Titelerschleichung

Mit Urteil vom 08.05.2018, Az. I-16 O 57/18 entschied das Landgericht Bochum, dass seitens eines Antragstellers im einstweiligen Verfügungsverfahren eine rechtsmissbräuchliche Titelerschleichung vorliegt, wenn dieser im Besitz von Dokumenten ist, welche sein Begehren unbegründet erscheinen lassen, er aber dennoch einen entsprechenden Antrag einreicht.

Irreführende Angaben bei Angeboten für Fahrräder?
Die Entscheidung betrifft einen Rechtsstreit zwischen zwei Wettbewerbern im Bereich des Handels mit Fahrrädern und Fahrradzubehör. Der Antragsteller war der Ansicht, dass die Antragsgegnerin wettbewerbsrechtlich unzulässig handelt, indem sie bei ihren auf der Plattform Amazon sowie in ihrem eigenen Webshop insbesondere für Kinder angebotenen Fahrräder irreführende Angaben zu Preisen und Produkteigenschaften gegenüber den angesprochenen Verbrauchern mache. Die von der Antragsgegnerin bei der Werbung angegebenen unverbindlichen Preisempfehlungen (UVP) des Herstellers bestünden in der genannten Höhe nämlich gerade nicht. Mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung durch die Antragsgegnerin beantragte der Antragsteller daher den Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Landgericht hielt Antrag schon für unzulässig
Diesem Begehren gab das Landgericht Bochum jedoch nicht statt. Vielmehr kam es im Einklang mit dem Vortrag der Antragsgegnerin zu dem Schluss, dass sich der Antragsteller rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG verhalte, weshalb sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung schon als unzulässig erweise. Der Rechtsmissbrauch offenbare sich konkret im Versuch der Titelerschleichung.

Antragsteller war Workbook mit UVP bekannt
Das Gericht begründete dieses Ergebnis mit dem Umstand, dass der Antragsteller über ein sogenanntes „Workbook“ verfügte, in welchem die gesamten UVP des Herstellers für die in den streitgegenständlichen Amazon-Angeboten beworbenen Kinderfahrräder aufgelistet waren.
Zur Untermauerung seines Vorbringens hatte der Antragsteller allerdings nicht die für den Streitfall relevanten Seiten dieses Buches als Auszug in seinem Schriftsatz angeführt, sondern lediglich auf diejenigen Passagen verwiesen, welche für das Geschehen nicht ausschlaggebend waren.
Das Gericht ging diesbezüglich aber nicht davon aus, dass diese Verfehlung dem Antragsteller unerkannt geblieben ist. Vielmehr bestanden für die Kammer keine Zweifel daran, dass diesem das Workbook insgesamt vorlag und es ihm mithin auch gänzlich bekannt war. Somit sei ihm der Vorwurf zu machen, dass er trotz des Bewusstseins, dass die Antragsgegnerin die UVP des Herstellers korrekt angegeben hatte, den besagten Antrag erhoben hat. Er hätte also damit rechnen müssen, dass sich seitens des Gerichts erhebliche Zweifel hinsichtlich der Begründetheit seines Begehrens auftun.

Verstoß gegen prozessuale Pflicht
Nach Ansicht des Gerichts stelle sich das Verhalten des Antragstellers als Verstoß gegen seine prozessuale Pflicht zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Erklärungen dar, welche sich aus § 138 Abs. 1 ZPO ergebe. Ein solch pflichtwidriges Vorgehen wiege gerade deshalb besonders schwer, da dieser den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung beantragt habe. Auch eine Gesamtwürdigung aller Umstände führe nicht zu einer ausnahmsweise rechtmäßigen Vorgehensweise des Antragstellers.

Antrag zu 1 auch unbegründet
Abgesehen von der Unzulässigkeit des gesamten Antrags hielt das Landgericht den Antrag zu 1 (irreführende Angaben im Hinblick auf die Preise) auch für unbegründet. Es liege nach dessen Ansicht nämlich aufgrund der vollständigen Vorlage des Workbooks des Herstellers keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür vor, dass die Antragsgegnerin in ihren Angeboten auf Amazon nicht mit in dieser Weise existierenden UVP geworben hat. Somit fehle es für den geltend gemachten Anspruch mangels Erstbegehung an der erforderlichen Wiederholungsgefahr.

Keine Glaubhaftmachung von widersprüchlichen Preisen
Maßgeblich sei laut Gericht außerdem, dass die Antragsgegnerin durch verschiedene Anlagen glaubhaft dargelegt hat, dass die von ihr angegebenen UVP zum Zeitpunkt der Fertigung dieser Ausdrucke auch im B2B-Shop des Herstellers im Internet in der entsprechenden Weise vorzufinden waren. Zwar sei grundsätzlich zuvor ein Unterschied zwischen den Preisangaben im Workbook und denen auf der Internetseite denkbar gewesen, welcher nachträglich durch den Hersteller beseitigt hätte werden können. Allerdings wäre in einem solchen Fall des Widerspruchs der Preise ein unzulässiges Verhalten des Anspruchsgegners solange zu verneinen, bis die Korrektur bzw. Angleichung sämtlicher UVP durch den Hersteller vorgenommen wäre. Eine entsprechende Behauptung habe der Antragsteller aber bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen.

Titelmissbrauch trotz Begründetheit des Antrags zu 2
Im Gegensatz zu Antrag zu 1 erweise sich der Antrag zu 2 (irreführende Angaben im Hinblick auf Produkteigenschaften) nach Auffassung des Gerichts durchaus als unzulässiges wettbewerbsrechtliches Verhalten, welches potentiell den weiteren beruflichen Erfolg des Antragstellers gefährden könne. Dennoch bedeute dieser Umstand nicht, dass die Erschleichung eines Titels dadurch überwunden werden kann. In Anlehnung an bereits in der Vergangenheit erfolgte Rechtsprechung (OLG München, Urteil vom 08.06.2017, Az. 29 U 1210/17) sei der Versuch der Erschleichung eines Titels durch einen groben Verstoß gegen die prozessuale Wahrheitspflicht nämlich auch dann als missbräuchlich anzusehen, wenn der geltend gemachte Anspruch materiell berechtigt sei.

Landgericht Bochum, Urteil vom 08.05.2018, Az. I-16 O 57/18

von Sabrina Schmidbaur


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Kommentare (1)

  • Martin

    21 April 2019 um 13:57 |
    Hallo, das würde ja bedeuten. Wenn man in einem Antrag auf einstweilige Verfügung das "kennen" der Person verneint obwohl man bereits Geschäfte miteinander getätigt hat, ist das eine Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht, somit ein erschleichen eines Titels wodurch man den eigentlichen Anspruch verliert. Richtig?

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