Amazon muss auf bezahlte Bewertungen im Gesamtergebnis hinweisen
Enthält das Gesamtbewertungsergebnis für Produkte, die auf einer Online-Handelsplattform wie Amazon angeboten werden auch Bewertungen, für die an den Rezensenten ein Entgelt gezahlt wurde, so liegt unlautere getarnte Werbung vor, wenn die Berücksichtigung dieser gekauften Bewertungen nicht kenntlich gemacht worden ist. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit seiner am 09.06.2022 verkündeter Entscheidung klargestellt und damit die vom Landgericht ausgeurteilte Unterlassungsverpflichtung bestätigt.
Hintergrund
Die Klägerin ist Dienstleisterin und bietet im Internet die entgeltliche Vermittlung von Kundenbewertungen an. Diese wird ausschließlich für Händler auf Online-Handelsplattformen tätig. Auf der Beklagtenseite steht die Betreiberin der Online-Handelsplattform amazon.de. Dort werden Produkte mit einem Gesamtsterne-Bewertungssystem rezensiert. Amazon vermittelt zudem Verkaufspartnern Kundenbewertungen im Rahmen des sog. Early-Reviewer-Programms gegen Entgelt. Hierbei bewerten ausländische Rezensenten Produkte gegen Entgelt oder Wertgutscheine für Produkte. Diese Bewertungen fließen in das Gesamtbewertungsergebnis mit ein und werden auch deutschen Käufern angezeigt, ohne dass hierauf hingewiesen wird. Hiergegen wendete sich die Klägerin, die im fehlenden Hinweis hinsichtlich der gekauften Bewertung einen Wettbewerbsverstoß gesehen hat. Auch bemängelte die Klägerin, dass nicht angegeben wurde, wie viele dieser Bewertungen Teil des Gesamtbewertungsergebnisses sind.
Fehlende Hinweise stellen irreführende geschäftliche Handlung dar
Zunächst hatte das Landgericht im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der Amazon unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten worden ist, die Bewertungspraxis fortzuführen. Daraufhin wendete sich Amazon mit der Berufung gegen diese Verfügung. Das OLG hat nun klargestellt, dass Amazon mit der Veröffentlichung irreführend handele und damit gegen § 5a Abs. 4 S. 1 UWG verstoße, weil die gekauften Bewertungen Teil des Bewertungssystems werden. Wie die Klägerin hat sich auch das Gericht darauf gestützt, dass es an einem Hinweis auf die gekauften Bewertungen fehle und nicht ersichtlich sei, wie viele dieser Teil des Gesamtbewertungsergebnisses werden.
Die Absichten Amazons standen außer Zweifel
Weil Amazon durch das Veröffentlichen von gekauften Bewertungen, die in das Gesamtbewertungssystem miteingeflossen sind, den Absatz ihrer Kunden und damit zugleich den eigenen Absatz fördere, indem ihre Verkaufsplattform auf diese Weise attraktiver erscheine, stelle dies eine geschäftliche Handlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar. Es stehe außer Zweifel, dass Amazon mit dem Veröffentlichen von Bewertungen und dem Gesamtbewertungsergebnis einen kommerziellen Zweck verfolge. Dabei handle es sich um einen Fall der getarnten Werbung, weil Amazon für die Bewertungen ein Entgelt bezahle. Unerheblich sei die geringe Höhe des Entgelts, da nicht zu leugnen sei, dass die Rezensenten die Bewertung nicht allein "um der Sache Willen" abgeben. Neben dem mangelnden kenntlich machen ergebe sich die Information auch nicht aus den Umständen, so das Gericht.
Bezahlte Rezensenten sind nicht neutral bei der Bewertung
Zweifelhaft war schon die Aussage von Amazon, die Nutzer der Online-Handelsplattform wüssten, dass in das Gesamtbewertungsergebnis immer auch Bewertungen einflössen, die aus nicht sachlich begründeten Erwägungen heraus abgegeben würden. Abgesehen davon sei das Argument schon nicht tragfähig, weil es keinen Freibrief dafür gebe, beeinflusste Bewertungen zu verwenden. Die Berücksichtigung von gekauften Bewertungen habe hier auch geschäftliche Relevanz. Indem die Rezensenten eine kleine Belohnung für die Abfassung der Bewertung erhalten, folge zwangsläufig, dass sie bei Abgabe ihrer Bewertung nicht frei von sachfremden Einflüssen seien, so das OLG. Um weiterhin an dem Programm teilnehmen zu dürfen bestehe vielmehr die konkrete Gefahr, dass ein nicht geringer Anteil der Teilnehmer an dem Programm sich veranlasst sehe, ein Produkt positiver zu bewerten als dies tatsächlich seiner persönlichen Meinung entspreche.
Praxistipp
Bezahlte Bewertungen sind nicht per se unzulässig. Die Grenze der Unzulässigkeit ist allerdings, wie das Urteil zeigt, dann überschritten, wenn auf diesen Umstand bei der Gesamtbewertung nicht ausdrücklich hingewiesen wird. Damit es sich um eine gekaufte Bewertung handelt, ist nicht notwendigerweise eine entgeltliche Vergütung erforderlich. Ausreichend ist beispielsweise auch, dass die Rezensenten als Gegenleistung die Möglichkeit zur Teilnahme an einem Gewinnspiel erhalten (vgl. OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 20.08.2020, Az. 6 U 270/19). Damit seien die Betreiber von Online–Handelsplattformen vorgewarnt, die Hinweispflichten nicht durch die Hintertür zu umgehen, denn auch in diesen Fällen drohen dieselben wettbewerbsrechtliche Konsequenzen.
Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 09.06.2022, Az. 6 U 232/21