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Ärzte-Portal muss Provisionszahlungen offenlegen

Landgericht Berlin, Urteil vom 11.12.2018, Az. 16 O 446/17


Ärzte-Portal muss Provisionszahlungen offenlegen

Das Landgericht Berlin entschied mit Urteil vom 11.12.2018, Az. 16 O 446/17, dass ein Online-Portal für Brustvergrößerungen, welches von den dort dargestellten Ärzten einen bestimmten Geldbetrag sowie eine Vermittlungsprovision erhebt, seine Nutzerinnen eindeutig auf die Provisionszahlungen hinweisen muss. Die entsprechende Information mittels Mouse-Over genüge hierfür gerade nicht.

Vergleichsportal für Brustvergrößerungen
Die Beklagte betreibt ein Vergleichsportal für Brustvergrößerungen im Internet. Dort werden in verschiedenen Städten niedergelassene Ärzte, die solche Operationen durchführen, aufgelistet. Beigefügt sind die entsprechenden Preise, eine in Noten und Sternen ausgedrückte Portalbewertung, Kundenbewertungen, die Telefonnummer des jeweiligen Arztes sowie auch ein Formular zur unmittelbaren Terminreservierung. Der Aufruf der Seite ist für interessierte Frauen kostenlos.

Kein Hinweis auf Aufnahmesumme und Vermittlungsprovision
Der Kläger, ein Verbraucherverband, beanstandete das Angebot der Beklagten. In diesem sei nämlich nicht darauf hingewiesen, dass die präsentierten Ärzte für die Erstellung ihres Profils auf dem Portal einen bestimmten Geldbetrag bezahlen und bei erfolgreicher Kontaktaufnahme und durchgeführter Operation zudem eine Vermittlungsprovision an das Portal entrichten. Nach Kenntnis des Klägers würden dagegen Ärzte, die keine derartigen Zahlungen leisten, nicht in das Portal aufgenommen und bewertet werden.

Mouse-over-Funktion vom Kläger nicht akzeptiert
Nach einer Abmahnung des Klägers versah die Beklagte ihren Internetauftritt mit einer mouse-over-Funktion mit folgendem Hinweis: „Für die Nutzer sind Nutzung und Service auf Deutschlands größtem Vergleichsportal für Brustoperationen kostenlos und unverbindlich. An einem Vergleich nehmen nur solche Chirurgen teil, die hierfür an das Portal ein pauschales und erfolgsunabhängiges Marketingentgelt zahlen.“ Allerdings war dieser Vermerk dem Kläger nicht genug, sodass er den fehlenden Hinweis gerichtlich angriff. In seinen Augen verschweige die Beklagte die Zahlungen, die die Ärzte für die Aufnahme in das Portal und die erfolgreiche Vermittlung entrichten, nichtsdestotrotz.

Beklagte wehrte sich gegen Klage
Gegen die Klage wehrte sich die Beklagte mit der Behauptung, dass es sich bei ihrem Internetportal um kein reines Marketinginstrument für Ärzte handele und sie auch nicht gegen das Trennungsverbot von werblichen und redaktionellen Inhalten verstoße, sodass sich der begehrte Hinweis nicht rechtfertige. Das Ziel des Portals sei vielmehr, die Entscheidung einer Frau für einen bestimmten Arzt zu erleichtern. Dies geschehe einerseits durch subjektive Bewertungen, welche auf den Angaben bereits operierter Patientinnen beruhen. Andererseits würden die Ärzte auch Fragebögen ausfüllen, deren Antworten die Beklagte überprüfe. Zusätzlich dazu besuche ein Außenmitarbeiter regelmäßig die besagten Praxen, um einen persönlichen Eindruck zu erhalten. Ein mit dem Portal verbundener Werbeeffekt trete insgesamt also in den Hintergrund.

Hinweis sei für Nutzerinnen irrelevant
Überdies bedeute die Entgegennahme von Zahlungen der gelisteten Ärzte nach den Ausführungen der Beklagten nicht, dass sie kein objektives, neutral erstelltes, hilfreiches sowie transparentes Tool zur Verfügung stelle. Noch dazu sei es einer Durchschnittsnutzerin gleichgültig, wie sich das Portal finanziere, solange die dort gegebenen Informationen zuträfen und nicht subjektiv eingefärbt oder sonst durch Drittinteressen beeinflusst worden seien.

Landgericht gab Klägerin Recht
Das zuständige Landgericht Berlin teilte die Auffassung der Beklagten allerdings nicht, sondern sprach dem Kläger sowohl wegen der ursprünglichen Gestaltung des Ärzteportals ohne mouse-over-Funktion als auch wegen der geänderten Gestaltung einen Unterlassungsanspruch zu.

Hinweis auf Bezahlung als wesentliche Information
Der Grund für dieses Ergebnis war nach den Ausführungen des Gerichts, dass die Beklagte den Nutzerinnen durch den fehlenden Hinweis auf die vorherige Zahlung eines Geldbetrages sowie die Vermittlungsprovision wesentliche Informationen, die für deren informierte geschäftliche Entscheidung notwendig seien, vorenthalte. Jene würden sich von dem Portal schließlich Informationen, die ihnen eine Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit der vorgestellten Mediziner in Bezug auf ihre Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erlauben, erhoffen. Hierzu gehöre ebenso die Erwartung, die Mehrzahl der sich auf Brustoperationen spezialisierten Chirurgen, zumindest aber diejenigen vorzufinden, die über einen guten Ruf in der Branche und auch bei den Betroffenen verfügen.

Nutzerinnen gehen von Werbefinanzierung aus
Zwar sei den Nutzerinnen durchaus bewusst, dass die Beklagte das kostenlos zur Verfügung gestellte Portal auf irgendeine Art und Weise finanzieren müsse, so das Landgericht. Allerdings gingen sie deshalb nicht automatisch davon aus, dass die gelisteten Ärzte für ihre Darstellung auf der Internetseite bezahlen und im Falle einer erfolgreichen Vermittlung auch eine entsprechende Provision erhalten. Vielmehr würden die Nutzerinnen mit einer Werbefinanzierung des Portals rechnen. Insgesamt werde also eine Neutralität des Seiteninhabers hinsichtlich der dort präsentierten Ärzten angenommen, welche sich letztendlich aber nicht bewahrheitet.

Anderes Verhalten bei Kenntnis denkbar
Hätten die Nutzerinnen allerdings Kenntnis von der Bezahlung, würden sie dem Inhalt der Seite mit deutlich mehr Skepsis begegnen und vermutlich häufig auch von einer Kontaktaufnahme zu den Medizinern absehen, so das Gericht weiter. Insgesamt zeige der Aspekt des „Erkaufens“ gerade, dass es sich bei dem Portal in erster Linie um ein Marketinginstrument für die beteiligten Ärzte handele. Dies bedeute aber auch eine entsprechende Unterrichtung der Nutzerinnen.

Eigene Entscheidung der Nutzerinnen
Der Einwand der Beklagten, dass die Tatsache, dass die teilnehmenden Ärzte Zahlungen an sie leisten, nicht zwangsläufig bedeute, dass sie kein objektives, neutral erstelltes und für die Nutzerinnen hilfreiches und transparentes Portal zur Verfügung stelle, überzeugte das Gericht dagegen nicht.
Zwar könne diese Behauptung durchaus der Wahrheit entsprechen. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass es im alleinigen und freien Ermessen der Nutzerinnen liege, darüber zu entscheiden, welche Bedeutung sie den im Portal enthaltenen Bewertungen bei dieser Art der Finanzierung zumessen und welche Rückschlüsse sie daraus in Bezug auf die Vertrauenswürdigkeit der Ärzte ziehen möchten. Nur sie selbst könnten diese Entscheidung treffen, nicht aber die Beklagte.

Rückschluss auf Gleichgültigkeit nicht möglich
Ebenso sei es nach den Ausführungen des Gerichts zwar durchaus denkbar, dass sich die Nutzerinnen – wie von der Beklagten behauptet – bei dem Besuch des Portals keine Gedanken über dessen Finanzierung machen. Nichtsdestotrotz lasse sich daraus nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass jenen die Zahlungen der teilnehmenden Ärzte gleichgültig wären. Ebenso müssten besonders aufmerksame Nutzerinnen, die keine Werbung auf der Internetseite wahrnehmen, nicht gleichzeitig davon ausgehen, dass die vorgestellten Mediziner gerade diejenigen sind, die die Seite durch ihre Zahlungen finanzieren. Das Gericht führte an, dass nach den Vorstellungen der Besucherinnen hierfür beispielsweise auch große Versicherungsunternehmen, Ärztegruppierungen oder ähnliche Einrichtungen in Betracht kämen.

Mouse-over-Funktion nicht ausreichend
Letztendlich ändere auch die überholte Darstellung in Form einer mouse-over-Funktion nichts an der Einschätzung des Gerichts. So hielt jenes fest, dass ein solcher Aufklärungshinweis auf dem Portal von einer durchschnittlichen Nutzerin gerade nicht auffindbar sei. Schließlich erscheine das nachträglich von der Beklagten gesetzte „i“-Symbol nur dann, wenn der Cursor der Maus über das Wort „VERGLEICH“ bewegt werde. Aber auch im Falle einer solchen Bewegung sei dessen Größe so winzig, dass es leicht übersehen werden könne. Noch dazu ergebe sich aus dem mit der mouse-over-Funktion versehenen Begriff auch nicht, dass sich dahinter wichtige Informationen zur Vorgehensweise des Portalbetreibers bei der Auswahl der präsentierten Ärzte verbergen.

Landgericht Berlin, Urteil vom 11.12.2018, Az. 16 O 446/17

von Sabrina Schmidbaur, Dipl.Jur.-Univ.


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