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Abweichende Betriebsstätte im Impressum

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.03.2021, Az. X ZR 9/20


Abweichende Betriebsstätte im Impressum

Der Bundesgerichtshof urteilte am 16.03.2021, dass eine vom Hauptsitz abweichende Betriebsstätte im Impressum dahingehend verstanden werden könne, dass sie im Namen des Stammhauses Leistungen anbietet, Vertragsangebote entgegennimmt und deren Annahme erklärt. Somit seien deutsche Gerichte auch bei sich daraus ergebene Rechtsstreitigkeiten zuständig.

Sind deutsche Gerichte zuständig?
Kläger war ein Fluggast, Beklagte die Fluglinie Air France. Der Kläger buchte über deren Webseite ein Flugticket von San Francisco nach Paris in der ersten Klasse und einen Anschlussflug von Paris nach London in der Business Class. Im Impressum der Website hieß es: „Air France in Deutschland: Air France Direktion für Deutschland, Zeil 5, 60613 Frankfurt am Main“. Unter der Überschrift "Firmen Hauptsitz" war angegeben: „Air France, Aktiengesellschaft nach französischem Recht mit einem Grundkapital von … Euro“. Nach Überweisung des Preises erhielt der Kläger ein elektronisches Ticket. Darin war in den Spalten für Ausstellungsdatum und Ausstellungsort angegeben: „Dec 2017 DIR - WEB Allemagne, F.“. Einen Tag später teilte die Beklagte mit, das Ticket sei wegen eines Systemfehlers storniert worden; der gezahlte Betrag werde erstattet. Der Kläger hielt den Vertrag weiterhin für wirksam und verlangt Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Die Vorinstanzen wiesen die Klage als unzulässig ab. Sie hielten sich für nicht zuständig. Mit der Revision verfolgte der Kläger sein Begehren weiter.

Bezug zur deutschen Zweigniederlassung
Der Bundesgerichtshof (BGH) befand, dass deutsche Gerichte zuständig seien. Denn vorliegend sei ein Bezug des Rechtsstreits zur Zweigniederlassung durch das Eingehen einer Verpflichtung im Namen des Stammhauses gegeben. Eine rechtlich selbständige Gesellschaft, die Geschäfte so abschließt, dass sie als Außenstelle einer anderen Gesellschaft auftrete, müsse sich an dem erweckten Anschein festhalten lassen. Diese gelte selbst dann, wenn beide Gesellschaften gesellschaftsrechtlich voneinander unabhängig seien.

Ausschlaggebend ist das Impressum
Der BGH räumte der Tatsache besonderes Gewicht ein, dass die Buchung über die Website airfrance.de vorgenommen und die Zweigniederlassung als "Airfrance in Deutschland" im Impressum bezeichnet worden sei. Denn Angaben im Impressum dienen der Erfüllung von Informationspflichten aus § 5 TMG.  Damit sei für den Nutzer ein Mindestmaß an Transparenz und Information über den Webseitenbetreiber sicherzustellen. Auf diese Weise solle insbesondere im Konfliktfall auch ein Anknüpfungspunkt für eine Rechtsverfolgung bestehen.

Vertragspartner steht im Impressum
Die im Impressum angegebene Stelle sei grundsätzlich als diejenige anzusehen, die die Dienstleistung anbietet und die maßgeblichen Vertragserklärungen abgibt oder entgegennimmt, so der BGH weiter. Die Anbieterangaben könne ihren Zweck nur dann erfüllen, wenn der angesprochene Nutzer sich darauf verlassen könne, dass ihm die angegebene Stelle als Vertragspartner gegenübertritt.

Airfrance Deutschland als Vertragspartner
Das Gericht entschied, die deutsche Zweigniederlassung der Beklagten sei als Anbieter in diesem Sinne aufgetreten. Die Verwendung der Toplevel-Domain .de sowie die Verwendung deutscher Sprache deute darauf hin, dass sich das Webangebot an Interessenten in Deutschland richtet. Wenn vor diesem Hintergrund eine vorhandene Betriebsstätte als "Airfrance in Deutschland" bezeichnet werde, dürfe ein Kunde diese Betriebsstätte als die Stelle verstehen, die die Buchungen anbietet.

Angabe zu französischen Hauptsitz ändert nichts
Der Umstand, dass im Impressum auch der Hauptsitz angegeben sei, veranlasste das Gericht zu keiner abweichenden Beurteilung. Diese Angabe sei schon deshalb folgerichtig, weil der Diensteanbieter nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG auch Angaben über Rechtsform und Stammkapital machen müsse. Die Niederlassung verfüge aber weder über eine eigene Rechtspersönlichkeit noch über eigenes Stammkapital. Die Angaben seien folglich dahin zu verstehen, dass die als "Airfrance in Deutschland" bezeichnete Betriebsstätte den deutschen Kunden im Namen des Stammhauses gegenübertritt.

Angaben im elektronischen Ticket
Gleiches gelte für den Umstand, dass im Ticket als Ausstellungsort ebenfalls Frankfurt/Main angegeben sei, so der BGH. Die Buchungsmöglichkeit auf der Website stelle aus vertragsrechtlicher Sicht lediglich eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots dar. Der Annahme eines solchen Angebots komme Bedeutung für die Frage zu, wer Vertragspartner sei. Vorliegend habe die Angabe im Ticket den bereits durch das Impressum erweckten Eindruck bestätigt. Denn Ausstellungsort und Sitz der Niederlassung stimmen überein. Außerdem sei die darin angegebene IATA-Nummer nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers ebenfalls dieser Betriebsstätte zuzuordnen.

Interne Organisation spielt keine Rolle
Der BGH befand den Umstand als unerheblich, dass die Mitarbeiter der Zweigniederlassung weder an der inhaltlichen Gestaltung und dem Betrieb der Website, noch an der Bestätigung und Abwicklung der darüber getätigten Buchungen beteiligt seien. Denn einzelnen Details betriebsinterner Abläufe komme keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Ausschlaggebend sei vielmehr die Art und Weise, in der die Niederlassung gegenüber Dritten im Geschäftsverkehr auftrete. Vorliegend trete sie als diejenige Stelle auf, die im Namen des Stammhauses Angebote unterbreitet und Annahmeerklärungen abgibt oder Erklärungen des Kunden entgegennimmt.

Französische Mail-Adresse
Zu keiner abweichenden Beurteilung führe der Umstand, dass die angegebene E-Mail-Adresse die Toplevel-Domain ".fr" aufweist, so das Gericht. Dieser Umstand gebe aus Kundensicht keinen deutlichen Hinweis darauf, dass die für den Vertragsschluss maßgeblichen Personen in Frankreich ansässig seien. Dies sei ohne Weiteres damit zu erklären, dass alle Mitarbeiter der Beklagten über eine nach gleichem Muster zusammengesetzte E-Mail-Adresse verfügen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.03.2021, Az. X ZR 9/20


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