• Anwaltskanzlei Weiß & Partner

    Katharinenstraße 16
    73728 Esslingen

    0711 - 88 241 006
    0711 - 88 241 009
    Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Keine unlautere Irreführung bei widersprüchlichen Mengenangaben

Abmahnkosten sind umsatzsteuerrechtlich keine Entgeltforderung mehr, wenn die Abmahnung erfolglos blieb


Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat sich mit Urteil vom 21.10.2021 unter dem Aktenzeichen 6 U 27/21 zu der Frage geäußert, ob die widersprüchliche Mengenangabe im Rahmen eines Amazon-Angebots irreführend und damit unlauter ist. Weiter musste das OLG Schleswig beurteilen, ob es sich bei Abmahnkosten auch unter Berücksichtigung umsatzsteuerrechtlicher Bestimmungen um eine Entgeltforderung handelt, die mit 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, anstatt der sonst üblichen 5 Prozentpunkte ü.B., zu verzinsen sind. Damit einher ging die Frage, ob der Abmahner dem Abgemahnten eine Rechnung erteilen muss und ob ein Zurückbehaltungsrecht zu Gunsten des Abgemahnten besteht, solange eine Rechnung nicht erteilt worden ist.

Gegenstand des Rechtsstreits war das folgende Angebot auf der Internethandelsplattform Amazon, das mit einem Inhalt von „150g oder 300g“ zu einem Preis von 27,99 € wie folgt beworben worden ist:


Amazon Mengenangabe


Diese widersprüchlichen Angabe zur Menge bzw. zum Artikelgewicht hielt der Anspruchssteller – neben einem weiteren Wettbewerbsverstoß – für wettbewerbswidrig und reichte nach erfolgloser Abmahnung Hauptsacheklage auf Unterlassen und Abmahnkostenerstattung zum LG Hamburg ein. Auch erteilte der Kläger dem Beklagten eine Rechnung über die eingeklagten (Brutto-) Abmahnkosten. Zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit trat das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs in Kraft. Das LG Hamburg hielt sich daraufhin für örtlich unzuständig, sodass der Rechtsstreit an das LG Lübeck verwiesen worden ist. Mit erstinstanzlichem Urteil hat das LG Lübeck die Klage jedenfalls zu dieser Unterlassungsforderung abgewiesen und dem Kläger auch nur einen Teil der einklagten Abmahnkosten zugesprochen; dies Zug-um-Zug gegen Erteilung einer neuen Rechnung über die letztlich ausgeurteilten (niedrigeren) Abmahnkosten

Die dagegen gerichtete Berufung beim Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht blieb zum Großteil ohne Erfolg.

Die Entscheidung des OLG Schleswig ist überraschend.


Keine Irreführung trotz widersprüchlicher Angaben

Das OLG Schleswig stellte fest, dass die Angabe („150g oder 300g“) zwar offensichtlich widersprüchlich sei. Sie stelle gleichwohl keine irreführende Angabe im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG über die Menge der Ware dar.

Zwar sei eine Angabe irreführend, wenn sie unwahr oder sonst zur Täuschung geeignet ist.

Unwahr sei die widersprüchliche Mengenangabe aber nicht, weil die Lieferung einer der beiden angegebenen Mengen versprochen und eine dieser beiden Mengen auch tatsächlich geliefert werde.

Auch sei die widersprüchliche Mengenangabe nicht zur wettbewerbsrechtlich erheblichen Täuschung geeignet, weil kein Zweifel bestünde, dass sie verbrauchergünstig als Angebot einer Lieferung der Ware mit der höheren Menge von 300 g auszulegen sei. Das Ergebnis sei eindeutig, weil das Produktfoto den Artikel in einer (Plastik-) Verpackung mit einer Menge von 300 g zeige, während dessen der Artikel mit einer Menge von 150 g nur in einer Glasflasche verkauft würde. Auch aufgrund der konkreten Grundpreisangabe, die sich auf den Menge von 300 g beziehe, würde der Kaufgegenstand eindeutig bestimmt.

Letztendlich läge eine erhebliche Irreführung auch dann nicht vor, wenn der Verbraucher durch die widersprüchliche Angabe verunsichert wäre und er deshalb bei dem Amazon-Händler nachfragen müsste. Dann nämlich soll es nach Meinung des OLG Schleswig ebenfalls an einer Täuschung fehlen. Der Verbraucher wäre im Ungewissen über den Inhalt der Werbung und unterläge gerade deshalb keiner Fehlvorstellung.


Kosten einer erfolglos gebliebenen Abmahnung stellen keine Entgeltforderung dar

Im weiteren musste sich das OLG Schleswig auch zu der Frage äußern, ob es sich bei den Abmahnkosten um eine Entgeltforderung im umsatzsteuerrechtliche Sinne handelt. Damit einher ging die Frage, ob ein Anspruch des Abgemahnten auf Rechnungserteilung und – im Falle ihres Ausbleibens – ein Zurückbehaltungsrecht zu seinen Gunsten besteht. Damit einher ging die Frage, ob die eingeklagten Abmahnkosten nach § 288 Abs. 2 BGB mit 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz oder lediglich mit 5 Prozentpunkten zu verzinsen sind.

Der klagende Anspruchssteller erteilte dem beklagten Amazon-Händler zwar eine Rechnung über die ursprünglichen (Brutto-) Abmahnkosten, die auch in voller Höhe eingeklagt worden sind. Allerdings sprach das Landgericht Lübeck dem Kläger nur einen Teil der Abmahnkosten zu und verurteilte den Beklagten auch bloß zur Leistung Zug-um-Zug gegen Erteilung einer (neuen) Rechnung über den letztlich zuerkannten (niedrigeren) Betrag.

Das OLG Schleswig widerspricht zunächst der Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs bzw. versucht sie zu konkretisieren. Zumindest vorliegend läge keine Entgeltforderung (mehr) vor, weil die Abmahnung erfolglos geblieben sei. Aus diesem Grunde habe der Beklagte auch keinen Anspruch auf Rechnungserteilung und – ipso iure – auch kein Zurückbehaltungsrecht. Aus denselben Gründen seien die eingeklagten (Brutto-) Abmahnkosten auch bloß mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.


Keine Zulassung der Revision

Dem Antrag auf Zulassung der Revision hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht nicht stattgegeben.


Volltext der Entscheidung des OLG Schleswig, Urteil vom 21.10.2021, Az. 6 U 27/21

6 U 27/21
13 HKO 2/21 LG Lübeck
Verkündet am 21.10.2021


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht

Urteil

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

(…)

hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts durch (…) am 21.10.2021 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das angefochtene Urteil der 13. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen III - des Landgerichts Lübeck vom 13.04.2021, Az. 13 HKO 2/21, geändert und in Ziffer I.2 insoweit neu gefasst, als die Zahlung nicht von einer Zug um Zug herauszugebenden Rechnung abhängig ist.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszugs werden in Abänderung der Kostenentscheidung unter Ziff. II des angefochtenen Urteils gegeneinander aufgehoben. Ausgenommen hiervon sind die Mehrkosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Hamburg entstanden sind; diese trägt die Klägerin allein.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Gründe

I.

Die Parteien handeln mit Tierbedarfsartikeln. Die Klägerin beanstandete werbliche Angaben der Beklagten als wettbewerbswidrig. Die Angaben zur Menge der Ware seien widersprüchlich und irreführend. Auch fehlten Grundpreisangaben. Nach erfolgloser Abmahnung hat sie Klage auf Unterlassung und auf Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 1.142,14 €, berechnet nach einem Gegenstandswert von 20.000,00 €, nebst Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von 9 %-Punkten p. a. über dem Basiszinssatz erhoben. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Der Sachverhalt im Einzelnen nebst den im ersten Rechtszug zuletzt gestellten Anträgen ist dem angefochtenen Urteil zu entnehmen.

Die Klägerin hat zunächst das Landgericht Hamburg angerufen, welches den Rechtsstreit an das Landgericht Lübeck verwiesen hat. Dieses hat die Beklagte zur Unterlassung der beanstandeten Preisangabe und zur Zahlung von 710,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten p. a. über dem Basiszinssatz Zug um Zug gegen Herausgabe einer mit Umsatzsteuer versehenen Rechnung über diesen Betrag verurteilt. Wegen der Rüge der irreführenden Mengenangabe und der weiteren Mehrforderungen hat es die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits - mit Ausnahme der allein von der Klägerin zu tragenden Kosten für die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Hamburg - hat es der Klägerin zu 38 % und der Beklagten zu 62 % auferlegt. Den Streitwert hat das Landgericht auf 13.000,00 € festgesetzt, wovon 8.000,00 € auf die Beanstandung der Preisangabe und 5.000,00 € auf die der Mengenangabe entfallen. Nach diesen Einzelstreitwerten hat es einerseits die Höhe der der Klägerin zuerkannten Abmahnkosten und andererseits die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits berechnet.

Mit der Berufung greift die Klägerin das Urteil im Umfang ihres Unterliegens an. Durch die mehrdeutige Mengenangabe - „150 g oder 300 g“ - werde der Verbraucher in die Irre geführt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts dränge sich nicht auf, dass sich das Angebot auf ein Artikelgewicht auf 300 g beziehen müsse. Es bestünde die Gefahr, dass die Beklagte dem Käufer nur einen Artikel mit 150 g liefere und der Käufer dann gegenüber der Beklagten seinen Anspruch auf Erfüllung oder Gewährleistung durchsetzen müsse. Es sei bestritten worden, dass die Beklagte den Artikel nur mit einem Inhalt von 300 g feilbiete. Für die in vollem Umfang begründete Abmahnung stünde ihr Kostenersatz nach einem Gegenstandswert von 20.000,00 € zu. Der von ihr vorgeschlagene Streitwert von 10.000,00 € je Unterlassungsantrag entspreche der Rechtsprechung des Senats. Wegen des ausgeurteilten Betrages habe die Beklagte kein Zurückbehaltungsrecht bis zur Erteilung einer Rechnung in dieser Höhe. Einem etwaigen - nicht anerkannten - Anspruch auf Erteilung einer Rechnung nach § 14 UStG habe sie mit der Vorlage der Rechnung über den eingeklagten Betrag genügt. Es komme nicht darauf an, dass die Rechnung den richtigen Rechnungsbetrag enthalte. Die Klägerin veranschaulicht dies am Beispiel eines langjährigen Baurechtsstreits, in dem ein Unternehmer 1,5 Mio. € einklagt und der letztlich mit einer Verurteilung über 1,49 Mio. € endet. Folge man der Auffassung des Landgerichts, müsste der Unternehmer nun eine neue Rechnung erteilen; bis dahin könne er keine Verzugszinsen verlangen. Da der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten nach der Rechtsprechung des BFH eine Entgeltforderung darstelle, sei hierfür nach § 288 Abs. 2 BGB eine 9 %ige Verzinsung p. a. geschuldet.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil gegenüber dem Berufungsangriff.

Im Einverständnis der Parteien hat der Senat mit Beschluss vom 20.09.2021 die Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet. Die Schriftsatzfrist hat er auf den 08.10.2021 festgesetzt.


II.

Die Berufung hat nur in geringem Umfang Erfolg.

1. Das Landgericht hat die Klage insoweit, als sie auf Unterlassung widersprüchlicher Angaben über die Menge der Ware und hierbei insbesondere über das Artikelgewicht gerichtet ist (Klagantrag zu Ziff. I.1), zu Recht abgewiesen.

Anlass der Rüge ist die als Anlage K 3 vorgelegte Anzeige, in der der Artikel Mironekuton-Pulver mit der Angabe „150 g oder 300 g" beworben wird. Diese Angabe ist offensichtlich widersprüchlich. Sie stellt gleichwohl keine irreführende Angabe im Sinn des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG über die Menge der Ware dar.

Irreführend sind nach § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG Angaben, die unwahr oder sonst zur Täuschung geeignet sind. Unwahr ist die widersprüchliche Mengenangabe nicht. Es wird eine Lieferung in einer der beiden angegebenen Mengen versprochen, und in einer davon wird die Ware tatsächlich geliefert. Die widersprüchliche Mengenangabe ist aber auch nicht zur wettbewerbsrechtlich erheblichen Täuschung geeignet, denn es kann kein Zweifel bestehen, dass sie verbrauchergünstig als Angebot einer Lieferung der Ware in der höheren Füllmenge von 300 g auszulegen ist.

Die widersprüchliche Angabe ist der Angabe zweier verschiedener Preise - einem niedrigeren in der Werbung und einem höheren im Geschäft - vergleichbar. Die zu hohe Preisangabe ist bei formaler Betrachtung zwar irreführend nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG, weil sie unwahr ist. Sie verstößt aus diesem Grund auch gegen die Marktverhaltensregelung des § 1 Abs. 7 PAngV (n. F.). Ist jedoch sichergestellt, dass der niedrigere Preis in Rechnung gestellt wird, so fehlt es an einer wettbewerbsrechtlich relevanten Irreführung. Die Verunsicherung des Verbrauchers darüber, welcher Preis gelten soll, wirkt sich allenfalls zu Lasten des Unternehmens aus, nicht zu seinen Gunsten. Eine solche Auswirkung der Irreführung des Verbrauchers auf seinen Kaufentschluss ist nicht wettbewerbsrelevant (BGH NJW 2008, 1388; KG NJW-RR 2009, 1051, 1052 unter Ziff. 2 a; Schilling in Büscher, UWG, 2019, § 1 PAngV Rn. 68; Weidert in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl. 2016, § 5 D Rn. 19 f; ebd./ders. § 1 PAngV Rn. 86; Köhler in ders./Bornkamm-Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 1 PAngV Rn. 36). Anderes mag gelten, wenn die für den Werbenden nachteilige Irreführung geeignet ist, den Verbraucher zu einem für ihn ungünstigen Alternativkauf zu veranlassen (Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl. 2016, § 5 Rn. 208). Allerdings erfordert eine wettbewerbsrelevante Irreführung in einem solchen Fall, dass sich diese Gefahr bei ungezwungener Sichtweise als naheliegend darstellt (KG NJW-RR 2009, 1051, 1052 unter Ziff. 2 b). Allein diese Betrachtungsweise ist mit Blick auf Sinn und Zweck des UWG sachgerecht. Das UWG soll Verbraucher und Unternehmer davor schützen, dass sich einzelne Marktteilnehmer auf unlautere Weise einen Vorteil gegenüber den anderen verschaffen. Unlautere Handlungen dieser Art sind verboten. Ziel des UWG ist es dagegen nicht, Unternehmen vor selbstschädigenden Handlungen zu bewahren. Ein rein selbstschädigendes Verhalten berührt die Interessen der übrigen Marktteilnehmer nicht.

Ein solcher Fall wettbewerbsrechtlich irrelevanter Irreführung liegt hier vor. Nimmt der verunsicherte Verbraucher von dem Kauf Abstand, schadet dies nur der Beklagten. Auf welche teureren Produkte gleicher Art der Verbraucher naheliegenderweise stattdessen zurückgreifen würde, ist nicht vorgetragen. Entschließt der Verbraucher sich hingegen zum Kauf bei der Beklagten, kommt ein Kaufvertrag über den beworbenen Artikel in einer Menge von 300 g - der höheren Mengenangabe - zustande. Daran könnte selbst dann kein Zweifel bestehen, wenn die Beklagte den Artikel auch mit 150 g im Sortiment hätte, was streitig ist. Die Auslegung des beworbenen Angebots führte auch dann zu einem eindeutigen Ergebnis. Zum einen zeigt das Angebot den beworbenen Artikel im Bild. Nur die 300 g-Packung wird in dieser Form dargeboten; die 150 g-Menge wird in einer Glasflasche verkauft (Anlage K 3, S. 2; Bl. 61 d. A.; unstreitig). Abgesehen davon befindet sich auf der abgebildeten Verpackung die Mengenangabe „300 g“. Vor allem aber findet sich hinter der Preisangabe „27,99 €“ die nach § 2 PAngV geforderte Grundpreisangabe „93,30 €/kg“. Damit wird der Kaufgegenstand eindeutig bestimmt.

Auch auf die von der Klägerin angesprochene Gefahr eines Rechtsstreits zwischen Verbraucher und Beklagter nach Abschluss des Kaufvertrags kommt es nicht an. Die Klägerin meint, diese Gefahr bestünde deshalb, weil sich die Beklagte auf den Standpunkt stellen könnte, dass doch nur die geringere Menge geschuldet sei. Wäre das indes der Fall, wäre dies nicht Folge einer Irreführung des Verbrauchers, sondern eines vertragsbrüchigen Verhaltens der Beklagten.

Letztendlich liegt eine wettbewerbsrechtlich erhebliche Irreführung auch dann nicht vor, wenn der Verbraucher durch die widersprüchliche Angabe verunsichert wäre und vor der Kaufentscheidung bei der Beklagten nachfragen müsste, welche Füllmenge gelten solle. Wäre dies der Fall, fehlte es an einer Täuschung des Verbrauchers. Er wäre im Ungewissen über den Inhalt der Werbung und unterläge gerade deshalb keiner Fehlvorstellung.

2. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten über den zuerkannten Betrag hinaus zu. Das gilt auch dann, wenn der Berechnung die von der Klägerin angesetzten Streitwerte -10.000,00 € für jedes Unterlassungsbegehren, 20.000,00 € insgesamt - zugrunde gelegt werden. Die Abmahnung erweist sich dann als zur Hälfte berechtigt, zur Hälfte unberechtigt. Entgegen der im Hinweisbeschluss dargelegten Berechnung des Senats führt dies jedoch nicht dazu, dass der Klägerin ein nach einem Gegenstandswert von 10.000,00 € zu berechnender Erstattungsanspruch in Höhe von 864,66 € zustünde. Richtigerweise hat die Beklagte dem entgegengehalten, dass sich die erstattungsfähigen Kosten einer teilweise berechtigten Abmahnung aus dem entsprechenden Anteil der tatsächlich angefallenen Abmahnkosten ergeben (BGH GRUR 2012, 949, 953 Rn. 49; GRUR 2010, 744, 749 Rn. 52; Harte-Bavendamm/Henning- Bodewig/Brüning § 12 Rn. 85 a. E.). Da die Abmahnung zu 1/2 berechtigt war, führt dies hier zu einem Erstattungsanspruch in Höhe von 571,07 €.

Der der Klägerin zustehende Erstattungsbetrag liegt damit sogar noch unter dem zuerkannten Betrag. Folgen zu Lasten der Klägerin ergeben sich daraus jedoch nicht. In Höhe von 710,85 € nebst Zinsen ist der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten rechtskräftig tituliert. Die Ausführungen der Beklagten zur geringeren Höhe des Erstattungsanspruchs im Schriftsatz vom 30.08.2021 lassen sich nicht als Anschlussberufung auslegen. Bei Eingang des Schriftsatzes war die Frist zur Berufungserwiderung abgelaufen; eine Anschlussberufung war nunmehr unzulässig.

3. Der Erstattungsbetrag ist mit dem zuerkannten Zinssatz von 5 % Zinsen p. a. über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Der mit der Berufung verfolgte höhere Zinssatz nach § 288 Abs. 2 BGB ist nicht geschuldet. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten stellt jedenfalls im vorliegenden Fall keine Entgeltforderung dar.

Entgeltforderungen sind solche Forderungen, die auf Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für eine von dem Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung gerichtet ist, die in der Lieferung von Gütern oder der Erbringung von Dienstleistungen besteht (BGH GRUR 2015, 187, 189 Rn. 98; Ernst in MüKo BGB, 8. Aufl. 2019, § 286 Rn. 82). Nach nahezu einhelliger Auffassung in der zivil- und wettbewerbsrechtlichen Kommentierung fallen Ansprüche auf Erstattung von Abmahnkosten nicht darunter (BGH GRUR 2015, 187, 189 Rn. 27; Köhler u. a./ Bornkamm/Feddersen, § 13 Rn. 136; Seichter in Juris PK-UWG, Stand: 25.01.2021, § 13 Rn. 61; Dornis in Beck OGK-BGB, Stand: 01.03.2020, § 286 Rn. 202.7; MüKo BGB/Ernst § 286 Rn. 82; Kramme in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 16. Aufl. 2021, § 288 Rn. 5; Feldmann in Staudinger.BGB, Bearb. 2019, § 286 Rn. 100; allgemein: Ansprüche aus GoA keine Entgeltforderung Harder in Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 286 Rn. 52; Grüneberg in Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 286 Rn. 27). Anders sieht es in neuerer Rechtsprechung jedoch der Bundesfinanzhof. Er knüpft daran an, dass die Abmahnung dem Ziel dient, das Streitverhältnis auf einfache Weise vorgerichtlich zu beenden. Mit der Abmahnung zeige der Unterlassungsgläubiger dem Gegner einen Weg auf, wie er ihn ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos stellen könne. Damit verschaffe er dem Abgemahnten einen umsatzsteuerrechtlich relevanten Vorteil (BFH GRUR 2017, 826, 828 Rnrn. 25 - 29; ebenso zu § 97 a Abs. 1 S. 2 UrhG BFH GRUR 2019, 825; näher s. etwa Pustovalov/Johnen WRP 2019, 848). Aufgegriffen wird dies in der wettbewerbsrechtlichen Kommentierung aber nur von Ahrens (in Büscher, UWG, 2019, § 12 Rn. 129 ohne eigene Stellungnahme).

Jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Abmahnung erfolglos war, ist daran festzuhalten, dass der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten keine Entgeltforderung darstellt. Auch nach der neueren Rechtsprechung des BFH kann die zu versteuernde Leistung erst dann als erbracht gelten, wenn der Abgemahnte die Abmahnung für berechtigt gehalten und zur Vermeidung eines Gerichtsverfahrens gezahlt hat (Weymüller, jurisPR-SteuerR 30/2019 Anm. 5 unter D III). Geht der Abgemahnte auf die Abmahnung nicht ein, verweigert er die Annahme der Leistung. Entgegen der im Schriftsatz vom 08.09.2021 vertretenen Auffassung der Klägerin tritt der erstrebte Erfolg damit gerade nicht ein, denn der Rechtsstreit wird nicht vermieden. Damit kommt es auch nicht zu einem Leistungsaustausch, der für eine entgeltliche Leistung nach der Rechtsprechung des BFH jedoch wesentlich ist. Nach dieser Rechtsprechung liegt eine entgeltliche Leistung vor, wenn der Leistungsempfänger für die erhaltene Leistung einen Gegenwert zu entrichten hat. Dieser Gegenwert, das Entgelt i. S. d. § 10 Abs. 1 S. 2 UStG, ist zu versteuern (vgl. die Darstellung der rechtlichen Ausgangslage in BFH GRUR 2017, 826, 827 Rnrn. 14 - 19; BFH GRUR 2019, 825, 825 f Rnrn. 16 - 20). In beiden entschiedenen Fällen war dementsprechend die Steuerpflichtigkeit der auf die Abmahnungen hin gezahlten Anwaltskosten streitgegenständlich; die Abmahnungen waren somit offensichtlich erfolgreich gewesen.

4. Erfolg hat die Berufung insoweit, als der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten einredefrei fällig ist. Sie ist nicht von der Erteilung einer Zug um Zug herauszugebenden Rechnung abhängig. Die Beklagte hat kein Zurückbehaltungsrecht bis zur Vorlage einer Rechnung. Ein Anspruch aus § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG auf Erteilung einer Rechnung steht ihr nicht zu, weil die Leistung der Klägerin keine Entgeltforderung darstellt. Abgesehen davon wäre ein Anspruch auf Rechnungserteilung erfüllt. Auf die betreffenden Ausführungen im Hinweisbeschluss des Senats unter Ziff. I.4 wird Bezug genommen.

5. Von Amts wegen und ohne Rücksicht auf Parteianträge und das Verschlechterungsverbot (Musielak in MüKo ZPO, 6. Aufl. 2020, § 308 Rn. 29) zu überprüfen hat der Senat die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils. Sie ist zu ändern, da der Senat den Streitwert für jeden der beiden Unterlassungsanträge - anders als das Landgericht - mit 10.000,00 € bemisst. Dieser Streitwertansatz führt allerdings zu hälftiger Kostenteilung im ersten Rechtszug, da sich bei gleich hoher Bewertung beider Hauptanträge der Umfang des Obsiegens und Unterliegens der Klägerin im Wesentlichen entsprechen. Mit der Berufung ist die Klägerin hingegen nahezu vollständig unterlegen, woraus sich ihre Kostenlast für den zweiten Rechtszug ergibt.

6. Die Entscheidung über die Kosten der Berufung beruht auf den §§ 92 Abs. 1; 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

7. Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine höchstrichterliche Entscheidung. Der Entscheidung über den Unterlassungsantrag zu Ziff. I.1 liegt eine rechtliche Bewertung des vorgetragenen Sachverhalts unter Anwendung der in Rechtsprechung und Kommentierung vertretenen Grundsätze zu den Voraussetzungen einer wettbewerbsrechtlich erheblichen Irreführung zugrunde. Im Einklang mit der zivil- und wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung und Kommentierung steht auch die Auffassung des Senats, dass der jedenfalls der Anspruch auf Erstattung der Kosten einer erfolglosen Abmahnung keine Entgeltforderung darstellt. Insoweit hat aus den dargelegten Gründen auch der Bundesfinanzhof nicht gegenteilig entschieden.



Ihr Ansprechpartner

Bitte Kommentar schreiben

Sie kommentieren als Gast.

E-Mail: kanzlei@ratgeberrecht.eu, Telefon: 004971188241006
Katharinenstraße 16, 73728, Esslingen, Baden-Württemberg, Deutschland