Informationspflichten bei Verbot von Werbeaussage
Werde einem Schuldner eine bestimmte Werbeaussage verboten, könne dieser verpflichtet sein, die Werbeadressaten über das Verbot zu informieren. Dies entschied das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. mit Beschluss vom 01.08.2018. So ein Fall läge vor, wenn die Aussage auch nach der Entfernung aus dem Werbeauftritt im Gedächtnis der Adressaten geistig fortlebe und die Verbotsinformation auch zumutbar sei.
Wie weit reichen bei einem Werbeverbot die Informationspflichten?
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Sanitärreinigung. Per einstweiliger Verfügung wurde es der Antragsgegnerin untersagt, ihr Produkt X mit den Angaben „... mit Sicherheit kennzeichnungsfrei...“ und „ ... so ist X auch weiterhin erste Wahl in der Sanitärreinigung, wenn es um (...) die Vorteile kennzeichnungs-freier Produkte geht ...“ zu bewerben. Aufgrund mehrfacher Verstöße gegen die Unterlassungsverpflichtung begehrte die Antragsstellerin die Verhängung von Ordnungsmittel. So habe die Schuldnerin u.a. Händler nicht über das Werbeverbot informiert, weshalb mehrere Abnehmer weiterhin mit der untersagten Kennzeichnungsfreiheit geworben hätten. Die Vorinstanz verhängte ein Ordnungsgeld, wogegen sich die Antragsgegnerin per sofortige Beschwerde wehrte. Ihrer Meinung nach war insbesondere die Reichweite des Unterlassungsgebotes nicht eindeutig.
Auslegung des Vollstreckungstitels, um Verbotsreichweite zu ergründen
Zunächst musste die Reichweite des Verbots ausgelegt werden, da dies zwischen den Parteien unklar war. Hierzu entschied das Oberlandesgericht Frankfurt, dass die Auslegung zwar vom Entscheidungstenor auszugehen habe. Jedoch seien ergänzend auch die Entscheidungsgründe, die Antrags- oder Klagebegründung sowie der Parteivortrag heranzuziehen. Umstände außerhalb des Titels seien jedoch unberücksichtigt zu lassen.
Bewerbung des Produktes mit der Kennzeichnungsfreiheit
Das Gericht befand weiter, dass sich die Verbotsreichweite hinrichend deutlich aus dem Tenor in Verbindung mit dem Antrag ergebe. Es bestehe kein Zweifel daran, dass die einstweilige Verfügung jede Bewerbung des "neuen" X-Produktes als kennzeichnungsfrei erfasse. Denn aus der Antragsschrift ergebe sich mit unzweifelhafter Deutlichkeit, dass die Antragstellerin jedwede Form der Werbung mit der Kennzeichnungsfreiheit verbieten wolle. Schon allein die Tatsache, dass sich das gesamte Werbeschreiben nur mit der Frage der Kennzeichnungsfreiheit befasse und auch die Antragstellerin nur diese Thematik in der Antragsschrift anspreche, weise in diese Richtung. Denn es werde dargelegt, dass das Produkt X mit neuer Rezeptur sehr wohl kennzeichnungspflichtig nach der CLP-VO sei. Weiterhin werde dargelegt, dass der Antragstellerin aufgrund der Werbung mit der Angabe "kennzeichnungsfrei" ein Unterlassungsanspruch zustehe. Die Antragsgegnerin mache damit falsche Angaben über Gesundheitsgefahren des Produktes.
Auch auf Dritte ist einzuwirken, um Störungen zu beseitigen
Das Gericht entschied zudem, die Antragsgegnerin habe nicht versucht, durch Informationen an die Weiterverkäufer/Händler den geschaffenen Störungszustand zu beseitigen. Sie habe die Informationen lediglich auf ihre Website beschränkt. Die Antragsgegnerin war aber aufgrund der einstweiligen Verfügung grundsätzlich verpflichtet, die Werbeangabe "kennzeichnungsfrei" zu unterlassen. Zwar werde der Störungszustand bei einer dauerhaften Werbung durch die Entfernung derselben beseitigt. Dies habe die Antragsgegnerin auch unstreitig getan und somit den primären Störungszustand beseitigt. Allerdings war sie zusätzlich verpflichtet, im Rahmen des Möglichen auch auf Dritte einzuwirken. Daher seien insbesondere auch Endverkäufer über das ergangene Verbot zu informieren gewesen. Hierbei habe die Einwirkungspflicht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu erfolgen, wenn der Schuldner mit einem Verstoß ernstlich rechnen müsse. Es hätte daher die Verpflichtung bestanden, durch Rückruf des Produkts dafür sorgen, dass die bereits ausgelieferten Erzeugnisse nicht weiter vertrieben werden.
Informationspflicht gegenüber dem Kunden
Das Gericht erachtete die Antragsgegnerin als verpflichtet, den Markt darüber zu informieren, dass das Produkt nicht mehr mit "kennzeichnungsfrei" beworben werden dürfe. Zumindest sei ihr zumutbar gewesen, die ihr bekannten Händler über das Werbeverbot zu informieren. Vorliegend seien die irreführende Angabe auf einer Internetseite hinterlegt gewesen. Eine Fortwirkung der Rechtsverletzung sei in einem solchen Fall nur in der Weise vorstellbar, dass sich Kunden auch später noch an die rechtswidrigen Angaben erinnern. Nach Meinung des Gerichts könne in einem solchen Fall auf die Grundsätze des Beseitigungsanspruchs zurückgegriffen werden. Voraussetzung sei, dass sich die Äußerung im Gedächtnis eines Dritter derartig eingeprägt habe, dass sie geistig fortleben. Hierfür bedürfe es konkreter Anhaltspunkte; zudem sei die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Vorliegend habe es sich bei der Kennzeichnungsfreiheit und der damit verbundenen irreführenden Angabe um das zentrale Verkaufsargument gehandelt. Somit komme dieser Eigenschaft erhebliche Bedeutung für den Kunden zu. Es sei daher davon auszugehen, dass die Händler über einen längeren Zeitraum diese spezielle Bewerbung an die Kunden weitergegeben haben.
Nur geringes Verschulden erkennbar
Auch habe die Antragsgegnerin schuldhaft gehandelt, da sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht an den Tag legte, so das Gericht weiter. Daran ändere auch die unsichere Rechtslage hinsichtlich der Verbotsreichweite nichts. Denn Vermeidbarkeit sei immer gegeben, sobald die Bedenklichkeit der Handlung bei hinreichender Sorgfaltsanspannung erkennbar sei. Liege eine nicht vollständig geklärte Rechtslage vor, ist der (anwaltlich beratene) Schuldner gehalten, den sichersten Weg zu gehen. Allerdings sei vorliegend nur geringes Verschulden erkennbar. Denn verschuldensmindernd sei zu berücksichtigen, dass der Grad des Verschuldens aufgrund der rechtlichen Unsicherheit und der geänderten Rechtsprechung zum Umfang des Unterlassungsausspruchs an der unteren Fahrlässigkeitsgrenze anzusiedeln sei.
Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Beschluss vom 01.08.2018, Az. 6 W 53/17