Internet-Pranger für Hygieneverstöße vorläufig verboten
Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Baden-Württemberg äußerte sich mit seinem Beschluss vom 28.01.2013 unter dem Aktenzeichen 9 S 2423/12 zum Thema des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Veröffentlichung von Verletzungen des Lebensmittelrechts auf behördlichen Internetseiten.
Das Gericht wies die Beschwerde des Antragsgegners (im Folgenden AG) gegen die Entscheidung der Vorinstanz (Verwaltungsgericht Karlsruhe) vom 04.12.12 (Aktenzeichen 5 K 3056/12) mit der Maßgabe zurück, dass die Untersagung einer entsprechenden Veröffentlichung unwirksam wird, wenn der Antragssteller (im Folgenden AS) nicht bis zum Ablauf einer bestimmten Frist ein Hauptsacheverfahren beim Gericht eingeleitet hat oder sich ein solches Verfahren erledigt.
Der AS, ein Betreiber eines Restaurantbetriebes, begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Bekanntmachung von lebensmittelrechtlichen Verstößen, die im Zuge einer Geschäftskontrolle seiner Gaststätte von Mitarbeitern des AG festgestellt worden sind. Hiernach wurde die Schließung des Betriebs zwecks fachgerechter Reinigung angeordnet, wogegen der AS Widerspruch einlegte. Nach einer Nachkontrolle hatten sich keine Beanstandungen mehr ergeben und die Gaststätte wurde wieder zum Betrieb freigegeben.
Der AG hatte angekündigt, eine Veröffentlichung der Beanstandungen im Internet vorzunehmen. In der erfolgten Bekanntmachung wurde unter Angabe von Name und Anschrift des AG vermerkt, dass Mängel bei der Hygiene und ekelerregende Herstellungsverfahren vorgefunden worden seien. Ergänzt wurde der Eintrag durch die Erwähnung der Mängelbeseitigung.
Der Prozessbevollmächtigte des AS forderte den AG vergeblich auf, den Eintrag zu entfernen. Danach ersuchte er beim Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe um vorläufigen Rechtschutz.
Dieser Antrag hatte Erfolg. Mit Beschluss vom 04.12.2012 untersagte das VG dem AG, die Ergebnisse der Betriebskontrolle weiterhin zu veröffentlichen. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bekanntmachung bestünden, da es gem. § 40 Abs. 1a des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) erforderlich sei, ein konkret beanstandetes Lebensmittel zu benennen, woran es in diesem Fall fehle.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des AG. Er macht geltend, dass der AS es versäumt haben soll, einstweiligen Rechtsschutz zu beanspruchen und beantragt die Aufhebung des Beschlusses, hilfsweise unter der Maßgabe, die Bekanntmachung um die Nennung von konkreten Lebensmitteln zu ergänzen.
Der VGH Baden-Württemberg gab jedoch dem Antrag des AS vollumfänglich statt und bestätigte somit die Entscheidung der Vorinstanz. Zur Begründung führte er aus, dass der Antrag zulässig und auch begründet sei, da die Veröffentlichung vermeintlicher Mängel für einen Betrieb eine existenzgefährdende Maßnahme darstelle. Außerdem begegne eine solche Veröffentlichung auch datenschutzrechtlichen Bedenken.
Der AS habe auch nicht durch späte Antragsstellung den Rechtsschutz verwirkt. Denn daraus, dass die Veröffentlichung seinem Betrieb bereits geschadet hat, folge nicht, dass er eine weitere Anprangerung hinnehmen müsse.
Des Weiteren begegne die Bestimmung des § 40 Abs. 1a LFGB, derzufolge derartige Veröffentlichungen getätigt werden können, auch verfassungsrechtlichen Bedenken. Diese beziehen sich auf Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit der Norm.
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.01.2013, Az. 9 S 2423/12