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Google darf nicht mittelbar auf gelöschte Inhalte verlinken

Oberlandesgericht München, Beschluss vom 07.06.2017, Az.: 18 W 826/17


Google darf nicht mittelbar auf gelöschte Inhalte verlinken

Das Oberlandesgericht München entschied mit Beschluss vom 07.06.2017, dass es Google zu unterlassen habe, bereits gelöschte Suchergebnisse per Verlinkung auf die Datenbank lumendatabase.org zugänglich zu machen. Damit verletze Google das Persönlichkeitsrecht des betroffenen Unternehmens, da Internetnutzer weiterhin mittelbar von den gelöschten Suchergebnissen Kenntnis erlangen können.

Auch mittelbare Verlinkung auf falsche Informationen rechtsverletzend?
Antragstellerin war die Anbieterin eines Immobilienfonds, gegen die vor einigen Jahren wegen Kapitalanlagebetrugs ermittelt wurde. In einem einstweilige Verfügungsverfahren vor dem Landgericht München erwirkte sie gegen den Suchmaschinenanbieter Google die Löschung von bestimmten Suchergebnissen. In denen wurde fälschlicherweise behauptet, gegen die Antragstellerin werde wegen Betruges ermittelt. Google löschte daraufhin die entsprechenden Links aus der Ergebnisliste. Jedoch verwies Google weiterhin per Link auf die Webseite lumendatabase.org; ein Projekt, welches Löschungsverfahren dokumentiert. Darüber waren weiterhin die falschen Informationen über das Ermittlungsverfahren abrufbar.

Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei deutlichem Bezug zum Inland
Das Oberlandesgericht München sah sich als international zuständig an. Denn deutsche Gerichte seien bei Klagen wegen Persönlichkeitsverletzungen im Internet international zuständig, wenn der rechtsverletzende Inhalt einen deutlichen Bezug zum Inland aufweise und eine Interessenkollision auch im Inland eintreten könne. Dies liege hier vor, da die Kenntnisnahme der beanstandeten Suchergebnisse und die dadurch verursachte Beeinträchtigung insbesondere in Deutschland eintrete.
deutsches Recht anwendbar bei maßgeblicher Verletzung in Deutschland
Nach Ansicht des Gerichts sei auch deutsches Recht anwendbar. Ansprüche aus unerlaubter Handlung unterlägen zwar grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt habe. Allerdings könne auf Verlangen des Verletzten das Recht des Staates angewandt werden, in dem der Erfolg eingetreten sei. Der maßgebliche Erfolgsort liege in Deutschland, da aufgrund des Firmensitzes eine Gefährdung des Ansehens der Antragstellerin hauptsächlich in Deutschland eintrete.

Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Antragsstellerin betroffen
Der Antragstellerin stünde als juristische Person auch das grundgesetzlich geschützte Unternehmenspersönlichkeitsrecht zu. Der geschützte Bereich sei betroffen, da sie zum Objekt einer herabwürdigenden Kritik gemacht werde. Die streitgegenständlichen Textauszüge (Snippets) enthielten jeweils Äußerungen dahingehend, dass die Antragsstellerin unter Betrugsverdacht stünde und daher die Staatsanwaltschaft gegen sie ermittele. Zudem werde die Antragstellerin namentlich benannt. Ein unvoreingenommener und verständiger Durchschnittsleser verstehe die Textpassagen daher so, dass die Antragstellerin ihre Anleger betrogen habe. Dadurch werde das unternehmerische Ansehen der Antragsstellerin in der Öffentlichkeit beeinträchtigt und ihr somit wirtschaftlicher Schaden zugefügt.

Tatsachen oder Meinungsäußerung
Da beim Durchschnittsleser die konkrete Vorstellung hervorgerufen werde, die Antragstellerin hätte ihre Anleger betrogen und geschädigt, handelte es sich nach Ansicht des Gerichts bei den beanstandeten Suchergebnissen um Tatsachenbehauptungen. Zwar würden Äußerungen, die rechtliche Fachbegriffe enthalten, grundsätzlich eher als Rechtsauffassung und damit als Meinungsäußerung eingestuft. Jedoch sei eine solche Äußerung dann als Tatsachenbehauptung zu qualifizieren, wenn die Beurteilung nicht als bloße Rechtsauffassung deutlich werde, sondern beim Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten Vorgängen hervorrufe, die mit den Mitteln des Beweises überprüfbar seien. Hierbei sei der Kontext entscheidend, in dem der Rechtsbegriff verwendet werde.

Reichweite des Persönlichkeitsrechts
Da das Unternehmenspersönlichkeitsrecht ein Rahmenrecht darstelle, müsse dessen Reichweite durch Abwägung der widerstreitenden grundrechtlichen Belange bestimmt werden. Ein Eingriff sei nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse der Antragstellerin die schutzwürdigen Belange der Antragsgegnerin überwiege. Bei Tatsachenbehauptungen hänge die Abwägung auch von deren Wahrheitsgehalt ab. So seien wahre Tatsachen in der Regel hinzunehmen, auch wenn sie sich nachteilig für den Betroffenen auswirkten. Bewusst unwahre Tatsachen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung feststehen, müssten hingegen nicht hingenommen werden. Sie seien nicht vom Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit umfasst.

Ermittlung wegen Betruges als unwahre Tatsache?
Nach Ansicht des Gerichts beinhalteten die Suchergebnisse und Textausschnitte unwahre Tatsachen. Denn nachweislich wurde gegen die Antragstellerin nie wegen Betruges sondern wegen Kapitalanlagebetruges ermittelt. Für die Beurteilung, ob eine wahre oder unwahre Tatsache vorliege, komme es darauf an, inwieweit sich die Strafnormen voneinander unterscheiden. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts bestehen zwischen den beiden Delikten erhebliche Unterschiede. Denn beim Kapitalanlagebetrug seien weder eine Täuschung, noch eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung oder ein Schadenseintritt - wie dies beim Betrug notwendig wäre - erforderlich. Vielmehr sei Tathandlung, Informationen in Werbemitteln zu verbreiten, die aufgrund des unrichtigen Inhalts geeignet sind, bei potentiellen Anlegern Fehlvorstellungen über die mit den Anlageobjekten verbundenen Risiken hervorzurufen. Die Tat sei bereits mit der Zugänglichmachung der Werbemittel gegenüber einem größeren Personenkreis verwirklicht und auch beendet.

Haftung als mittelbare Störerin
Google habe als mittelbare Störerin zu haften, entschied das Gericht. Denn der Suchmaschinenbetreiber habe nach den Hinweisen durch die Antragstellerin nicht die notwendigen Schritte unternommen, um weitere Rechtsverletzungen zu verhindern. Vielmehr war Google bewusst, dass die Verlinkung auf die beanstandeten Suchergebnisse durch das einstweilige Verfügungsgericht untersagt worden war. Der Umstand, dass Google keinen direkten Link setzte sondern der Internetnutzer die Suchergebnisse selbst aufrufen musste, ließe die Haftung nicht entfallen. Denn Schwerpunkt der Tätigkeit von Google sei die Suchfunktion. Indem das Unternehmen Webseiten auf die entsprechenden Schlüsselwörter durchsuche und die Ergebnisse anzeige, mache es die Internetseiten erst sichtbar und  ermögliche es seinen Nutzern, die untersagten Informationen aufzurufen.

Haftungsprivileg nach § 10 TMG nicht auf Unterlassungsansprüche anwendbar
Das Haftungsprivileg nach § 10 TMG stünde der Entscheidung nicht entgegen. Zwar sei die Antragsgegnerin nicht wegen eigener Inhalte, sondern wegen des Zugänglichmachens und Präsentierens von Fremdinhalten in Anspruch genommen worden, für die sie als Diensteanbieter nur eingeschränkt hafte. Allerdings sei das Haftungsprivileg auf Unterlassungsansprüche nicht anwendbar.

Oberlandesgericht München, Beschluss vom 07.06.2017, Az.: 18 W 826/17

von Jana Krzewsky


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