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Irreführende Werbeaussagen für ein Arzneimittel

Oberlandesgericht Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 22.05.2018, Az. 3 U 1138/18


Irreführende Werbeaussagen für ein Arzneimittel

In einem Hinweisbeschluss vom 22.05.2018, Az. 3 U 1138/18 legte das Oberlandesgericht Nürnberg dar, dass die Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,00 € mit Blick auf irreführende Werbeaussagen für ein Arzneimittel unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls nicht zu gering ausgefallen sei. Ihr komme durchaus eine abschreckende Wirkung zu, sodass die Abgabe einer sie beinhaltenden Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr für weitere Rechtsverstöße beseitige.

Beanstandung von Werbeaussagen für ein Arzneimittel
Die Verfügungsbeklagte ist Herstellerin eines apothekenpflichtigen Arzneimittels namens S.® extract, das für den Anwendungsbereich „akute, unkomplizierte Entzündungen der Nasennebenhöhlen zugelassen ist. Hierfür warb sie in der Beilage der Zeitschrift „PTAheute“ mit mehreren Aussagen, deren Zulässigkeit aufgrund der Beanstandung eines Verbandes (Verfügungskläger) Streitpunkt des Verfahrens sind. Es handelt sich dabei um folgende Aussagen:

1. „Die starke und evidenzbasierte Empfehlung ist S.® extract. Das Phytopharmakon löst dank seiner vierfach konzentrierten Wirkkraft* effektiv den Schnupfen, öffnet die Nase und befreit den Kopf.“
* Eine 4-fache Konzentration ist nicht gleichzusetzen mit der 4-fachen Wirksamkeit. Die 4-fache Konzentration bezieht sich auf Ø 720 mg eingesetzte Pflanzenmischung in S.® extract (entspricht 160 mg Trockenextrakt) im Vergleich zu 156 mg Pflanzenmischung in S.® forte, bzw. auf die die sekretolytische bzw. antientzündliche Eigenschaft mitbestimmenden Bioflavonoide.

2. „Die Formel lautet: höchste Drogenqualität (= beste Ausgangsstoffe) + höchste Extraktqualität (= bestes Herstellungsverfahren) = bestes Produkt: S.® extract!“

3. „Der „S.®“-Effekt wird dosisabhängig vermittelt: Die einfache Gleichung, die sich hieraus ergibt: Mehr Bioflavonoide bedeutet: stärkere sekretolytische Wirkung. S.® extract ist höher konzentriert = stärker wirksam!“

4. „Und auch in diesem Fall gilt, dass der Effekt dosisabhängig vermittelt wird und S.® extract dank seiner hohen Konzentration an Bioflavonoiden effektiv der Entzündung entgegenwirkt.“

5. „In S.® extract sind die „besten Inhaltsstoffe“ in hoher Konzentration enthalten.“

6. „Eine Unterscheidung zwischen „Schnupfen“ und „Nasennebenhöhlenentzündung“ ist für die Empfehlung von S.® extract aber auch nicht nötig – es eignet sich für beides. Eine frühzeitige Einnahme von BNO 1016 ist jedoch ratsam, damit sich aus dem Schnupfen erst gar keine Nasennebenhöhlenentzündung entwickeln kann, bzw. auch, um die Gefahr eines Etagenwechsels zu verringern.“

Landgericht untersagte Ziffer 2, 3 und 4
Infolge einer Abmahnung betreffend dieser Werbeinhalte durch den Verfügungskläger gab die Verfügungsbeklagte zwar eine Unterlassungserklärung, welche eine Vertragsstrafe von 5.100,00 € für jeden weiteren Fall der Zuwiderhandlung enthielt, ab. Allerdings beschränkte sich diese nur auf bestimmte Aussagen, sodass ein gerichtliches Vorgehen des Verbandes in Form eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerechtfertigt war. Das Landgericht Nürnberg-Fürth kam sodann mit Urteil vom 22.05.2018, Az. 3 HK O 2081/18 zu dem Ergebnis, dass lediglich die Ziffern 2,3 und 4 unzulässig seien. Mithin habe die Verfügungsbeklagte ihre Werbung mit den Äußerungen dieser Ziffern zu unterlassen, während sie den Inhalt der Ziffern 1, 5 und 6 weiterhin veröffentlichen dürfe.

Berufung beider Parteien gegen erstinstanzliches Urteil
Gegen dieses erstinstanzliche Urteil legten beide Parteien das Rechtsmittel der Berufung ein. Auf der einen Seite beantragte der Verfügungskläger zusätzlich die Untersagung der Werbeinhalte der Ziffern 1, 5 und 6. Auf der anderen Seite begehrte die Verfügungsbeklagte die Zurückweisung der ausgesprochenen Verfügung im Ganzen. Das Oberlandesgericht Nürnberg entsprach letztendlich aber keinem der beiden Anträge. Vielmehr hielt es sowohl das Vorbringen des Verfügungsklägers als auch das des Verfügungsbeklagten für offensichtlich unbegründet. Aus diesem Grund legte es beiden Parteien die Rücknahme der Berufungsanträge nahe.

Antrag des Verfügungsklägers ist unbegründet
Nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts habe das Landgericht den klägerischen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hinsichtlich der Ziffern 1, 5 und 6 zu Recht zurückgewiesen. Grund hierfür sei, dass die Wiederholungsgefahr betreffend der Nummern 1 und 6 durch die abgegebene Unterlassungserklärung beseitigt wurde. Die Erklärung sei laut Senat inhaltlich nicht zu beanstanden, schließlich umfasse sie die besagten Werbeaussagen vollumfänglich. Außerdem erweise sich die Höhe der Vertragsstrafe entgegen der Ansicht des Verfügungsklägers nicht als derartig gering, dass sich Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Unterlassungsversprechens auftun. Sie entfalte durchaus die grundsätzlich für einen Rechtsverletzer beabsichtigte abschreckende Wirkung.

Höhe der Vertragsstrafe nicht zu gering
Zwar sei der Betrag von 5.100,00 € im unteren Bereich der Angemessenheit einer solchen Strafe anzusiedeln. Allerdings habe man im konkreten Streitfall zu berücksichtigen, dass sich die Schwere und das Ausmaß der Zuwiderhandlung nicht als äußerst gravierend darstellen, so das Oberlandesgericht weiter. Im Einklang mit dem Landgericht stufe das Berufungsgericht den angegriffenen Zusatz „dank seiner vierfach konzentrierten Wirkkraft*“ der Ziffer 1 nicht als irreführend ein. Eine eventuelle Irreführungsgefahr werde laut Gericht durch den unmittelbar unter der gegenständlichen Aussage zu findenden Inhalt der Fußnote beseitigt. Insgesamt werde dem Fachpublikum durch den Sternchenzusatz gerade deutlich, dass überhaupt keine Aussage zur Wirksamkeit, sondern nur über den Wirkstoffgehalt des Arzneimittels im Vergleich zu einem anderen Produkt der Verfügungsbeklagten getroffen werden solle. Darüber hinaus würden nach der Ansicht des Gerichts die Aspekte, dass die Werbeaussagen Teil eines Gesamttextes seien und die Verfügungsbeklagte mit dem Arzneimittel 32% ihres Umsatzes erziele, zu der Angemessenheit der gegenständlichen Vertragsstrafe beitragen.

Superlativ der Ziffer 5 ist keine Alleinstellungswerbung
Im Vergleich zu den Ziffern 1 und 6 scheitere die Zulässigkeit der Ziffer 5 aber nicht an der – für einen Unterlassungsanspruch stets erforderlichen – Wiederholungsgefahr, so der Senat. Vielmehr kam das Gericht mit Blick auf diese Werbeaussage zu dem Ergebnis, dass es sich dabei nicht um eine Alleinstellungswerbung handele, sodass bereits die erste Voraussetzung des klägerischen Begehrens, nämlich der Tatbestand des § 5 UWG, verneint werden müsse. Der angesprochene Verkehrskreis, auf den es für die Beurteilung einer Werbeaussage entscheidend ankomme, verstehe den Superlativ dieser Ziffer („die besten Inhaltsstoffe“) mangels Konkretisierung nicht als Behauptung einer alle anderen Konkurrenzerzeugnisse deutlich überragenden Spitzenposition, so das Gericht weiter. Er entnehme dem Slogan lediglich, dass sich das Arzneimittel als ein qualitativ hochwertiges Produkt erweise, welches zusammen mit anderen Produkten zur Spitzenklasse der auf dem betreffenden Warengebiet angebotenen Erzeugnisse gehöre. Unter Berücksichtigung dieses Umstands habe der Verfügungskläger nach der Ansicht des Gerichts nicht hinreichend dargetan, dass die strittige Werbeaussage irreführend sei.

Berufung des Verfügungsbeklagten ebenso unbegründet
Die Zurückweisung des Berufungsantrags des Verfügungsbeklagten begründete der Senat einerseits mit der Feststellung, dass die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG im Streitfall nicht widerlegt werden könne, sodass das Landgericht richtigerweise einen Verfügungsgrund bejaht habe. Hinsichtlich des klagenden Verbands sei grundsätzlich allein der Zeitpunkt der Kenntniserlangung des Wettbewerbsverstoßes maßgeblich. Zwischen der Kenntniserlangung und der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs liege allerdings keine Zeitspanne, welche die Dringlichkeit des Begehrens in Abrede stellen ließe, so das Gericht. Da der Verfügungskläger glaubhaft darlegte, dass er nicht ohne eigenes Verbandsinteresse tätig wurde, sei die Vorkenntnis des Mitbewerbers, der den Verband erst mittels einer E-Mail auf den Verstoß aufmerksam machte, unbeachtlich.

Ziffer 2, 3 und 4 sind irreführend
Andererseits handele es sich laut dem Oberlandesgericht bei den Ziffern 2, 3 und 4 um irreführende Werbung, für welche die Wiederholungsgefahr aufgrund der einschränkenden Zusätze der Unterlassungserklärung nicht beseitigt werde. Der Unterlassungsanspruch für die zweite Werbeaussage ergebe sich aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG. Nach Ansicht des Senats verstehe der erhebliche Teil des angesprochenen Verkehrskreises die Aussage der Ziffer 2 im Gegensatz zu Ziffer 5 so, als nehme der Verfügungsbeklagte für sich allein eine Spitzenstellung auf dem Markt in Anspruch. Er bringe durch die Formulierung gerade zum Ausdruck, dass das beworbene Produkt sich gegenüber ähnlichen Arzneimitteln anderer Hersteller bezüglich Qualität und Wirksamkeit heraushebe und insoweit alle Produkte der Mitbewerber übertreffe. Allerdings trage der Verfügungsbeklagte nicht vor und mache auch nicht glaubhaft, dass dieses Vorbringen der Wahrheit entspreche.
Der irreführende Charakter der Ziffern 3 und 4 resultiere dagegen aus §§ 8, 3, 3a UWG in Verbindung mit der marktverhaltensregelnden Norm des § 3 Heilmittelwerbegesetz (HWG). Das Gericht führte an, dass der Arznei in den Werbeaussagen eine therapeutische Wirksamkeit (Ursächlichkeit der Anwendung des Medikaments für den Heilungserfolg) oder Wirkungen (Veränderungen des Zustandes der Funktion des Körpers oder eines Körperorgans) im Sinne von § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG beigelegt werde. Aufgrund des Umstandes, dass die hierfür in Bezug genommene Studie diese Werbeaussage aber nicht oder nicht uneingeschränkt wissenschaftlich trage, erweise sich die Werbung nach der genannten Norm aber als irreführend. Ebenfalls stellte der Senat fest, dass das klägerische Begehren infolge der einschlägigen Fallgruppe der Irreführung entgegen anderer Behauptung auch nicht verwirkt sei.

Oberlandesgericht Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 22.05.2018, Az. 3 U 1138/18

von Sabrina Schmidbaur, Dipl.Jur.-Univ.


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