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Grundpreisangabe bei Aminosäureprodukten in Kapselform

Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 20.01.2022, Az. 3 U 66/21


Grundpreisangabe bei Aminosäureprodukten in Kapselform

Das Oberlandesgericht Hamburg befand am 20.01.2022, dass es bei der Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses und der Vergleichbarkeit der angebotenen Produkte darauf ankomme, ob diese gleichartig und substituierbar seien. Zudem müsse bei Aminosäureprodukten in Kapselform der Grundpreis angegeben werden. Die Produkte fallen unter die Preisangabeverordnung (PAngVO), da sie nach Gewicht angeboten werden. Damit einher gehe die Notwendigkeit, den Grundpreis anzugeben.

Liegt überhaupt ein Wettbewerbsverhältnis vor?
Kläger war ein Apotheker, Beklagter ein Anbieter von Nahrungsergänzungsmittel für Kraftsportler. Beide boten Aminosäureprodukte in Kapselform an. Der Kläger mahnte die Gegenseite wegen Verstoßes gegen die Preisangabeverordnung ab. Denn der Beklagte wies auf seiner Webseite ausschließlich den Gesamtpreis seiner Aminosäureprodukte in Kapselform aus. Der Grundpreis wurde nicht genannt. Im Eilverfahren verbot die Vorinstanz dem Beklagten eine derartige Werbung. Dagegen legte der Beklagte Berufung ein. Er war der Ansicht, dass die Grundpreisangabe nach § 4 PAngVO bei Kapseln nicht erforderlich sei; schließlich werde in Stückzahlen verkauft. Außerdem seien die Aminosäureprodukte der Parteien miteinander nicht vergleichbar.

Keine absolute Deckungsgleichheit erforderlich
Das Oberlandesgericht Hamburg befasste sich zunächst mit der erforderlichen Vergleichbarkeit der angebotenen Produkte. Diese sei jedoch vorliegend nicht erforderlich. Zwar hätten die angebotenen Nahrungsergänzungsmittel jeweils eigenständige Kompositionen der Aminosäuren und damit unterschiedliche Aminosäureprofile. Somit seien die Produkte für unterschiedliche Bedürfnisse sowie Zwecke einsetzbar. Dies stehe der Vergleichbarkeit aber nicht entgegen. Eine absolute Deckungsgleichheit der Produkte oder ihre exakt übereinstimmende inhaltliche Zusammensetzung seien nicht erforderlich. Entscheidend sei vielmehr, ob sie nach der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers austauschbar sind. Davon sei vorliegend auszugehen.

Grundpreis bei Füllmenge erforderlich
Das Gericht entschied dann, dass die Kapseln nach Gewicht angeboten werden und somit unter die PAngVO fallen. Das folge aus der spezialgesetzlichen Pflicht zur Angabe der Füllmenge. Müsse die Füllmenge angegeben werde, gelte dies auch für den Grundpreis. Dies folge aus der Verpflichtung zur Angabe von Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche der Ware. Der Grundpreis in Form eines Preis-Mengen-Verhältnisses solle die Verbraucher durch Preisklarheit in die Lage versetzen, einen Preisvergleich anzustellen.

Keine Umgehung aufgrund Stückzahl möglich
Das OLG befand, die Umgehung einer bestehenden Kennzeichnungspflicht lasse die Verpflichtung zur Grundpreisangabe nicht entfallen. Werde die Ware nach Stückzahl angeboten, obwohl spezialgesetzlich die Füllmenge nach Gewicht anzugeben sei, könne dadurch die Pflicht zur Grundpreisangabe nicht vermieden werden.

Aminosäureprodukte sind Lebensmittel
Das angebotene Aminosäureprodukt sei ein Nahrungsergänzungsmittel und damit unstreitig ein Lebensmittel, so das Gericht weiter. Lebensmittel, die nicht flüssig sind, seien nach Gewicht zu kennzeichnen bzw. mit der Nettofüllmenge nach Gewicht anzugeben.

Darreichungsform als Kapsel spielt keine Rolle
Einen Ausnahmetatbestand für die Gewichtsangabe konnte das OLG nicht feststellen. Zwar sei die Angabe der Nettofüllmenge nicht verpflichtend bei Lebensmitteln, die nach Stückzahlen in den Verkehr gebracht werden und deren Stückzahl leicht zu zählen ist. Das sei bei „stückigen“ Produkten wie Obst und Gemüse, Eier, aber auch Backwaren der Fall. Alles Produkte, bei denen aus Sicht der Verbraucher das Stück die „natürliche“ Mengeneinheit bildet. Aminosäureprodukte werden dem Endverbraucher jedoch in verschiedenen Formen (Pulver, Tablette, Kapsel) angeboten. Auf die Darreichungsform des Lebensmittels komme es aber auch nicht an. Anknüpfungspunkt sei vielmehr das Lebensmittel an sich, nicht hingegen seine (vom Hersteller frei wählbare) Darreichungsform.

Revision zugelassen
Das Gericht ließ zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zu. Denn zur Grundpreisangabe bei Aminosäureprodukte in Kapselform existieren auch anderslautende gerichtliche Entscheidungen.

Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 20.01.2022, Az. 3 U 66/21


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