Gesetzliche Änderungen im Zuge der „Omnibus“-Richtlinie zum 28.05.2022
Am 28.05.2022 tritt die sog. „Omnibus“-Richtlinie (EU 2019/2161) in Kraft. Die Richtlinie wurde zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften in der Europäischen Union erlassen und wurde von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht überführt.
Die wichtigsten Änderungen im Überblick:
I. Preisangabe
1. Preisermäßigungen § 11 PAngV-Neu
Wirbt ein Händler gegenüber Verbrauchern mit Preisermäßigungen, beispielsweise durch einen sog. Streichpreis, muss sich der Händler beim Vergleich zukünftig zwischen alten - gestrichener - und neuem Preis auf den niedrigsten Gesamtpreis der vergangenen 30 Tage vor der aktuellen Rabatt-Aktion beziehen. Dies bedeutet, dass der gestrichene Preis der niedrigste von dem Händler angebotene Gesamtpreis der vergangenen 30 Tage sein muss.
Ausgenommen hiervon sind gemäß § 11 Abs. 2 PAngV-Neu:
• individuellen Preisermäßigungen
• Preisermäßigungen für schnell verderblichen Waren oder Waren mit kurzer Haltbarkeit, wenn der geforderte Preis wegen einer drohenden Gefahr des Verderbs oder eines drohenden Ablaufs der Haltbarkeit herabgesetzt wird und dies für den Verbraucher kenntlich gemacht wird.
Nicht erfasst werden hiervon Preisvergleiche mit Drittpreisen, wie z.B. einem UVP.
2. Grundpreise § 5 PAngV-Neu
Nach bisheriger Regelung war es möglich den Grundpreis unter bestimmten Voraussetzungen auf die „kleinere“ Einheit von 100g, 100ml, 100cm, etc… zu beziehen.
Ab dem 28.05.2022 entfällt diese Option für einen Großteil der grundpreispflichtigen Waren. Der Grundpreis muss dann zwingend auf die Einheit 1kg, 1l, 1m, etc… bezogen werden. Die bisherige Option der „kleineren“ Einheit gilt gem. § 5 Abs. 2 PAngV-Neu nur noch bei nach Gewicht oder Volumen angebotener loser Ware.
Bezüglich dem Ausnahmen, bei den ein Grundpreis generell anzugeben ist, bleibt es bei den bisherigen Regelungen. Besonderheiten ergeben sich bei Waren die üblicherweise in Mengen von mehr als 100 l, mehr als 50 kg und mehr als 100 m angeboten werden. Hier ist der Grundpreis auf die Mengeneinheit zu beziehen, die der allgemeinen Verkehrsauffassung entspricht.
3. Pfand
Wird ein Pfand erhoben, ist die Höhe des Pfandbetrags neben dem Gesamtpreis darzustellen und kann nicht in den Gesamtpreis einbezogen werden. Dies war bisher umstritten, mit den neuen Regelungen ist diese Diskussion zukünftig hinfällig.
4. personalisierte Preise Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB-Neu
Wenn dem Verbraucher Preise angezeigt werden, die sich algorithmisch aus seinem Verhalten – wie zum Beispiel der Kauffrequenz – ergeben haben, muss er darüber informiert werden.
II. Widerrufsrecht
1. Grundlegend
Die bisher gesetzlich geforderte Angabe einer gegebenenfalls vorhandenen Faxnummer in der Widerrufsbelehrung und dem Musterwiderrufsformular entfällt. Die Moderne ist nunmehr auch in der Gesetzgebung angekommen. Die wenigsten Verbraucher werden aktuell -und zukünftig noch weniger- über ein Faxgerät verfügen. Aufgrund dieser Änderung wurden auch die gesetzlichen Muster des Widerrufbelehrung und des Widerrufsformulars geändert.
Das Beibehalten der Faxnummer wird wettbewerbsrechtlich weniger angreifbar sein, da der Widerruf per Telefax zulässig bleibt, jedoch wird durch die Angabe der Faxnummer vom gesetzlichen Muster abgewichen. Bei einer Abweichung besteht grundsätzlich die Gefahr, dass der gesetzliche Schutz verloren geht. Wenn das Muster unverändert verwendet wird, gilt die erteilte Widerrufsinformation als gesetzeskonform, d. h. die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerrufsrecht gelten als erfüllt. Und zwar auch dann, wenn das vom Gesetzgeber bereitgestellte Muster Fehler enthält. Weicht der Händler hiervon ab, kann dies dazu führen, dass dieser Schutz entfällt.
2. Widerrufsrecht für Dienstleistungen und bei digitalen Inhalten
a. Dienstleistungen
Bisher galt, dass das Widerrufsrecht bei Dienstleistungen erlischt, wenn der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat und mit der Ausführung der Dienstleistung erst begonnen hat, nachdem der Verbraucher dazu seine ausdrückliche Zustimmung gegeben hat und gleichzeitig seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert.
Diese generelle Geltung wurde nunmehr aufgespalten. Es wird zukünftig unterschieden, ob ein Dienstleistungsvertrag geschlossen wurde, der die Zahlung eines Preises für den Verbraucher mit sich bringt oder nicht. Letzteres wäre beispielsweise bei einem kostenlosen Social-Media Account anzunehmen. Im Falle einer Zahlungspflicht des Verbrauchers, bleibt es bei der bisherigen Regelung. Wird durch den Vertrag kein Preis fällig, so erlischt das Widerrufsrecht bei dem vollständigem Erbringen der Dienstleistung, ohne der Voraussetzungen in Bezug auf die ausdrückliche Zustimmung etc… .
b. Digitale Inhalte
Auch in Bezug auf nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitale Inhalte ( z.B. per Download) unterscheidet das Gesetz zukünftig nach einer bestehenden oder nichtbestehenden Zahlungsverpflichtung des Verbrauchers.
Bei einer nicht bestehenden Zahlungspflicht erlischt das Widerrufsrecht mit dem Beginn der Vertragsausführung. Bei einer Zahlungspflicht des Verbrauchers gilt zunächst das bisher bekannte. Es wird zunächst die ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers zur Vertragsausführung benötigt sowie eine Bestätigung des Verbrauchers, dass er hierdurch sein Widerrufsrecht verliert. Neu ist künftig, dass der Unternehmer dem Verbraucher eine Bestätigung über die Zustimmung in Bezug auf die Vertragsausführung und den Verlust des Widerrufsrechtes auf einem dauerhaften Datenträger nach § 312f BGB zur Verfügung stellen muss.
Diese Neuerungen führen nicht zu einer Anpassungsnotwendigkeit der Widerrufsbelehrung. Das Erlöschen des Widerrufsrechtes in den vorgenannten Bereichen wurde zumeist im Bestellablauf durch OPT-IN Felder gelöst. Diese müssten ggf. für den Bereich der kostenlosen Angebote überarbeitet werden. Bei den digitalen Inhalten, müsste die entsprechende neu geforderte Bestätigung erfolgen.
III. Sonstiges
1. Marktplatzbetreiber
Für Betreiber von Online-Marktplätzen werden die Anforderungen an die Informationspflichten gegenüber den Verbrauchern erhöht. Der Betreiber hat ab dem 28.05.2022 die Informationspflichten nach Art. 246d § 1 EGBGB-Neu zu erfüllen.
Zu den erteilenden Information gehören beispielsweise:
• die Art und Gewichtung des angezeigten Rankings der Waren.
• die Einstufung des Waren- oder Dienstleistungsanbieters auf dem Marktplatz als Unternehmer (§ 14 BGB) oder Verbraucher (§ 13 BGB).
2. Angabe anderer Online-Kommunikationsmittel
Durch Art. 246 a § 1 Nr. 3 EGBGB-Neu ist zukünftig die Angabe der zur Verfügung gestellte Online-Kommunikationsmittel durch den Händler gefordert. Aber nur für solche Kommunikationsmittel bei denen der Verbraucher seine darüber mit dem Unternehmer geführte Korrespondenz, einschließlich deren Datums und deren Uhrzeit, auf einem dauerhaften Datenträger speichern kann.
Welche Kommunikationsmittel als solche einzustufen sind, ist aktuell noch nicht abschließend zu beantworten. Eine Pflicht, solche Kommunikationsmittel einzurichten, besteht jedoch dadurch nicht.
3. Bewertungen
Produktbewertungen sind in der Vergangenheit häufiger Gegenstand wettbewerbsrechtlicher Auseinandersetzungen gewesen, insbesondere in Bezug auf „gekaufte“ Bewertungen. Der Gesetzgeber hat auf diese Problematik nunmehr mit einer Regelung im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) reagiert. Der neu eingeführt § 5 b Abs. 3 UWG legt nunmehr fest, dass die Art – ob und wie - der Sicherstellung, dass die veröffentlichten Bewertungen von solchen Verbrauchern stammen, die die Waren oder Dienstleistungen tatsächlich genutzt oder erworben haben, eine wesentliche Informationspflicht des Unternehmers ist, der solche Bewertungen zugänglich macht.
Dies bedeutet kurzum, dass der Unternehmer in Zukunft öffentlich machen muss, ob und wie er verifiziert, dass die von ihm zugänglich gemachten Bewertungen tatsächlich von Kunden stammen, die die Waren oder Dienstleistungen tatsächlich genutzt oder erworben haben. Eine Verpflichtung zur verifizieren besteht hierdurch allerdings nicht. Es muss aber im Falle einer ausbleibenden Verifizierung darauf hingewiesen werden.
Zudem wird in dem neuen Nr. 23b zu § 3 Abs. 3 UWG bestimmt, dass es stets unzulässig und wettbewerbswidrig ist, tatsächliche Bewertungen von Kunden zu behaupten, bei denen nicht angemessene und verhältnismäßige Schritte unternommen wurden, um zu prüfen, ob die Bewertung tatsächlich von Verbrauchern stammen, welche Produkte und Dienstleistungen tatsächlich erworben oder bezogen haben.
Demnach muss bei Veröffentlichung von Bewertungen eine Information über die das „ob“ und das „wie“ der Verifizierung transparent mitgeteilt werden. Dies gilt nach unserer Auffassung auch für die schon bestehenden Bewertungen und nur für die vom Unternehmer selbst zugänglich gemachten Bewertungen. Bei der Zugänglichmachung durch Dritte, beispielsweise Bewertungen auf der Handelsplattform eBay, unterfällt der Dritte dieser Regelung.
IV. Rechtsfolgen
Neben dem Instrument der wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen, können nunmehr Verstöße gegen die Informationspflichten aus dem EGBGB zukünftig durch das Bundesamt der Justiz mit Bußgelder von bis zu 50.000,- Euro geahndet werden. Bei Verstößen die sich in mehreren EU-Staaten auswirken, kann ein Bußgeld von bis zu 4% des Jahresumsatzes des Online-Händlers verhängt werden (wenn der Jahresumsatz im vorausgegangen Geschäftsjahr mehr als 1,25 Millionen Euro betragen hat).
Bei einem vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoß gegen bestimmte Regelungen des UWG – hauptsächlich § 3 und § 7 UWG – und unter bestimmten weiteren Voraussetzungen, stehen den Verbraucher zukünftig auch Schadensersatzansprüche gegen den Unternehmer zu. Des Weiteren kann auch bei einer Verletzung von bestimmten Verbraucherinteressen ein empfindliches Bußgeld erlassen werden.