Kein Wettbewerbsverhältnis durch kritische Berichterstattung über Unternehmen
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in seinem Urteil vom 31. Juli 2014 entschieden, dass ein kritischer Beitrag eines Online-Informationsportals über ein Unternehmen noch kein Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Unternehmen und dem Portal begründet, selbst wenn beide einen ähnlichen Interessentenkreis haben. Allerdings kann sich eine andere Beurteilung ergeben, wenn das Online-Portal mit einer Drittfirma verflochten ist, die in einem unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis mit dem kritisch bewerteten Unternehmen steht. Dann können die individuellen Umstände durchaus ein Wettbewerbsverhältnis begründen, insbesondere wenn in dem kritischen Artikel auch die verbundene Drittfirma genannt wird oder sich in unmittelbarer Nähe zum Bericht ein Link zu deren Angebot befindet.
Zu den Hintergründen der Entscheidung
Streitparteien waren ein Unternehmen, das geschlossene Immobilienfonds anbietet als Antragstellerin und ein Informationsportal im Internet über Kapitalanlagen als Antragsgegnerin, die zudem mit einem anderen Anbieter von Kapitalanlagen sowohl gesellschaftsrechtlich als auch personell verbunden ist und dessen Angebote zudem auf der Internetseite der Antragsgegnerin verlinkt sind.
In einer Rubrik, die eigentlich vor allem Nutzerbeiträge enthält, veröffentlichte die Antragsgegnerin einen eigenen Artikel, der sich mit der Antragstellerin auseinandersetzt. In diesem sah das kritisierte Unternehmen eine getarnte redaktionelle Werbung, weshalb sie die Unterlassung im Eilverfahren geltend machen wollte. Die Vorinstanz hat den Unterlassungsanspruch allerdings abgelehnt.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main
Das OLG hat sich dieser Entscheidung angeschlossen. Wettbewerbsrechtliche Ansprüche hielt das Gericht für ausgeschlossen, weil das angeführte Verhalten der Antragsgegnerin keine geschäftliche Handlung darstellen würde, gegen welche die Antragstellerin als Mitbewerberin bei Unlauterkeit hätte vorgehen können.
Nach Ansicht des Gerichts liegt kein unmittelbares Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien vor, weil bei deren erbrachten Leistungen (das Angebot von Fonds bzw. das Betreiben eines Informationsportals im Internet über solche und andere Kapitalanlagen) kein funktionales Austauschverhältnis angenommen werden könne. Auch ein mittelbares Wettbewerbsverhältnis hielt das OLG für nicht gegeben, denn obwohl dies nach einem Urteil des BGH (Bundesgerichtshof) möglich sei, reiche es hier doch nicht aus, dass sich die Antragstellerin und die Antragsgegnerin an den gleichen Interessenkreis richten und letztere durch den kritischen Bericht in die Interessensphäre des Unternehmens eingreift. Sonst würde schließlich durch jeden kritische Auseinandersetzung mit einem Unternehmen in einem Pressemedium ein Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Organ der Presse und dem Unternehmen, über das negativ berichtet wurde, auf einem bestimmten Markt entstehen.
Auch ist der veröffentlichte Artikel nicht deswegen als von dem Immobilienfondunternehmen als Mitbewerberin angreifbares geschäftliches Handeln zu betrachten, weil es einen objektiven Zusammenhang zwischen dem Bericht und der Förderung eines anderen Mitbewerbers gibt. Möglicherweise kann die kritische Auseinandersetzung mit der Antragstellerin tatsächlich die Gewinne anderer Kapitalanlagenanbieter steigern, sie müsste aber nicht nur dafür geeignet, sondern auch dazu bestimmt sein, dies zu tun. Dies sahen die Richter hier nicht als gegeben an.
Trotzdem musste nach Ansicht des Gerichts die Verflechtung der Interessen der Antragsgegnerin und einem Mitbewerber der Antragstellerin kritisch gewürdigt werden. Entscheidend sei aber eine Abwägung der Gesamtumstände, zu denen auch der Inhalt und die Form des Artikels selbst zählen. Nur dadurch ließe sich beurteilen, ob Information und Meinungsbildung oder eine wettbewerbsspezifische Motivationen im Vordergrund stünden. Das Gericht sah die Grenze zur Drittabsatzförderung noch nicht als überschritten an, da die Produkte des Drittunternehmens nicht genannt wurden und sich auch kein Link dazu im direkt Umfeld des Beitrags befand.
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 31.07.2014, Az. 6 U 74/14