Irreführende Werbung mit „Kein Mindestumsatz“
Das Landgericht Essen entschied am 30.05.2022, es sei irreführend, mit der Aussage "Kein Mindestumsatz" zu werben, wenn die Kunden regelmäßig Guthaben aufladen müssen, um eine Deaktivierung zu verhindern.
Wann liegt „Kein Mindestumsatz“ vor?
Die Parteien stritten um die Zulässigkeit von Werbung zu einem Prepaid-Tarif. Kläger war der Verbraucherzentrale Bundesverband; die Beklagte bot Prepaid-Mobilfunktarife an. Sie bewarb im Internet ihren „Basis-Prepaid-Tarif“, welcher ein sog. Starter Set mit Rufnummer, SIM-Karte und 100 EUR Startguthaben beinhaltete. Dieses Starter Set wurde an mehreren Stellen mit der Behauptung „Kein Mindestumsatz“ beworben. Aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergab sich, dass die Leistung nach Aktivierung der SIM-Karte innerhalb eines sogenannten Aktivitätszeitfensters von zwölf Monaten genutzt werden konnte. Danach wurde noch eine zweimonatige passive Erreichbarkeit gewährleistet. Damit waren die Kunden noch zwei Monate erreichbar, ohne allerdings selbst Anrufe tätigen zu können. Danach wurde die SIM-Karte deaktiviert und das Vertragsverhältnis endete, wenn das Guthaben nicht wieder aufgeladen wurde. Weitergehende Hinweise auf die zeitliche Begrenzung des Tarifs auf der Webseite erfolgten nicht. Der Kläger mahnte die Beklagte daher ab und forderte Unterlassung.
Kostensensible Zielgruppe
Das Landgericht Essen entschied, der Ausspruch „Kein Mindestumsatz“ sei für Verbraucher irreführend. Die Werbung richte sich primär an Kunden, die von Pauschalverträge mit Grundgebühren absehen. Sie seien gerade nicht an einer Vertragsbindung mit regelmäßigen Zahlungsverpflichtungen interessiert. Es handele sich dabei in der Regel um kostenempfindliche Verbraucher, die nur einen überschaubaren Geldbetrag für Mobilfunk ausgeben wollen. Für diese Kunden gehe es vor allem darum, die kostenpflichtigen Leistungen nur im geringen Umfang zu nutzen, da es eher auf eine generelle Erreichbarkeit und Kontaktmöglichkeit im Notfall ankommt. Diese Verbrauchergruppe werde gezielt durch „Basis-Prepaid-Tarif“ und besonders günstige Verhältnisse für das Starter Set angesprochen.
Widerspruch zwischen „Kein Mindestumsatz“ und Guthabenverbrauch
Das LG befand, „Kein Mindestumsatz“ suggeriere, dass es gerade keiner regelmäßigen Zahlung bedürfe. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Vertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werde. Dass vertraglich ein sog. Aktivitätszeitfenster festgelegt werde mit anschließender passiver Phase, nach deren Ende das Vertragsverhältnis endet, habe darauf keinen Einfluss. Zwar sei diese Regelung im Prepaid-Bereich üblich und auch im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen als Vereinbarung zulässig. Trotzdem werden Verbraucher den Begriff nicht ausschließlich so verstehen, dass Zahlungen das Aktivitätszeitfenster aufrecht erhalten. Vielmehr werde die Aussage so verstanden, dass auch ohne monatliche Zahlungen und damit „ohne Mindestumsatz“ der Vertrag bestehen bleibt und passive Leistungen in Anspruch genommen werden können. Dies stehe im Widerspruch dazu, dass der Verbraucher bei Erreichen des maximalen Guthabens gezwungen sei, Guthaben zu verbrauchen, um das Aktivitätszeitfenster zu verlängern.
Abgrenzung „Kein Mindestumsatz“ und „Keine Grundgebühr“
Es bedürfe einer Abgrenzung zwischen dem streitgegenständlichen Werbesatz „Kein Mindestumsatz“ und dem ebenfalls durch die Beklagte verwendeten Ausspruch „Keine Grundgebühr“, so das Gericht weiter. Letzterer suggeriere, dass nach Verbrauch bezahlt werde und nicht pauschal monatlich. Die Beklagte messe offenbar diesen Aussagegehalt auch der zusätzlichen Werbezeile „Kein Mindestumsatz" bei. Gerade in der Gegenüberstellung der beiden Aussagen zeige sich jedoch der Unterschied. Über das Fehlen einer Grundgebühr hinaus sei Vorteil eines fehlenden Mindestumsatzes, dass gerade nichts verbraucht oder umgesetzt werden müsse, um in den Genuss der vertraglichen Gegenleistungen zu kommen. Zudem stelle sich aus Verbrauchersicht auch die Einzahlung auf das eigene „Konto“ als „Umsatz" dar. Denn für Verbraucher sei sicherlich nicht die betriebswirtschaftliche Umsatzdefinition relevant. Vielmehr stehe die eigene Transaktion an die Beklagte im Vordergrund, jedenfalls auf einer Stufe mit dem „Verbrauch" bereits eingezahlten Guthabens.
Erweckte Erwartungen und tatsächliche Verhältnisse weichen voneinander ab
Das Landgericht war der Ansicht, die erweckten Vorstellungen der Kunden stimmen mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht überein. Dahingehend bestehe eine Diskrepanz. Denn es liege gerade ein Mindestumsatz vor. Der Kunde müsse auf sein Konto einzahlen, wenn auch nicht regelmäßig, sondern vielmehr verbrauchsunabhängig. Dies zeige sich in zwei Fällen. Zunächst müsse zur dauerhaften – wenn auch bloß passiven - Nutzung der Vertragsleistungen der Aktivitätszeitraum verlängert werden, und zwar durch fortgesetzte Zahlung von mindestens 5 EUR. Zudem gebe es ein Einzahlungsmaximum von 200 EUR sowie ein maximales Aktivitätszeitfenster von 24 Monaten. Darin sei ein erzwungener Umsatz für den dauerhaften Erhalt der Gegenleistung und damit ein Mindestumsatz zu sehen. Dass dieser nicht regelmäßig oder gar monatlich in gleichbleibender Höhe erfolge, stehe dem nicht entgegen.
Landgericht Essen, Urteil vom 30.05.2022, Az. 1 O 314/21