• Anwaltskanzlei Weiß & Partner

    Katharinenstraße 16
    73728 Esslingen

    0711 - 88 241 006
    0711 - 88 241 009
    Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Kein nennenswerter Wettbewerbsverstoß unter bestimmten Umständen

Oberlandesgericht Frankfurt, Beschluss vom 22.01.2020, Az. 6 W 3/20


Kein nennenswerter Wettbewerbsverstoß unter bestimmten Umständen

Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main entschied am 22.01.2020, dass unter gewissen Umständen keine spürbare Zuwiderhandlung gegen Marktverhaltensregelung vorliege. Das sei anzunehmen, wenn aufgrund einer offensichtlichen Gesetzeslücke eine schnelle Änderung des Gesetzes erfolgt und daher die Beeinträchtigung geschützter Interessen nur theoretischer Natur sei.

Wer muss die Kosten des Streitwertes tragen?
Kläger war ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs; Beklagter ein Onlinehändler für Getränke. Die Parteien stritten nach Erledigung eines Rechtsstreits über den Streitwert und die Kostentragungspflicht. Der Beklagte hatte Eierlikör angeboten, der auch Sahne beinhaltete. Dies hielt die Klägerin als unvereinbar mit der Spirituosen-VO und daher als wettbewerbswidrig. Sie mahnte den Beklagten ab. Der Beklagte teilte ihr daraufhin mit, dass die Produktbezeichnung nicht ihm, sondern dem Hersteller obliege und das Produkt ohnehin nicht mehr angeboten werde. Daher gehe er von einer Erledigung der Angelegenheit aus. Die Klägerin erhob aber trotzdem Unterlassungsklage, woraufhin der Beklagte eine Unterlassungserklärung abgab und die Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit für erledigt erklärten. Das Landgericht legte dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auf und setzte den Streitwert auf 10.000 EUR fest. Hiergegen richten sich die Beschwerden des Beklagte. Die Vorinstanz half dieser aber nicht ab.

Entscheidungsbegründung dient der Entlastung und hat Filterfunktion
Das Oberlandesgericht Frankfurt sah es hinsichtlich der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG) als bedenklich an, dass die Vorinstanz nur formelhaft auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen hätten. Denn der Beklagte habe zu seiner Beschwerde umfangreich vorgetragen. Die Abhilfebefugnis diene der Selbstkontrolle des erstinstanzlichen Gerichts und damit zugleich der Verkürzung des Verfahrens und der Entlastung der Beschwerdegerichte. Zudem erfülle das Abhilfeverfahren eine Filterfunktion. Das Beschwerdegericht solle sich nur mit solchen Entscheidungen befassen, an denen das untere Gericht auch unter Berücksichtigung neu vorgebrachter Argumente, Tatsachen und Beweismittel festhält.

Kein Unterlassungsanspruch erkennbar
Die Kosten des Rechtsstreits seien nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes dem Kläger aufzuerlegen, so das OLG weiter. Denn dieser wäre voraussichtlich unterlegen gewesen. Dabei könne dahinstehen, ob der Beklagte zur Klage Veranlassung gegeben habe. Denn ein Unterlassungsanspruch sowie ein Abmahnanspruch habe nicht bestanden. Es fehle an der erforderlichen Spürbarkeit eines Wettbewerbsverstoßes.

Sahne als Zutat für Eierlikör zugelassen
Zwar sei ursprünglich die Zutatenliste der Spirituosen-VO abschließend gewesen. Das habe jedoch ganz offensichtlich nicht dem gesetzgeberischen Willen entsprochen. Dies habe sich allein schon durch die schnelle Anpassung der Verordnung nach einem entsprechenden EuGH-Urteil gezeigt. Danach sei auch Milch/Sahne als Zutat zugelassen worden. Dadurch wäre auch der vom Beklagten vertriebene Eierlikör verkehrsfähig gewesen. Darüber sei der Markt auch bereits einen Tag nach dem Urteil durch offizielle Stelle informiert worden. Unabhängig davon erwarte der Markt aber auch von Eierlikör, dass darin Milch bzw. Sahne enthalten ist.

Keine nennenswerte Auswirkung auf Marktteilnehmer  
Das Gericht war der Ansicht, dass sich unter diesen besonderen Umständen keine spürbare Zuwiderhandlung gegen Marktverhaltensregelung bejahen lasse. Fälle ohne nennenswerten Auswirkungen auf Marktteilnehmer seien von der gerichtlichen Verfolgung auszunehmen. Spürbare Auswirkungen seien dann zu bejahen, wenn eine Beeinträchtigung der geschützten Interessen nicht nur theoretisch, sondern auch tatsächlich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten. Gerade das sei aber vorliegend nicht denkbar. Der Verkehr sei seit Jahrzehnten an traditionelle Eierlikör-Produkte mit Sahne gewöhnt. Man habe daher nicht erwartet, dass in Eierlikör keine Sahne (mehr) enthalten sein dürfe. Somit habe der Beklagte selbst bei ihrer Verwendung keinen Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern gehabt. Außerdem sei dadurch keine Vielzahl von Marktteilnehmern betroffen gewesen und es habe auch keine Nachahmungsgefahr bestanden. Denn zum Zeitpunkt des Verstoßes sei bereits das Gesetzgebungsverfahren zur Abschaffung der verletzten Norm begründet worden.

Streitwert ist rechtmäßig
Der Streitwert sei jedoch zu Recht auf 10.000 EUR festgesetzt worden, befand das OLG Frankfurt. Bei seiner Bemessung komme den Angaben des Klägers in der Klageschrift regelmäßig erhebliche indizielle Bedeutung zu. Denn diese Angaben seien unbeeinflusst vom Ausgang des Prozesses. Eine Abweichung von den Angaben komme nur in Betracht, wenn die Angabe deutlich über- oder untersetzt sei. So sei es aber vorliegend gerade nicht gewesen. Der Wert für einen Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht sei zwar im oberen Bereich angesiedelt. Allerdings bestehe zum Schutz der Verbraucher grundsätzlich ein Allgemeininteresse daran, dass verbraucherschützende Normen auch eingehalten werden. Da der Kläger als Verbraucherschutzverband gerade derartige Belange vertrete, sei sein Interesse an der gerichtlichen Durchsetzung höher zu bewerten als das Interesse einzelner Mitbewerber.

Oberlandesgericht Frankfurt, Beschluss vom 22.01.2020, Az. 6 W 3/20


Ihr Ansprechpartner

Bitte Kommentar schreiben

Sie kommentieren als Gast.

E-Mail: kanzlei@ratgeberrecht.eu, Telefon: 004971188241006
Katharinenstraße 16, 73728, Esslingen, Baden-Württemberg, Deutschland