Akute Abmahngefahr bei Amazon?
Auf der Handelsplattform Amazon rechtssicher zu handeln ist nicht einfach – wenn nicht gar unmöglich, wie in den Fällen, in denen die Händler ihre Produkte sowohl mit FBA (Fulfillment by Amazon) wie auch selbst versenden.
So warnten die Kollegen aus München vor wenigen Tagen vor dem (alten) Problem, dass bei einem „Versand durch Amazon“ eine eigene „Amazon-Widerrufsbelehrung“ eingeblendet wird, durch welche automatisiert die Widerrufsbelehrung des jeweiligen Händlers ersetzt wird.
Dies ist jedoch nur bedingt richtig.
Die Abmahngefahr schätzen wir als durchaus realistisch ein, zumal uns die erste Abmahnung (und einstweilige Verfügung) vorliegt, die im Falle eines „Verkauf durch XXX und Versand durch Amazon“ das Vorhandensein von zwei unterschiedlichen, sich widersprechenden Widerrufsbelehrungen beanstanden lässt.
Ein wahlloses Beispiel:
Erfolgt bei einem Artikel der Versand an den Kunden direkt über Amazon, sind diese Artikel durch den Zusatz „Verkauf durch XXX und Versand durch Amazon“ gekennzeichnet.
Bei einem Klick auf „Verkauf durch XXX“ gelangt der Verbraucher über „Detaillierte Verkäuferinformationen“
zu der von Amazon vorgegebenen Widerrufsbelehrung,
da im Falle eines Versands über Amazon direkt die Rückabwicklung auch über Amazon erfolgt.
Auf diese Widerrufsbelehrung hat der Händler keinerlei Einfluss.
Ein Klick auf „Versand durch Amazon“
führt den Verbraucher zu der Hilfe-Seite von Amazon „Über Versand durch Amazon" auf die die Händler ebenfalls keinerlei Einfluss hat.
Wählt der Verbraucher hingegen nicht vorgenannten Weg, sondern folgt aus dem Angebot direkt dem Link „Umtausch- & Rücknahme bei XXX“ weiter unten im Angebot
gelangt dieser nicht zu der von Amazon vorgehaltenen Widerrufsbelehrung wie vorstehend dargestellt, sondern zu der Widerrufsbelehrung, die der Händler selbst bei Amazon einstellen kann.
Somit werden dem Verbraucher innerhalb eines Angebots zwei unterschiedliche Widerrufsbelehrungen vorgehalten. Diese Problematik wird gerne übersehen und betrifft letztendlich jeden Händler der einen „Verkauf durch XXX und Versand durch Amazon“ anbietet.
Rein inhaltliche Einflussmöglichkeiten hat der Händler insofern nur auf die von ihm hinterlegte Widerrufsbelehrung. Dass die von ihm hinterlegte Widerrufsbelehrung auch bei einem Versand durch Amazon eingeblendet wird, kann der Händler nur dadurch verhindern, dass er diese komplett löscht.
In diesem Fall wird jedoch bei einem „Verkauf und Versand durch XXX“ gar keine Widerrufsbelehrung mehr angezeigt.
Der Händler kann sprichwörtlich zur zwischen „Pest oder Cholera“ wählen. Entfernt er seine Widerrufsbelehrung, wird bei einem „Verkauf und Versand durch XXX“ gar keine Widerrufsbelehrung mehr angezeigt. Lässt er seine Widerrufsbelehrung anzeigen, damit die Angebote, in denen ein Versand über ihn selbst erfolgt, rechtskonform ausgestaltet sind, werden in Angeboten mit einem „Verkauf durch XXX und Versand durch Amazon“ zwei Widerrufsbelehrungen, die von Amazon selbst und die des Händlers, -je nach Weg- angezeigt.
Eine rechtskonforme Ausrichtung des Handels ist somit bei Amazon generell nicht möglich. Von dieser Problematik ist auch jeder Händler bei Amazon betroffen, der sowohl über Amazon als auch selbst versendet.
Wahrscheinlich hat es aus diesem Grund auch sehr lange gedauert, bis hier die erste Abmahnung ausgesprochen wurde; getreu dem Motto „wer im Glashaus sitzt sollte nicht mit Steinen werfen“.
Der Abmahner hingegen meint hingegen, den „Stein der Weisen“ gefunden zu haben. Diese einfache und (scheinbar) geniale Lösung soll so aussehen:
Folgt der Verbraucher in einem Angebot in dem ein „Verkauf durch YYY und Versand durch Amazon“ erfolgt
wiederum dem Link
gelangt er zu der vom Händler vorgehaltenen Widerrufsbelehrung, die dieser mit folgendem Hinweis übertitelt:
„Die nachfolgende Widerrufsbelehrung gilt nur dann, wenn der Artikel von YYY versandt wird. Andernfalls gilt die Widerrufsbelehrung in den Geschäftsbedingungen die Sie unter dem nachfolgendem Link einsehen können:
//www.amazon.de/gp/aag/details?ie=UTF8&asin=&isAmazonFulfilled=1&isCBA=&marketplaceID=A6795UKMFR9&orderID=&protocol=current&seller=A2WN3V7BG584EG&sshmPath=returns#aag_returns“
wie nachstehend ersichtlich
Für den Verbraucher bleibt dabei nicht nur unklar, wem gegenüber er den Widerruf des Vertrages zu erklären hat; dies zumal er sich beim Betrachten des Angebots und vor einem Klick auf den vorgenannten Link merken müsste, durch wen der Artikel versandt wird und den richtigen Schluss ziehen müsste, dass er den Widerruf gegenüber dem Versender und nicht gegenüber dem Verkäufer zu erklären hat.
Hinzu kommt, dass der Verbraucher, sollte er sich den Versender tatsächlich gemerkt und die richtigen Schlüsse gezogen haben, vorstehenden nicht funktionsfähigen Link kopieren und separat öffnen müsste, um die Widerrufsbelehrung im Falle eines Versands durch Amazon überhaupt wahrnehmen zu können. Der „Text“ kann nicht angeklickt werden, wie bei einem Link üblich.
Da auch bei Artikel 246 a EGBGB das Transparenzgebot in Bezug auf die Erteilung der Informationspflichten bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen in klarer und verständlicher Weise gilt, muss eine Möglichkeit des Zugangs zu den erforderlichen Informationen ohne wesentliche Zwischenschritte ermöglicht werden.
Im Hinblick auf die Üblichkeit der Verwendung von Links beim Angebot von Tele- bzw. Mediendiensten im Internet und im Hinblick auf die Leichtigkeit, mit der Nutzer Links per Mausklick nachgehen können, sind die Informationen auch dann noch unmittelbar erreichbar, wenn zwei Mausklicks des Nutzers erforderlich sind, um zu den betreffenden Informationen zu gelangen.
Eine solche „Zwei-Klick-Lösung“ ist vorliegend jedoch gerade nicht gegeben. So muss der Verbraucher (1.) zunächst entscheiden, durch wen der Artikel tatsächlich versandt wird, um bei einem Versand des Artikels durch Amazon sodann nach einem (2.) Klick auf „Umtausch- & Rücknahme bei YYY“ den vorgenannten Link zeichengenau zu (3.) kopieren und in ein Browserfenster (4.) einzufügen, sowie diese Eingabe (5.) bestätigen, um letztendlich auf diese Weise im fünften Schritt die Widerrufsbelehrung einsehen zu können. Diese vom Verbraucher auszuführenden fünf Schritte sind unserer Ansicht intransparent und in keinster Weise mehr klar und verständlich im Sinne des Artikel 246 a, § 4 EGBGB.
Insofern stellt auch diese Möglichkeit unserer Meinung nach keinen gangbaren Weg dar. Die Rechtsunsicherheit bei Händlern mit einem „Verkauf durch XXX und Versand durch Amazon“ bleibt daher bestehen und kann letztendlich nur durch die Trennung der Accounts in einen Eigenversand und FBA gelöst werden.