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Keine kostenlosen Brillen für „Corona-Helden“

Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 06.08.2020, Az. 2 W 23/20


Keine kostenlosen Brillen für „Corona-Helden“

Das Oberlandesgericht Stuttgart entschied am 06.08.2020, dass ein Augenoptikfachgeschäft nicht mit kostenlosen Brillen für "Corona-Helden" werben dürfe. Denn das verstoße gegen das Heilmittelwerbegesetz. Es bestehe die Gefahr, dass Verbraucher dadurch unsachlich beeinflusst werden und sich für eine Brille des Fachgeschäftes entscheiden, ohne die Angebote anderer Unternehmen geprüft zu haben.

Darf mit kostenlosen Brillen geworbenen werden?
Antragsteller war ein Verband zur Förderung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder. Antragsgegnerin war eine Kette von Fachgeschäft für Brillen, Gläser etc. Diese warb mit einer Gratisbrille für Pfleger und Ärzte mit den Worten „Wir schenken Ihnen eine neue Brille – Inklusive Gläser – Große X Geschenkaktion für unsere Helden - Sie alle leisten zurzeit Unglaubliches. - X bedankt sich mit einem Geschenk für Ihren Einsatz. Eine Brille Ihrer Wahl, mit Gläsern in ihrer Stärke. - Weil Sie für uns da sind und wir etwas für Sie tun wollen. Vielen Dank im Namen von X und allen Mitarbeitern und Kunden. Es ist toll, dass wir in dieser schwierigen Zeit auf Sie zählen können! - #dankehelden“. Hiergegen ging der Antragssteller vor und forderte Unterlassung. Die Vorinstanz wies den Antrag ab. Dagegen wendete sich der Antragsteller mit einer Beschwerde.

Verstoß gegen HGW
Das Oberlandesgericht Stuttgart entschied, dass die kostenlose Abgabe von Brillen gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) verstoße. Es sei unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten oder zu gewähren, wenn das Werbemittel nicht unter einen Ausnahmetatbestand fallen. Durch diese Regelung solle das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer geregelt werden.

Brille als Medizinprodukt
Das grundsätzliche Verbot von Werbegaben gelte gemäß HWG auch für Werbung mit Medizinprodukten, so das Gericht. Ein solches Medizinprodukt stelle auch eine Brille dar, die eine Sehschwäche kompensieren soll.

Werbung als produktbezogene Werbung
Das OLG urteilte, die Werbeanzeige falle auch unter den Anwendungsbereich des HGW. Grundsätzlich beziehe sich das HGW nur auf die produktbezogene Werbung (Produkt- und Absatzwerbung). Die Werbegaben müsse sich aus Sicht des angesprochenen Verkehrs als Werbung für konkrete Heilmittel darstellen. Ausschlaggebend dafür sei, ob nach dem Gesamterscheinungsbild die Anpreisung bestimmter Produkte im Vordergrund stehe. Dies sei vorliegend der Fall. Denn in der Werbeanzeige werbe die Antragsgegnerin für ihr Produktsortiment mit bestimmten Kollektionen und Gläsern einer bestimmten Marke.

Kostenlose Brille als Werbegabe
Bei der kostenlosen Abgabe einer Brille habe es sich auch um eine Werbegabe gemäß HWG gehandelt, so das Gericht weiter. Durch den Begriff solle der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung durch Werbegeschenken im Heilmittelbereich begegnet werden. Er erfasse grundsätzlich jede nicht berechnete geldwerte Vergünstigung, die im Zusammenhang mit Werbung für ein bestimmtes Heilmittel gewährt werde. Eine Werbegabe setze also eine unentgeltliche und damit geschenkte Zuwendung voraus. So sei es auch bei der vorliegenden kostenlosen Warenabgabe.

Grundsätze der Publikumswerbung sind anzuwenden
Das OLG befand, dass durch die kostenlose Abgabe der Brillen auch eine Gefahr für die unsachliche Beeinflussung der Verbraucher ausgehe. Hierfür sei keine unmittelbare Kopplung zwischen Erhalt der Werbegabe und Kaufentscheidung erforderlich. Die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung sei vielmehr im Sinne einer individuellen Beeinflussbarkeit zu bewerten. Es seien dabei die Grundsätze der Publikumswerbung anzuwenden. Denn die Werbung richte sich an Ärzte und Pfleger, um den Absatz von Sehhilfen für den persönlichen Bedarf zu fördern. Es sei nicht fernliegend, dass sich ein Verbraucher für eine Brille der Antragsgegnerin entscheide, ohne zuvor geprüft zu haben, ob das Angebot eines anderen Unternehmens seinen persönlichen Bedürfnissen besser entspricht. Die abstrakte Gefahr einer unsachgemäßen Beeinflussung liege somit darin, dass sich der Verbraucher für eine Leistung (Brillengestell und Glas) entscheide, ohne die Produkte der Mitbewerber in seine Entscheidung einzubeziehen.

Ausnahmetatbestände greifen nicht ein
Das Gericht konnte auch keine Ausnahmetatbestände erkennen. Insbesondere liege keine zulässige Werbung vor, weil die Werbegabe in einem auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag bestehe. Die unentgeltliche Brille könne nicht als hundertprozentiger Geldrabatt angesehen werden. Denn diese Ausnahmeregelung sei bei reinen Werbegeschenk nicht anwendbar. Andernfalls werde der Anwendungsbereich des HWG ausgehöhlt. Der Gesetzgeber habe mit der begrenzten Privilegierung die Geldrabatte im Auge gehabt, die sich im Handelsverkehr als üblich etabliert haben.

Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 06.08.2020, Az. 2 W 23/20


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