Erledigung des anwaltlichen Auftrags bei Ruhen des Verfahrens?
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat mit seinem Beschluss vom 08.12.2014 unter dem Az. 15 M 14.2529 entschieden, wann ein Auftrag eines Mandanten im Sinne des § 15 RVG als erledigt anzusehen ist. Fehlt es an der Erledigung in diesem Sinne, kann der Rechtsanwalt keine erneuten Gebühren berechnen, wenn ein Gerichtsverfahren weitergeführt wird, das über zwei Kalenderjahre geruht hatte bzw. durch das Gericht für (statistisch) erledigt erklärt wurde.
Mit diesem Beschluss hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wohl erstmals zur umstrittenen Frage geäußert, unter welchen Kriterien ein anwaltlicher Auftrag als erledigt gelten kann.
In § 15 RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) ist festgelegt, dass ein Anwalt erneut Gebühren für die Fortsetzung seiner Tätigkeit in der gleichen Sache verlangen kann, wenn nach mehr als zwei Jahren ein Verfahren in der gleichen Angelegenheit weiter betrieben wird und er auch weiterhin damit betraut wird.
Diese Regelung des § 15 RVG bedeutet eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Anwaltskosten in derselben Sache nur einmal berechnet werden können.
Umstritten war bisher die Vorgehensweise in der häufig vorkommenden Konstellation, dass ein Verfahren über zwei Jahre ruht (§ 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 251 ZPO) oder nur faktisch bzw. statistisch unterbrochen ist, danach dann aber wieder aufgenommen wird.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit seiner Entscheidung nunmehr klargestellt, dass das Ruhen des Verfahrens durch eine gerichtliche Anordnung und auch die rein statistische Erledigung das gerichtliche Verfahren nur (für eine kurze Zeit) unterbrechen, jedoch nicht die in Auftrag gegebene Arbeit des Rechtsanwaltes erledigen.
Denn eine "Erledigung des Auftrags" wie es im Sinne von § 15 Absatz 5 Satz 2 RVG wäre, trete erst dann ein, so das Gericht, wenn der Rechtsanwalt seine Pflichten aus dem Rechtsdienstleistungsvertrag komplett erfüllt habe. Hierzu zitierte das Gericht auch einen Beschluss des BGH vom 11.08.10 unter dem Az. XII ZB 60/08. Bei einer Anordnung des Ruhens oder einer statistischen Erledigung sei das im Gegensatz zu einem Prozessvergleich nämlich nicht der Fall. Vielmehr müsse der Anwalt jederzeit damit rechnen, dass das Verfahren weitergeführt wird. Das gelte auch dann, wenn mehr als zwei Jahre seit der Unterbrechung vergangen seien. Es sei dann kein neuer Auftrag des Mandanten nötig, der Anwalt bleibe auch weiterhin in diesem Fall beauftragt.
Damit distanzierte sich der BayVGH ausdrücklich von der Gegenansicht, die mit dem Fälligkeitstatbestand aus § 8 Absatz 1 Satz 2 Alt. 3 RVG argumentiert. Diese Bestimmung regelt den Sachverhalt, wenn das Verfahren für mehr als drei Monate ruht. In so einem Fall sei nach dieser Auffassung mit "Erledigung" im Sinne von § 15 Absatz 5 Satz 2 RVG nicht die endgültige Beendigung der Sache gemeint, sondern entscheidend sei die Fälligkeit der Gebühren nach § 8 RVG. Das sei z.B. eine Sicht des OLG Brandenburg und einiger Kommentarautoren.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 08.12.2014, Az. 15 M 14.2529