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„Merinowolle“ ist unzulässige Textilfaserbezeichnung

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 02.08.2018, Az. 4 U 18/18


„Merinowolle“ ist unzulässige Textilfaserbezeichnung

Das Oberlandesgericht Hamm entschied mit Urteil vom 02.08.2018, Az. 4 U 18/18, dass die Angabe „95 % Merinowolle“ im Hinblick auf die Textilfaserzusammensetzung eines Fahrradhandschuhs gegen die unionsrechtliche Textilkennzeichen-Verordnung verstoße und daher unzulässig sei. Dies gelte unabhängig davon, ob die Bezeichnung einen Verbraucher tatsächlich irreführe oder nicht.

Streit um Textilfaserzusammensetzung eines Handschuhs
Die Parteien des Rechtsstreits sind im Onlinehandel tätig. Sie bieten Fahrräder, Fahrradzubehör als auch Textilprodukte zu Fahrrädern zum Verkauf an. Streitpunkt zwischen beiden war das Angebot für einen Fahrradhandschuh auf einer Verkaufsplattform. Die Angaben der Textilfaserzusammensetzung für den Innenhandschuh der Offerte der Beklagten wiesen die Positionen „95 % Merinowolle“ sowie „5 % Polyamid“ auf. Erstere wurde von der Klägerin beanstandet, da sie deren Meinung nach gegen die Informationspflichten aus der Textilkennzeichen-Verordnung (TextilKennzVO, VO Nr. 1007/2011/EU) verstoße. Nach dem Vorbringen der Klägerin dürften nur diejenigen Bestandteile in der Textilfaserzusammensetzung angeführt werden, welche sich auch im Anhang I der TextilKennzVO finden. Dies treffe auf „Merinowolle“ allerdings nicht zu. Das Reglement enthalte lediglich den Bestandteil „Wolle“ und andere Zusatzbezeichnungen, sodass auch eine Regelungslücke ausscheide. Es kam zu einer Abmahnung der Beklagten durch die Klägerin, welche jedoch nicht zu der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf Seiten der Beklagten führte.

Keine Einigkeit hinsichtlich einstweiliger Verfügung
Daher ging die Klägerin im Folgenden gerichtlich gegen die Beklagte vor. Sie beantragte vor dem Landgericht Bochum eine einstweilige Verfügung mit dem Ziel, es der Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den Abschluss entgeltlicher Verträge mit Verbrauchern im Sortiment Textilprodukte/Handschuhe anzubieten, ohne hierbei den Informationspflichten nach Art. 5, 16 der TextilKennzVO nachzukommen. Dieses gab ihr mit Urteil vom 21.03.2017, Az. I-16 O 11/17 auch Recht. Im Anschluss wurde diese Entscheidung infolge eines Widerspruchs der Beklagten zunächst vom OLG Hamm mit Urteil vom 21.03.2017, Az. I-16 O 11/17 aufgehoben, ehe die Verfügung von demselben Gericht infolge der Berufung der Klägerin mit Versäumnisurteil vom 20.06.2017, Az. I-4 U 34/17 wieder bestätigt wurde.

Beklagte legte Berufung gegen Hauptsacheklage ein
Nunmehr hatte sich das Oberlandesgericht Hamm erneut mit der Sache zu befassen, nachdem das Landgericht Bochum der Hauptsacheklage mit Urteil vom 21.11.2017, Az. 16 O 189/17 stattgegeben und die Beklagte Berufung hiergegen eingelegt hatte. Diese beantragte die Klage abzuweisen und die zuvor vom Senat bestätigte einstweilige Verfügung aufzuheben. Ihr Begehren begründete sie damit, dass der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage fehle, schließlich habe deren Rechtsvorgängerin im Jahr 2015 vor dem Landgericht Köln bereits aufgrund desselben Verstoßes der Beklagten geklagt. Diese hatte in dem Verfahren ein (Teil-)Anerkenntnisurteil gegen die Beklagte erwirkt, wodurch ihr bereits untersagt worden war, Kleidung/Textilien anzubieten, ohne die gesetzlichen Informationspflichten nach Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO einzuhalten. Es bestehe daher bereits ein entsprechender Unterlassungstitel, der auch der jetzigen Klägerin als Rechtsnachfolgerin der damaligen Klägerin zugute komme. Die erneute Geltendmachung des gleichgelagerten Unterlassungsanspruchs erweise sich daher als rechtsmissbräuchlich, zumal die Beklagte der Klägerin in der Sache bereits einen Vergleichsabschluss angeboten habe. All dies habe das Landgericht verkannt und mithin gegen den „ne-bis-in-idem“-Grundsatz verstoßen. Es habe die Kerngleichheit des Unterlassungstitels zu Unrecht verneint, obwohl das streitgegenständliche Verhalten ohne weiteres unter den Wortlaut des Titels des Kölner Gerichts subsumiert werden könne, so die Beklagte. Überdies verstehe sie nicht, weshalb die Angabe des Materials „Merinowolle“ den angesprochenen Verkaufskreis irreführen und zu einer geschäftlichen Entscheidung verleiten solle, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Der Begriff konkretisiere lediglich den der Wolle, schließlich stamme die Faser vom Fell des Schafes, was der Kunde auch so verstehe. Die Angabe erhalte somit ein Mehr an Informationen, was der Beklagten keinesfalls negativ angerechnet werden könne. Im Allgemeinen habe der Verkehrskreis ein berechtigtes Interesse daran, von wo die für das Produkt verwendete Wolle konkret herrühre.

Oberlandesgericht wies Berufung zurück
Das Oberlandesgericht kam zu dem Ergebnis, dass die Berufung zwar zulässig, jedoch unbegründet sei. Zunächst stellte es fest, dass sich die Beklagte nicht auf die entgegenstehende Rechtskraft der Entscheidung des Landgerichts Köln berufe könne. Der „ne-bis-in-idem“- Grundsatz komme im Streitfall nämlich nicht zum Tragen. Grund hierfür sei, dass die Rechtskraft des Kölner Urteils lediglich die konkrete Verletzungshandlung, die dem damaligen Klagebegehren zugrunde liege, umfasse. Hierzu gehöre die Angabe „Merinowolle“ als Textilfaserbestandteil des Fahrradhandschuhs aber nicht. Es handele sich diesbezüglich vielmehr um eine neue Verletzungshandlung, die erst nach der damaligen letzten mündlichen Verhandlung begangen worden ist. Somit könne die besagte Nennung der Schafwollfaser, auf die der frühere Antrag in dem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren nicht gestützt worden war, durchaus Gegenstand der jetzigen Unterlassungsklage sein (vgl. BGH GRUR 2006, 421 ¬– Markenparfümverkäufe). Das Gericht wies explizit daraufhin, dass aufgrund der zeitlichen Komponente der materiellen Rechtskraft die Diskussion einer kerngleichen Verletzungshandlung durch die besagte Angabe dahinstehe. Die zeitliche Grenze reiche nämlich nicht weiter als bis zur letzten mündlichen Verhandlung, die gegenständliche Verletzungsform habe aber eindeutig danach stattgefunden. Eine Rechtskrafterstreckung scheide damit in jedem Fall aus.

Kein missbilligendes Verhalten seitens der Klägerin
Entgegen der Ansicht der Beklagten sei auch das Rechtsschutzbedürfnis seitens der Klägerin nicht zu verneinen, so das Gericht weiter. Dieses liege nämlich gerade vor, wenn die neue Klage, so auch der Streitfall, auf einer der früheren nicht gleichen, sondern nur ähnlichen Verletzungshandlung beruhe. Außerdem könne sich die Beklagte nicht auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs berufen. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin den von ihr begehrten Unterlassungsanspruch lediglich aus sachfremden Erwägungen vor Gericht bringe. Ebenso könne dieser nicht angelastet werden, dass sie bislang das Urteil des Landgerichts Köln in ihrem Vortrag außen vorließ.

Angabe „Merinowolle“ verstößt gegen EU-Verordnung
Daneben stimmte der Senat auch der Argumentation der Klägerin bezüglich des Unterlassungsanspruchs aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 3a UWG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1, 16 Abs. 1 TextilKennzVO zu. Es handele sich bei den genannten Vorschriften der TextilKennzVO unstreitig um eine Marktverhaltensregel im Sinne von § 3a UWG (vgl. BGH GRUR 2016, 1068 – Textilkennzeichnung). Hiergegen habe die Beklagte auch verstoßen. Art. 5 Abs. 1 TextilKennzVO besage, dass nur die Textilfaserbezeichnungen des Anhangs I der VO verwendet werden dürfen. Nach Art. 16 Abs. 1 der VO müssen die vorgeschriebenen Informationen für Verbraucher vor dem Kauf deutlich sichtbar sein; dies gelte auch für Käufe auf elektronischem Weg. Der europäische Gesetzgeber bezwecke mit diesen Regelungen, dass alle Verbraucher in der Union korrekte und sogleich einheitliche Informationen beim Textilkauf erhalten. Dies führe zu einer Transparenz und einem identischen Einkaufverhalten. Wie die Klägerin richtig vorbringe, finde sich die Bezeichnung „Merinowolle“ in dem Anhang I der VO jedoch nicht. Die Nr.1 des Regelwerks enthalte allein die Bezeichnung „Wolle“. Auch die Nr. 2, welche die Namen einiger Tierarten nenne, nehme auf die gegenständliche Schafrasse keinen Bezug. Somit dürfe die Angabe von der Beklagten nicht getätigt werden. Das Gericht statuierte, dass das Vorbringen der Beklagten, dass dem angesprochen Verkehrskreis die Feinwoll-Schafrasse Merino bekannt sei und das Wortbestandteil „Merino“ lediglich der näheren Beschreibung der Textilfaser „Wolle“ diene, unberücksichtigt bleiben müsse. Ursache hierfür sei, dass die Angabe, unabhängig davon, ob sie irreführenden Charakter hätte oder nicht, gemäß den genannten Vorschriften der VO unzulässig sei. Auf diesen Umstand komme es bei § 3a UWG schließlich nicht an.

Hauptsache begründet, aber einstweilige Verfügung aufgehoben
Insgesamt rechtfertige sich damit das klägerische Hauptsache-Begehren vollumfänglich. Allerdings entschied das Gericht hinsichtlich der Aufhebung der einstweiligen Verfügung zugunsten der Beklagten. Von dieser vorgetragene veränderte Umstände rechtfertigten eine solche nicht mehr, sodass jener insoweit Recht gegeben werden müsse.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 02.08.2018, Az. 4 U 18/18

von Sabrina Schmidbaur, Dipl.Jur.-Univ.


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