• Anwaltskanzlei Weiß & Partner

    Katharinenstraße 16
    73728 Esslingen

    0711 - 88 241 006
    0711 - 88 241 009
    Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

DSGVO kann Marktverhaltensregel im Sinne des UWG darstellen


DSGVO kann Marktverhaltensregel im Sinne des UWG darstellen

Das Oberlandesgericht Naumburg hat mit Urteil vom 09.11.2019 entschieden, dass der Verkauf von rezeptfreien, apothekenpflichtigen Medikamenten über die Online-Plattform Amazon derzeit gegen die DSGVO verstößt. Es sei bei dem Anmelde bzw. Kaufprozess über die genannte Plattform nicht sichergestellt, dass der Kunde vorab seine Einwilligung mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner Gesundheitsdaten (besonders Daten im Sinne des Art. 9 DSGVO) gegenüber dem Beklagten erteilt hat. Dieser Verstoß begründet eine Wettbewerbsverletzung.

Um Gesundheitsdaten handelte es sich im vorliegenden Fall, da es Daten in Zusammenhang mit einem Medikament betraf, deren Speicherung grundsätzlich mit der ausdrücklichen Zustimmung des betroffenen erlaubt ist (Art. 9 Abs. 2 a) i.V.m. Abs. 1 DSGVO). Das Gericht stellte klar, dass die alleinige Zustimmung der AGB von Amazon dafür nicht ausreichend ist, da es einer expliziten, ausdrücklichen Zustimmung des Kunden bedarf, und stützte sich dabei auf den Wortlaut des § 15 der Berufsordnung der Apothekenkammer Sachsen-Anhalt:

"Die Speicherung und Nutzung patientenbezogener Daten bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Betroffenen, sofern sie nicht nach dem Bundesdatenschutzgesetz und anderen Ermächtigungsgrundlagen zulässig sind oder von gesetzlichen Bestimmungen gefordert werden."

Meinungsverschiedenheiten in Literatur und Rechtsprechung
Die Meinungen bezüglich der wettbewerbsrechtlichen Verfolgung von Verstößen gegen Datenschutzbestimmungen waren nach Inkrafttreten der DSGVO im Mai 2018 sehr geteilt, da man sich nicht einig war, ob diese Marktverhaltensregeln darstellen. Während dies in der Literatur überwiegend abgelehnt wird, hat sich das OLG Naumburg in zwei Verfahren zu diesem Thema positioniert und entschieden, dass es für die Frage der Abmahnbarkeit eines Verstoßes immer entscheidend darauf ankommt, ob die konkret verletzte Vorschrift als Marktverhaltensregelung anzusehen ist.

Wann liegt eine Marktverhaltensregel vor?
Eine Norm regele nach Ansicht des Gerichts dann das Marktverhalten im Interesse seiner Mitbewerber, Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer, wenn sie einen Wettbewerbsbezug in der Form aufweist, dass sie die wettbewerblichen Belange der in Betracht kommenden Personen (Anbieter, Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen) schützt.  Sie muss also zunächst dem Schutze von Rechten, Rechtsgütern oder sonstigen Interessen von Marktteilnehmern zu dienen bestimmt sein. Weitere Voraussetzung zur Annahme einer Marktverhaltensregel ist, dass das geschützte Interesse gerade durch die Marktteilnahme, also den Abschluss von Austauschverträgen und den nachfolgenden Gebrauch oder Verbrauch der erworbenen Ware oder der in Anspruch genommenen Dienstleistung berührt werde.

Die Vorschrift müsse zudem den Schutz der wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer zumindest mitbezwecken. Eine spezifisch wettbewerbsbezogene Schutzfunktion, dass die Regelung den Marktteilnehmer speziell vor dem Risiko einer unlauteren Beeinflussung ihres Marktverhaltens schützt, sei damit nicht erforderlich.

Amazon: Datenauswertung zielt auf den Markt ab
Im vorliegenden Fall nutzte der Beklagte die Popularität der Plattform Amazon Marketplace bewusst aus, um Kunden zu gewinnen, indem er die von ihm vertriebenen Medikamente und Medizinprodukte dort anbietet. Da Amazon selbst die Daten (wenn auch anonym) auswertet, um gegenüber Kunden, die Produkt A kaufen, auch Produkt B anzupreisen, setzt der Beklagte die Plattform als Werbeträger ein. Die Datenauswertung zielt auf den Markt ab und berührt die wettbewerblichen Interessen der anderen Marktteilnehmer, denn durch die Auswertung der Absatzdaten wird ein gezieltes Ansprechen der Kunden ermöglicht.

Anknüpfung an die Rechtsprechung des OLG Hamburg
Das OLG Hamburg ist auch nach dem Inkrafttreten der DSGVO der Annahme, dass die jeweilige Norm konkret darauf überprüft werden müsse, ob sie eine Regelung des Marktverhaltens innehat (Urt. v. 25.10.2018, Az. 3 U 66/17). Dieser Überzeugung schloss sich das OLG Naumburg an. Die Richter machten deutlich, dass Datenschutzregeln hauptsächlich auf das informelle Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen abzielen. Die DSGVO verfolge gleichwohl auch andere Ziele. Vor deren Inkrafttreten sei außerdem in der Rechtsprechung bereits anerkannt gewesen, dass die Nutzung von Daten zu Werbezwecken nach § 28 Abs. 3 BDSG a.F. als Marktverhaltensregel anzusehen ist. Nach Auffassung des Senats sind die Regelungen der DSGVO in der vorliegenden Fallkonstellation als Marktverhaltensregel im Sinne des § 3a UWG aufzufassen und damit wettbewerbsrechtlich abmahnbar.

Urteil des OLG Naumburg vom 09.11.2019 – Az.: 9 U 6/19


Ihr Ansprechpartner

Bitte Kommentar schreiben

Sie kommentieren als Gast.

E-Mail: kanzlei@ratgeberrecht.eu, Telefon: 004971188241006
Katharinenstraße 16, 73728, Esslingen, Baden-Württemberg, Deutschland