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Irreführende Werbung mit geschätztem Neupreis

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 25.03.2021, Az. 5 U 15/20


Irreführende Werbung mit geschätztem Neupreis

Das Kammergericht Berlin beschloss am 25.03.2021, dass ein „geschätzter Neupreis“ in einem Online-Shop als Vergleichspreis irreführend sei. Sei die Bezugsgröße für eine angegebene Preisersparnis willkürlich festgelegt, bestehe keine Vergleichsgrundlage für den Vorteil und die darauf bezogene Werbung.

Preisrabatt zu geschätztem Neupreis als irreführende Werbung?
Die Beklagte unterhielt einen Onlineshop, mit dem sie sich insbesondere an preisbewusste oder nachhaltige Käufer richtete. Über den Shop vertrieb sie unter anderem gebrauchte Bekleidung. Sie warb damit, dass Secondhandkleidung bis zu 90% günstiger sei als neue Stücke. Dafür stellte sie die aktuellen Preise den vermeintlich ursprünglichen Preisen gegenüber. Sie wies darauf hin, dass es sich bei dem Ursprungspreis um einen „geschätzten Neupreis“ für diesen Artikel handelt. Der Kläger, ein Wirtschaftsverband, nahm die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch. Er rügte die Preisangabe „geschätzter Neupreis“ als unlauter. Er ging daher gegen die Beklagte wegen Irreführung vor. Die Vorinstanz folgte der Ansicht des Klägers. Die Beklagte wandte sich mit der Berufung dagegen.

Unzulässiger Preisvergleich
Das Kammergericht Berlin entschied, dem Kläger stehe ein lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsanspruch zu. Die Preiswerbung sei irreführend und unzulässig preisvergleichend. Denn sie sei geeignet, bei einem relevanten Teil der angesprochenen Verkehrskreise eine Fehlvorstellung über die Preiswürdigkeit der im Onlineshop unterbreiteten Angebote zu wecken. Die Beklagte spiegele mit der Angabe „bis zu 90% unter Neupreis“ eine auf objektiver Grundlage und durch Marktübersicht gewonnene Vergleichsgrundlage vor, obwohl eine solche tatsächlich gar nicht zu gewinnen sei.

Vergleichspreis muss auf Tatsachen basieren
Der Durchschnittsverbraucher verstehe den Hinweis auf den „Neupreis“ einer Ware als Hinweis auf denjenigen Einzelverkaufspreis, den der Markt hergibt, so das Gericht. Zwar könne der Verbraucher den Begriff des Neupreises sowohl als Hinweis auf eine unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers, als auch als Hinweis auf einen tatsächlich am Markt erzielten Preis auffassen. Gleichwohl erwarte er, dass diese Angabe auf einer validen Tatsachengrundlage beruhe. Denn der preisbewusste Verbraucher interessiere sich vor allem deshalb für das günstige Produkt, weil er den angegebenen Vergleichspreis als den erachtet, der die Marktverhältnisse widerspiegelt.

Vergleichspreis fehlt Berechnungsbasis
Das KG war der Ansicht, beim Verbraucher werde der Eindruck erweckt, bis zu 90 % gegenüber dem Ursprungspreis sparen zu können. Dieser Eindruck könne aber nicht erfüllt werden. Denn der angesprochene Verkehr setze grundsätzlich voraus, dass der Vergleichspreis auf einer ernsthaften Kalkulation beruhe oder den tatsächlich von Mitbewerbern verlangten Einzelverkaufspreis wiedergebe. Die Beklagte könne aber den ursprünglichen Preis in vielen Fällen gar nicht ermitteln. Daher sei auch die Höhe der Ersparnis nicht zu errechnen.

Auch Hinweis auf Schätzung ändert nichts
Das KG befand, der Hinweis auf einen geschätzten Neupreis führe zu keinem abweichenden Ergebnis. Denn auch bei einem geschätzten Neupreis setze der Verbraucher voraus, dass die vorgenommene Schätzung auf einer tragfähigen und nachprüfbaren Tatsachengrundlage fußt. Zwar wüssten die Angesprochenen bei der Werbung mit einem „Schätzpreis“, dass es sich nicht um den exakten Preis handelt. Aber auch ein geschätzter Vergleichspreis stelle eine Tatsachenbehauptung dar. Der angesprochene Verkehr nehme von einer solchen Aussage an, dass sie auf der Grundlage valider Anhaltspunkte aufgestellt worden sei.

Händler hat bessere Preisübersicht
Das gelte auch, obwohl sich der Neupreis einer gebrauchten Ware mitunter nicht zuverlässig bestimmen lasse, so das Gericht. Denn der Verbraucher setze bei einem Händler, der eine Vielzahl von Waren einer Gattung – hier gebrauchte Kleidung – anbietet und für sich in Anspruch nimmt, den Neupreis der von ihm angeboten Ware in etwa bestimmen zu können, auch eine bessere Übersicht über den relevanten Markt, die Preisgestaltung und einen gewissen Informationsvorsprung voraus.

Keine Branchenüblichkeit, sondern Unsitte
Die Beklagte könne sich auch nicht auf Branchenüblichkeit der Preisgegenüberstellung im Gebrauchtwarenhandel berufen, so das Kammergericht. Für unlauteres Handeln komme es nicht maßgeblich auf einschlägige Branchenübung oder in der Branche akzeptiertes Verhalten an. Entscheidend sei vielmehr, ob das Verhalten nach normativen Maßstäben als unlautere geschäftliche Handlung anzusehen sei. Eine geschäftliche Handlung stehe (nur dann) im Einklang mit der unternehmerischen Sorgfalt, wenn sie „anständigen Marktgepflogenheiten“ entspricht. Sollte es im Gebrauchtwarenhandel üblich sein, dass vergleichende Werbung mit nicht auf validen Tatsachen beruhenden Neupreisen die Regel sei, handelt es sich jedoch vielmehr um eine rechtlich nicht zu berücksichtigende Unsitte.

Fehlende Transparenz
Auch die Werbung mit einem durchgestrichenen Preis, der dem „geschätzten Neupreis“ entspreche, sei irreführend und damit unlauter. Werden Preise für ein Angebot durchgestrichenen Preisen gegenübergestellt, müsse sich aus der Werbung klar und deutlich ergeben, worum es sich bei dem durchgestrichenen Preis handelt. Dieser Anforderung werde die Preiswerbung der Beklagten nicht gerecht. Denn der Hinweis erfülle nicht die Transparenzanforderungen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der Verbraucher einem „geschätzten Neupreis“ eine andere Bedeutung beimisst als die Beklagte. Hinzu komme, dass die Beklagte in ihrer Werbung nicht offenlegt, wie sie den „geschätzten Neupreis“ ermittelt habe. So bleiben dem Verbraucher die Informationen vorenthalten, die es ihm erlaubten, die Preiswürdigkeit des Angebotes selbst zu überprüfen.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 25.03.2021, Az. 5 U 15/20


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