Gerichtliche Verbotsbefugnis auf Beanstandungen des Klägers beschränkt
Auch wenn sich der Unterlassungsantrag gegen die konkrete Verletzungsform richtet, darf das Gericht ein Verbot nur auf Beanstandungen stützen, die der Antragsteller im Verfahren vorgebracht hat. Mit dieser Begründung hat das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt a. M. aufgehoben (OLG Frankfurt a. M, Urteil vom 29.09.2016, Az. 6 U 110/16). Dass sich der Verfügungskläger die landgerichtliche Argumentation im Berufungsverfahren zu eigen machte, hat ihm nicht geholfen. Die Frankfurter Richter sind überzeugt, dass ihm der fragliche Gesichtspunkt nicht dringlich war. Andernfalls hätte er sich bereits im Verfügungsantrag darauf berufen.
Sachverhalt
Der Verfügungsbeklagte bot auf eBay Lizenzschlüssel für Microsoft-Produkte an. Angaben, woher die Schlüssel stammten, machte er im Angebotstext nicht. Dafür illustrierte er die Auktionen mit einem Datenträger in Originalverpackung.
Der Verfügungskläger nahm an, es handle sich um Gebrauchtsoftware. Ihm schien das Angebot irreführend, da es weder eine Aussage über den Verbleib des Originaldatenträgers enthielt noch auf die mit dem Kauf des Lizenzschlüssels verbundenen Gefahren hinwies. Nach Ansicht des Klägers riskierte der Erwerber die Sperrung seines Lizenz-Keys durch Microsoft, da er nicht nachweisen könne, dass der Originaldatenträger vernichtet worden sei. Gestützt auf einen Testkauf strengte er deshalb vor dem Landgericht Frankfurt a. M. ein Rechtsschutzverfahren an. Er beantragte, dem Beklagten zu untersagen, reine Produktschlüssel in seinen Angeboten als "Lizenzen für Microsoft-Programme" beziehungsweise als "Microsoft- und/oder Windows-Produkte" zu bezeichnen. Der Kläger bezog seinen Unterlassungsantrag auf die konkrete Verletzungsform des streitgegenständlichen Produktangebots.
Das Landgericht gab dem klägerischen Verfügungsantrag statt. Auf Widerspruch des Beklagten bestätigte es den Beschluss. Ausschlaggebend war allerdings nicht die klägerische Beanstandung, die Beklagte habe potenzielle Käufer irregeführt, indem sie nicht auf die Risiken eines Lizenzschlüssel-Kaufs hingewiesen habe. Vielmehr begründete das Landgericht sein Verbot damit, der Beklagte habe Erwerber getäuscht durch die Abbildung eines Datenträgers, der nicht Bestandteil des Kaufangebots gewesen sei.
Gegen diese Entscheidung erhob der Beklagte Berufung. Der Kläger übernahm in seiner Berufungserwiderung die Begründung des Landgerichts.
Aus den Gründen
Das Oberlandesgericht ist der Auffassung, dass das Landgericht aufgrund des zivilprozessualen Dispositionsprinzips bloß auf Beanstandungen hätte abstellen dürfen, die vom Kläger im Verfügungsverfahren vorgebracht wurden. Dies gelte auch, wenn die landgerichtliche Begründung nach dem weiten Streitgegenstandsbegriff des Bundesgerichtshofs zum selben Streitgegenstand zähle wie die klägerische Beanstandung. Keine Rolle spiele, dass der Kläger die Argumentation des Landgerichts in seiner Berufungserwiderung übernommen habe. Dass er die Beanstandung nicht schon in seinem Verfügungsantrag vorgebracht habe, zeige, dass ihm ein Unterlassungsgebot aufgrund des abgebildeten Datenträgers nicht als dringlich erschienen sei. Somit habe es dem Landgericht an einem Verfügungsgrund gefehlt.
Die vom Kläger ursprünglich vorgebrachte Beanstandung vermag die Frankfurter Richter ebenso wenig zu überzeugen. Der Kläger ging davon aus, dass der Produkt-Key zu einer bereits existierenden Programmkopie gehört. Bei gebrauchter Software ist die Weitergabe des Lizenzschlüssels nur zulässig, wenn der Verkäufer die ursprüngliche Kopie des Programms vernichtet hat und den Erwerber über die Rechte zur bestimmungsgemäßen Nutzung aufklärt. Der Senat bezweifelt jedoch, dass es sich beim streitgegenständlichen Angebot um Gebrauchtsoftware handelte.
Im Verfahren machte der Beklagte nämlich geltend, der Produktschlüssel, den der Kläger im Testkauf erworben habe, gehöre zu einem "Windows 7 Professional ESD". Microsoft biete diese Windows-Version als elektronischen Software-Download an. Der Beklagte gab an, den Key von einem Microsoft-Partner bezogen zu haben. Außerdem konnte er eine Überprüfung des Schlüssels durch Microsoft vorlegen, die keine Lizenzprobleme zutage gefördert hatte.
Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. erachtet es daher als wahrscheinlich, dass der fragliche Lizenzschlüssel der Herstellung einer neuen Software-Kopie diente. Anders als bei Gebrauchtsoftware bestehe bei neuer Software indes keine Gefahr, dass der Erwerber des Produkt-Keys das zugehörige Programm nicht nutzen dürfe. Es sei mithin keine Irreführungsgefahr zu erkennen, die der Beklagte durch einen aufklärenden Hinweis hätte beseitigen müssen.
OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 29.09.2016, Az. 6 U 110/16