Bewerbung eines Nektars als Saft ist irreführend
Mit Urteil vom 25.09.2019, Az. 2 U 22/18 entschied das OLG Rostock, dass es sich um eine irreführende Werbung handele, wenn ein Fruchtnektar als Fruchtsaft beworben werde. Denn ein Nektar sei ein Mischgetränk, das neben einem Furchtsaftanteil auch einen hohen Wasserzusatz enthalte. Damit handele es sich bei der Bewerbung als „Saft“ um eine unwahre Angabe über die Beschaffenheit des Getränks.
Werbeprospekt mit Angeboten für einen Hotel-Gutschein und einen Likör
Die Beklagte bewarb in einer Ausgabe ihres periodisch erscheinenden Prospekts einerseits den Kokoslikör „Batida de Cóco“ zum Preis von 7,99 € mit dem grafisch von der Überschrift abgesetzten Zusatz „inkl. 1 Liter Maracujasaft“. Tatsächlich war jedoch kein Maracujasaft, sondern ein Maracujanektar der Sorte „RAUCH happy day“ inklusive. Die Beklagte bewarb in demselben Prospekt zudem ein „…-Arrangement im … Resort-Hotel & … Erlebnisbad“ zum Preis von 159,00 € pro Person. Im Zusammenhang mit diesem Angebot wurde der Begriff „Gutschein“ verwendet und auf die Geltung der AGB vom Resort-Hotel und Erlebnisbad verwiesen.
Abmahnung wegen zwei irreführenden Werbungen
Der Kläger war der Meinung, beide Werbungen seien wettbewerbswidrig. Der Begriff „Saft“ entspreche nicht der tatsächlichen Beschaffenheit des Getränks. Die Werbung für den Likör sei daher irreführend und somit wettbewerbswidrig. Auch die Werbung für den Gutschein für das Resort-Hotel & Erlebnisbad sei wettbewerbswidrig, weil die Angabe fehle, wer Rechtsträger des Hotels sei. Die Beklagte trete als Verkaufsvermittler auf, weshalb es nicht ausreichend sei, nur die eigene Identität anzugeben. Mit Schreiben vom 07.06.2017 mahnte er die Beklagte deswegen ab – ohne Erfolg.
„Saft“ als Obergriff für Getränke aus Frucht- oder Gemüseerzeugnissen?
Am 01.08.2017 erhob der Kläger Klage. Die Beklagte verteidigte sich mit dem Argument, einem durchschnittlichen Verbraucher seien die genauen Unterschiede zwischen Fruchtsäften, Direktsäften, Säften aus Konzentrat, Nektaren usw. gar nicht bekannt. Der Begriff „Saft“ sei normativ nicht geschützt und werde im allgemeinen Sprachgebrauch als Oberbegriff für Getränke aus Frucht- oder Gemüseerzeugnissen verwendet. Bei der Werbung für den Hotelaufenthalt trete die Beklagte selbst als Vertragspartner auf, sie sei eben nicht nur ein Verkaufsvermittler. Daher seien die Angaben ausreichend.
LG Rostock: kein Einfluss auf die Kaufentscheidung der Verbraucher?
Das Landgericht Rostock wies die Klage insgesamt als unbegründet ab. Bezüglich der Werbung für den Hotelaufenthalt folgte das LG der Argumentation der Beklagten. Die Werbung für den Kokoslikör sei ebenfalls nicht zu beanstanden, weil es sich bei dem Saft nur um eine zusätzliche Draufgabe handele, die erkennbar keinen großen Einfluss auf die Kaufentscheidung des Verbrauchers habe. Der Kläger legte gegen das Urteil Berufung ein. Das OLG Rostock hielt die Berufung teilweise für begründet.
OLG Rostock: Bezeichnung als „Saft“ sei irreführend
Ein Maracujanektar, der als „Maracujasaft“ bezeichnet werde, sei objektiv unrichtig und damit „unwahr“. Die Bezeichnung betreffe die Frage des Fruchtsaftgehalts, weshalb es sich unzweifelhaft um ein „wesentliches Merkmal“ – und zwar die Beschaffenheit – des Produkts handele. Aus der Fruchtsaft- und Erfrischungsgetränkeverordnung (FrSaftErfischGetrV) ergebe sich, dass es sich bei einem Nektar um ein Mischgetränk aus einem Fruchtsaftanteil und einem höheren Wasserzusatz als dem natürlichen Wassergehalt handele. Oftmals seien zudem Zucker und / oder Honig zugesetzt. Vom Anwendungsbereich der Begriffsdefinition sei neben dem Etikettierungswesen auch die Produktwerbung erfasst. Ein Maracujasaft sei per Definition ein Getränk, das ausschließlich aus Maracujas gewonnen und allenfalls bis zum natürlichen Wassergehalt mit Wasser versetzt werde.
„Saft“ oder „Nektar“ – Verbraucher kennen den Unterschied
Auch ein „durchschnittlich informierter und situationsadäquat aufmerksamer“ Verbraucher kenne diese Unterscheidung. Es handele sich schon lange nicht mehr um ein Sonderwissen von Lebensmittel-Juristen, wenn es um den Unterschied zwischen „Saft“ und „Nektar“ gehe. Es sei einem breiten Publikum bekannt, dass nur ein „Fruchtsaft“ ein 100-prozentiges Furchterzeugnis sei. Einem erheblichen Teil der Verbraucher sei dies bereits wegen der deutlich unterschiedlichen Preise und auch wegen der üblichen Regalsortierungen in Supermärkten durchaus bewusst. Es gehe vorliegend auch nicht um die Frage, ob verschiedene Getränke mit Fruchtsaftanteilen zusammenfassend mit dem Obergriff „Saft“ bzw. „Säfte“ bezeichnet werden können. Daher greife die Argumentation der Beklagten hier nicht.
Saft und Kokoslikör als Gesamtprodukt oder bloße Draufgabe?
Die unzutreffende Bezeichnung als „Maracujasaft“ sei auch geeignet, die (Kauf-)Entscheidung des Verbrauchers zu beeinflussen. Ob es sich bei dem Maracujanektar um eine bloße Zu- bzw. Draufgabe zum Kokoslikör handele oder beide Getränke ein preislich im Verbund kalkuliertes Gesamtprodukt darstellen, sei hier nach Ansicht des OLG Rostock unerheblich. Denn es entspreche einer allgemeinen Auffassung, dass die Bewerbung eines Hauptprodukts mit einer Zu- oder Draufgabe wettbewerbswidrig sei, wenn über die Eigenschaften der Zu- oder Draufgabe getäuscht werde. Ob sich die unrichtigen Angaben auf das Hauptprodukt oder die Zu- bzw. Draufgabe beziehen, spiele dabei keine Rolle.
Kaufentschluss der Verbraucher wird durch „Saft“ beeinfluss
Es komme viel mehr darauf an, ob im vorliegenden Fall die Zugabe des Nektars unter Bezeichnung als „Saft“ zu einer relevanten Irreführung bei einem nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Verbraucherkreises führen könne. Das OLG Rostock verwies auf eine Entscheidung des BGH vom 26.10.2006, Az. I ZR 33/04, wonach bereits von dem Hervorrufen einer Fehlvorstellung beim Verbraucher auf die wettbewerbsrechtliche Relevanz der Irreführung geschlossen werden könne, ohne dass hierzu weitere Feststellungen zu treffen seien. Daran gemessen komme dem Saft bzw. dem Nektar vorliegend eine mehr als nur marginale Bedeutung für den Kaufentschluss des Verbrauchers zu. Daher verurteilte das OLG die Beklagte zur Unterlassung der Bewerbung des Maracujanektars als „Saft“.
Werbung mit Hotel-Gutschein: im Zweifel wohl ein „unbedenkliches Eigengeschäft“
Bezüglich des Hotelgutscheins wies das OLG Rostock die Berufung als unbegründet zurück. Es sei höchstrichterlich geklärt, dass es hier nicht darauf ankomme, ob der eingeschaltete Leistungserbringer (das Hotel) von dem vertragsschließenden Unternehmen bereits ausgewählt wurde und zum Zeitpunkt des Gutscheinerwerbs schon feststehe. Wenn dann, wie im vorliegenden Fall, der Leistungserbringer (Resort-Hotel & … Erlebnisbad) schon feststehe, könne nicht einfach darauf geschlossen werden, dass der Erwerber des Gutscheins automatisch einen Vertrag mit diesem Hotel schließt – statt mit Anbieter des Gutscheins. Das OLG verwies hierzu auf die aktuelle obergerichtliche Rechtsprechung: das Kammergericht habe mit Urteil vom 04.10.2016, Az. 5 U 8/16 entschieden, dass hier im Zweifel von einem unbedenklichen Eigengeschäft des Werbenden auszugehen sei, auch wenn eine Vertragsbeziehung zu einem Dritten (vorliegend dem Hotel) ernstlich in Betracht komme. Aufgrund dieser Zweifelsregelung sei also von einem Eigengeschäft der Beklagten auszugehen, weshalb die Werbeanzeige für den Gutschein wettbewerbsrechtlich unbedenklich sei.
OLG Rostock, Urteil v. 25.09.2019, Az. 2 U 22/18