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LG Hamburg: Doch kein fliegender Gerichtsstand nach Anti-Abmahngesetz

LG Hamburg gibt seine Auffassung zur örtlichen Zuständigkeit wieder auf


LG Hamburg: Doch kein fliegender Gerichtsstand nach Anti-Abmahngesetz

Das zum 02.12.2020 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs, landläufig auch „Anti-Abmahn-Gesetz“ genannt, führte für die außergerichtliche und gerichtliche Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zu zahlreichen Neuerungen.

Teil dieser Neuerungen ist die Einschränkung des sog. Fliegenden Gerichtsstandes. Konnten „Internetverstöße“ in der Vergangenheit in der Regel vor allen Gerichten in Deutschland verfolgt werden, also losgelöst vom Ort des Sitzes der Verfahrensbeteiligten, regelt § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nun vereinfacht, dass der Fliegende Gerichtsstand nicht mehr für „Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien“ gelten soll.

Die Reichweite dieser neuen Regelung ist in den vergangenen Monaten kontrovers diskutiert worden. Die Gerichte kamen dabei im Wege der Auslegung zu stark abweichenden, gegensätzlichen Ansichten.

Im Zuge dieser Diskussion äußerte sich nunmehr auch das Landgericht Hamburg. In dem von uns auf Beklagtenseite betreuten Verfahren geht es um den Vorwurf eines Wettbewerbsverstoßes infolge fehlender/fehlerhafter Grundpreisangabe im Zusammenhang mit einem Online-Angebot über Nahrungsergänzungsmittel (Aminosäuren-Kapseln).

Zunächst vertrat das LG Hamburg mit Beschluss vom 13.09.2021, Az. 327 O 184/21, dabei noch die Auffassung, dass der Fliegende Gerichtstand im konkreten Fall weiterhin gelte, sodass das Landgericht Hamburg trotz Gesetzesänderung nach wie vor örtlich zuständig sei. Die den Fliegenden Gerichtsstand einschränkende gesetzliche Bestimmung des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG sei also nicht einschlägig. Wörtlich führte das LG Hamburg aus:

„Im Hinblick auf die von dem Beklagten erhobene Rüge der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts wird darauf hingewiesen, dass die Kammer sich für örtlich Zuständig gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG erachtet, da vorliegend keine Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG streitgegenständlich sind: Zwar ist die streitgegenständliche, von dem Kläger als Lauterkeitsrechtsverletzung gerügte Handlung ausschließlich im Internet erfolgt und hat der Beklagte seinen Sitz nicht im Bezirk des angerufenen Landgerichts Hamburg. Unter den von § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG erfassten Zuwiderhandlungen sind nach dem systematischen Zusammenhang und dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung allerdings nicht sämtliche online begangenen Rechtsverstöße zu verstehen und insbesondere. Verstöße, die tatbestandlich keinen bestimmten Verbreitungsweg voraussetzen und deren Verletzung über eher formale und leicht oder gar automatisiert festzustellende Verstöße hinausgehen, nicht von dem Ausschlusstatbestand des § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG umfasst (vgl. LG Frankfurt a. M., GRUR--RR 2021., 326 ff. [327]; LG Düsseldorf GRUR-RS 2021; 12160, Rn. 13. ff.). Da die Einschränkung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung in § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG auf einer Linie mit dem Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG und dem Vertragsstrafenausschluss nach § 13a Abs. 2 UWG liegt, muss § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG auch in Übereinstimmung mit § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG in dem Sinne gelesen werden, dass die Einschränkung des Tatortgerichtsstands nur bei Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten gilt (vgl. Sosnitza GRUR 2021, 671 ff. 1678]). Dies entspricht nicht nur dem erklärten Willen des Gesetzgebers, sondern folgt auch aus dem systematischen Zusammenhang mit den §§ 13 Abs. 4 Nr. 1, 13a Abs. 2 UWG und entspricht zudem dem Sinn und Zweck der genannten Regelungen, die Missbrauchsfälle erfassen sollen (vgl. Sosnitza a. a. O.).“.

Zu dieser Rechtsauffassung haben wir anschließend für unsere Mandantschaft nochmal Stellung genommen und dabei unsere gegenteilige Rechtsauffassung weiter vertieft.

Mit Verfügung vom 06.10.2021 weist das Landgericht Hamburg nun darauf hin, dass es seine Rechtsauffassung nochmal überprüft habe und es nunmehr dafür ausgehe, dass es örtlich doch nicht zuständig sein dürfte.

Hierzu führt das LG Hamburg, Verfügung vom 06.10.2021, Az. 327 O 184/21, wörtlich aus:

„Die Kammer weist darauf hin, dass sie – abweichend von ihrer den Parteien zuvor mitgeteilten Rechtsauffassung – vorliegend gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG örtlich unzuständig sein dürfte.

Dies folgt daraus, dass – im Einklang mit der Auffassung der Kammer, dass § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG in Übereinstimmung mit § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG in dem Sinne gelesen werden muss, dass die Einschränkung des Tatortgerichtsstands nur bei Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten gilt – hier zu berücksichtigen ist, dass nach dem in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 13 Abs. 4 UWG zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers zu den unter § 13 Abs. 4 UWG – und damit auch unter § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG – fallenden Kennzeichnungs- und Informationspflichten u. a. „die Vorschriften der Preisangabenverordnung“, um die es vorliegend geht, fallen (vgl. BT-Drs. 19/12084, S. 32).

Die Klägerseite wird vor diesem Hintergrund gebeten, durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht binnen einer Woche (Eingang bei Gericht) mitzuteilen, ob – ggfls. hilfsweise – ein Antrag auf Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht XXX gestellt wird.“.

Damit ist der vorherige Beschluss, der mitunter auch in mehreren Veröffentlichungen Beachtung gefunden hat, überholt – dies zumindest im konkreten Fall.

Ähnlich sah es übrigens schon die Kammer 17 für Handelssachen des Landgerichts Hamburg in einem ebenfalls von uns betreuten Verfahren. Schon relativ früh, also kurz nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung, hat die 17. Kammer für Handelssachen mit Datum vom 05.01.2021 zum Aktenzeichen 417 HKO 107/20, bereits darauf hingewiesen, dass es für den dort streitgegenständlichen Verstoß (Grundpreisangabe in einem Amazon-Angebot) nicht örtlich zuständig sein dürfte.

Die künftige Rechtsentwicklung bleibt aber weiterhin spannend und wird sicherlich auch in den nächsten Monaten immer wieder Gegenstand zahlreicher, sicherlich auch kontroverser Gerichtsentscheidungen sein, bis eine abschließende höchstrichterlicher Klärung durch den Bundesgerichtshof (BGH) erfolgt.

Im konkreten Fall ist das Ergebnis für unsere Mandantschaft natürlich zu begrüßen, da die einzige Verbindung zum Landgericht Hamburg in dem Kanzleisitz der abmahnenden Prozessbevollmächtigten des dortigen Klägers gesehen werden konnte.



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