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Einsatz des Postident-Spezial-Verfahrens

LG Düsseldorf, Urteil vom 22.01.2016, Az. 38 O 52/15


Einsatz des Postident-Spezial-Verfahrens

Das Landgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 22. Januar 2016 entschieden, dass der Einsatz des Postident-Spezial-Verfahrens gegenüber Verbrauchern nur dann zulässig ist, wenn diese vorab über die rechtlichen Konsequenzen ausreichend belehrt wurden. Mit diesem Verfahren kann der Empfänger durch Unterschrift im Beisein des Postboten einen Vertrag rechtswirksam abschließen oder kündigen. Ohne ausreichende Belehrung erkennen juristische Laien die rechtsgeschäftliche Bedeutung nicht. Sie sind der Auffassung, dass sie lediglich den Empfang einer Sendung quittieren. Zwar wurden im verhandelten Fall die Verbraucher vorab telefonisch auf den Eingang des Schriftstücks mit dem Kündigungsschreiben gegenüber ihrer bisherigen Krankenkasse hingewiesen. Die Intention war, sie zu einem Wechsel zu einer anderen Kasse zu veranlassen. Die Verbraucher konnten aber die Konsequenz der Unterschrift beim Postident-Spezial-Verfahren nicht ausreichend erkennen, dazu fehlte die ausführliche Belehrung. Auch waren sie im Rahmen eines Gewinnspiels geworben worden. Beides im Kontext sei unzulässig, urteilte das Landgericht Düsseldorf.

Urteil der Landgerichts Düsseldorf im vorliegenden Fall
Das Landgericht Düsseldorf verurteilte das beklagte Unternehmen - im Folgenden die Beklagte - zur Unterlassung bei Androhung von Ordnungsmitteln. Untersagt wurde, Verbraucher ohne deren ausdrückliche vorherige Einwilligung anzurufen, um sie zum Wechsel ihrer Krankenkasse zu veranlassen und ihnen per Postident-Spezial-Verfahren vorgefertigte Kündigungsschreiben gegenüber ihrer bisherigen Krankenkasse zuzustellen. Das ist laut Urteil mit der (als Gesprächsmitschnitt) vorliegenden, juristisch unzureichenden telefonischen Ankündigung nicht zulässig.

Geklagt hatte ein Verband, der Wettbewerbsverstöße überprüft (§ 8 Absatz 3 Nr 2 UWG). Die Beklagte vermittelt unter anderen Krankenversicherungspolicen. Zu diesem Zweck lässt sie Verbraucher durch ein Callcenter anrufen, wirbt für den Wechsel der Krankenkasse und schickt anschließend das Kündigungsschreiben an die bisherige Krankenkasse mit dem Postident-Spezial-Verfahren zu, das die rechtswirksame Kündigung per Unterschrift im Beisein des überbringenden Postbediensteten ermöglicht. Die Klage zielte darauf, dass

- die Verbraucher der telefonischen Werbung nicht ausdrücklich zugestimmt hätten und
- die Funktionen des angewendeten Postident-Spezial-Verfahrens mangels genügender Aufklärung nicht kannten.

Die Beklagte verwies darauf, dass die angerufenen Verbraucher im Rahmen einer Gewinnspiel-/Fragebogenaktion zu Krankenkassen online per Klick um "Mehr Infos bitte" gebeten hätten. Daraufhin seien sie angerufen und in diesem Zuge auch über das Postident-Spezial-Verfahren zwecks Kündigung ihrer bestehenden KV-Police hingewiesen worden. Der klagende Verband bestreitet die ausreichende Belehrung der Verbraucher und die korrekte Einwilligung zu einem Werbeanruf nach § 138 Absatz 1 ZPO. Zweifelhaft sei diese Einwilligung, weil sie im Rahmen eines Online-Gewinnspiels erteilt wurde, das keinen erkennbaren Bezug zur Krankenversicherung aufwies. Es ist zwar möglich, die Einwilligung zu einem telefonischen Werbeanruf online einzuholen. Diese Einwilligungserklärung wird aber regelmäßig eng ausgelegt: Sie muss sich sehr konkret auf das anzubahnende Geschäft beziehen. Im hier vorliegenden Fall ging es im Gewinnspiel aber nur sehr allgemein um Krankenversicherungen, auch sei nicht erkennbar gewesen, dass "Mehr Infos bitte" die Aufforderung zu einem Werbeanruf darstelle. Die Verbraucher seien vielmehr mit der kostenlosen Teilnahme an einem Gewinnspiel gelockt worden. Noch schwerer wiege das eingesetzte Postident-Spezial-Verfahren, zu dem die Verbraucher in Wahrheit nicht juristisch ausreichend belehrt worden seien. Dies falle unter "irreführende geschäftliche Handlung", weil der durchschnittliche Verbraucher mit diesem Verfahren nicht vertraut ist. Dass er nicht nur den Empfang einer Sendung quittiert, sondern ein Rechtsgeschäft abschließt, müsse ihm ausdrücklich erklärt werden. Das durch den Postbediensteten vorgelegte Formular mit dem Hinweis auf die rechtsgeschäftliche Bedeutung genüge nicht, weil allein die Umstände der Übergabe (an der Haustür oder am Postschalter) dem Verbraucher zu wenig Zeit lassen. Die Beklagte konnte eine vorherige Belehrung der Verbraucher nicht hinreichend nachweisen. Daher folgte das Gericht dem Antrag des klagenden Verbandes.

LG Düsseldorf, Urteil vom 22.01.2016, Az. 38 O 52/15


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