Wohnmobilreisen auf eigene Gefahr?
Das Oberlandesgericht Bandenburg hat entschieden, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen eines Reiseveranstalters unzulässig sind, solange sie eine Haftung des Reiseveranstalters für Leib und Leben der Reisenden konsequent ausschließen. Die Haftungsbeschränkung des Reiseveranstalters lediglich auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht. Das Gericht sieht eine Vertragsstrafe für Zuwiderhandlungen in Höhe von 4.000 Euro je Klausel als angemessen an.
Die Beklagte war in erster Instanz vor das Landgericht Potsdam gezogen. Sie hat auf ihrer Internetseite die klagegegenständlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen veröffentlicht. Kläger ist ein Verein zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs. Er klagte gegen die auf der Internetseite der Beklagten veröffentlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die er für unzulässig hielt. Mit Schreiben vom 27. Mai 2010 mahnte der Kläger die Beklagte wegen der Verwendung der klagegegenständlichen Klauseln auf ihrer Internetseite ab. Durch ihren Prozessbevollmächtigten gab die Beklagte am 11. Juni 2010 eine Unterlassungserklärung ab. Seitdem verwendet die Beklagte ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf ihrer Internetseite in abgeändertem Wortlaut.
Der Tenor der klagegegenständlichen Klauseln lautet jedoch immer noch dahingehend, dass die Beklagte als Reiseveranstalter insbesondere auf die Eigenverantwortlichkeit ihrer Reiseteilnehmer hinweist. Nach wie vor schließt der Reiseveranstalter jegliche Haftungsübernahme aus Schäden an Leib und Leben der Reisenden aus. Er beschränkt seine vertragliche Haftung für Schäden, die nicht Körperschäden sind, auf das Dreifache des Reisepreises.
Am 6. September 2012 ist gegen die Beklagte ein Versäumnisurteil ergangen, das ihr für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein festgesetztes Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro auferlegt oder die ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten. Die Beklagte hat es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die zuvor genannten Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Pauschalreiseverträgen gegenüber Verbrauchern wörtlich oder inhaltsgleich zu verwenden und/oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese Klauseln zu berufen. Die Beklagte wurde des Weiteren dazu verurteilt, an den Kläger 8.000 Euro nebst Zinsen seit dem 19. April 2011 zu zahlen. Ferner hat die Beklagte an den Kläger 208,65 Euro Zinsen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, §§ 286, 288, 291 BGB) seit dem 25. Juni 2010 zu zahlen. Sie hat gegen dieses Versäumnisurteil frist- und formgerecht Einspruch eingelegt. Der Kläger hat beantragt, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten. Die Beklagte hat beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoßen nicht gegen § 651 h BGB. Die Höhe der vom Kläger geltend gemachten Vertragsstrafe sieht sie als unangemessen an. Sie weist darauf hin, dass es sich bei ihr nicht um einen Reiseveranstalter im großen Umfang handelt. Ihre dahingehende Tätigkeit sei im Jahr 2011 nahezu zum Erliegen gekommen. Das Landgericht Potsdam als Erstinstanz hat sein Versäumnisurteil aufrechterhalten, mit der Begründung, die von der Beklagten verwendeten Klausen verstießen gegen §§ 307 Abs. 2 Nr. 2, 305 c, 651 h und 651 m BGB. Das Gericht bezieht sich dabei insbesondere auf Ziffer 6 der ABG, die dahingehend auszulegen sei, dass eine Haftung für Körperschäden in unzulässiger Weise ausgeschlossen werde. Die festgelegte Vertragsstrafe sei angemessen. Sie müsse eine abschreckende Wirkung entfalten und in ihrer Höhe so bemessen sein, dass sie deutlich über die Summen hinausgehe, die die Beklagte wirtschaftlich durch ihre mit dem wettbewerbswidrigen Handeln verbundenen Geschäfte erzielen könne. Da die Beklagte nicht nur Reisen nach Marokko anbietet, hängen ihre finanziellen Möglichkeiten nicht alleine von dem Klagegegenstand ab.
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Sie vertieft ihre Auffassung, dass sie die von ihr angewendeten streitgegenständlichen Klauseln als nicht wettbewerbswidrig einstuft. Sie weise die Teilnehmer ihrer Reisen lediglich auf die mit derartigen Reisen verbundenen Gefahren hin. Mit ihrer Unterschrift bestätigten ihre Reiseteilnehmer diese Vertragsbedingungen. Von ihren Durchschnittskunden würden ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen in dieser Hinsicht verstanden und akzeptiert. Bei einer Gesamtschau der streitgegenständlichen Klauseln werde deutlich, dass Körperschäden durch den Haftungsausschluss nicht betroffen seien. Sie könne sich den finanziellen Aufwand der Vertragsstrafe nicht leisten.
Das Oberlandesgericht Brandenburg stellt fest, die Berufung der Beklagten gemäß den §§ 517 ff. ZPO hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht sowohl der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus Gesetz und Vertrag als auch ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus § 339 Satz 2 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Unterlassungsvertrag (§§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 4, 4 Nr. 11 UWG) vom 11. Juni/16. Juni 2010 zu. Ferner stehen dem Kläger die geltend gemachten Abmahnkosten aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zu. Mit der von der Beklagten abgegebenen vertraglichen Unterlassungserklärung ist zwischen den Prozessparteien ein Unterwerfungsvertrag zustande gekommen, mit dem sich die Beklagte verpflichtet hat, die beanstandeten Klauseln nicht weiter zu verwenden. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte jedoch nicht nachgekommen, sie hat die klagegegenständlichen Klauseln weiterhin verwendet, wenn auch in abgeänderter Form.
Das Gericht stellt ferner fest, dass die Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG und zugleich einen Verstoß gegen die Marktverhaltungsregelungen gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG darstellt. Die Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen widerspricht regelmäßig den Erfordernissen fachlicher Sorgfalt. Sie ist dazu geeignet, die wirtschaftlichen Interessen des Verbrauchers spürbar zu beeinflussen. Klauseln, die gegen § § 307 ff. BGB verstoßen, sind trotz ihrer Unwirksamkeit dazu geeignet, Verbraucher davon abzuhalten, berechtigte Ansprüche gegen den Verwender geltend zu machen. Entgegen der Auffassung der Beklagten verstoßen die von ihr angewendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen sehr wohl gegen die §§ 651 h, 651 m BGB, nach denen sich der Reiseveranstalter einer Haftung nur wirksam für Schäden entziehen kann, die nicht Körperschäden sind. Das Gericht vermutet eine Wiederholungsgefahr nach § 8 Abs. 1 UWG, die durch den Verstoß der Beklagten gegen eine vertragliche Unterlassungsverpflichtung als nicht gering einzuschätzen ist. Sie ist durch das Handeln und den Vortrag der Beklagten nicht widerlegt worden.
Der Kläger ist nach den §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG klagebefugt, da es sich um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher Interessen handelt. Abschließend stellt das Gericht fest, dass die durch die Beklagte verwendeten unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Internet eine weitaus größere Auswirkung nach sich ziehen als beispielsweise eine unlautere Werbung in einer räumlich und zeitlich beschränkten Werbeanzeige. Die Beklagte hat ferner keine Umstände vortragen, die eine Herabsetzung der Vertragsstrafe rechtfertigen können (§ 242 BGB).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zugelassen, da Zulassungsgründe nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der Gegenstand des Berufungsverfahrens wird mit 28.000,00 Euro (§ 3 ZPO, § 47 Abs. 1 Satz 1) festsetzt.
Oberlandesgericht Brandenburg, Beschluss vom 29.04.2013, Az.: 6 U 10/13