Unzulässige Bezeichnung von Wein als "bekömmlich"
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Wein nicht als „bekömmlich“ beworben werden darf. Die Luxemburger Richter bewerteten die Angabe als gesundheitsbezogen, sodass eine solche Werbung als unzulässig einzustufen ist. Das Urteil könnte weitreichende Folgen für die Vermarktung von anderen Lebensmitteln haben.
Winzergenossenschaft hält Wein für bekömmlich
Eine Winzergenossenschaft aus Rheinland-Pfalz vermarktete Weine, die sich unter anderem durch einen besonders niedrigen Säuregehalt auszeichneten. Den Winzern war es deshalb ein großes Anliegen den geringen Säuregehalt für den Verbraucher kenntlich zu machen. Folglich bewarben sie das Produkt mit dem Wort „bekömmlich“.
Die zuständige Behörde sah hierin einen Verstoß gegen das Unionsrecht. Die Behörde bezog sich auf die Verordnung Nr. 1924/2006 des Rates und des Europäischen Parlaments vom 20.12.2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel. Die Verordnung soll verbraucherschützend wirken. Die Verbraucher sollten nicht durch bestimmte Angaben dazu verleitet werden, alkoholische Produkte zu konsumieren. Insbesondere ist es nicht gestattet, dass mit „gesundheitsbezogenen Angaben“ geworben wird, sofern es sich um Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent handelt.
Die Winzer wehrten sich dagegen und klagten. Die Klage durchlief alle Instanzen bis zum Bundesverwaltungsgericht, das die Frage schließlich dem Europäischen Gericht vorlegte. Aufgrund dessen, dass sich die Behörde auf eine Verordnung der Europäischen Union bezog, haben die Richter die Möglichkeit bei Unklarheiten sich an das Europäische Gericht zu wenden. In diesem Fall ging es um die Frage, wie die Verordnung in Bezug auf das Merkmal der „gesundheitsbezogenen Angaben“ auszulegen ist. Infolgedessen mussten die Luxemburger Richter entscheiden, ob „bekömmlich“ eine „gesundheitsbezogene Angabe“ ist oder nicht.
Luxemburg schließt sich Pfälzer Behörde an
Das Europäische Gericht urteilte streng und folgte der Meinung der zuständigen Behörde. Ihrer Meinung nach sei das Wort „bekömmlich“ eine unzulässige „gesundheitsbezogene Angabe“. Durch diesen Werbeslogan würden Verbraucher dazu verleitet werden, den alkoholhaltigen Wein zu konsumieren. Die Werbung suggeriere, dass der Wein besonders leicht zu verdauen und insgesamt förderlich für die Gesundheit sei. Darüber hinaus werde durch die Werbung nur auf die Vorzüge eingegangen und die Gefahren würden nicht einmal mehr erwähnt werden. Eine solche Art und Weise von Werbung sei nicht im Sinne der Verordnung der Europäischen Union, sodass die Werbung des Winzers unzulässig gewesen ist. Wein dürfe nicht mit dem Wort „bekömmlich“ beworben werden.
Übertragbarkeit auf andere Lebensmittel
Dieses Urteil könnte auch Einfluss auf die Werbemaßnahmen für andere Produkte haben. Alkoholische Getränke dürfen aufgrund des strengen Urteils nicht mehr als „verträglich“ oder „schonend“ beworben werden. Sämtliche Bezeichnungen, die auch nur einen minimalen gesundheitsbezogenen Aspekt haben, sind somit unzulässig, sodass Produkte, die aktuell so beworben werden, in naher Zukunft vom Markt verschwinden werden.
Aber auch für andere Produkte kann dieses Urteil weitreichende Folgen haben. Zwar bezieht sich das Urteil nur auf eine Verordnung für alkoholische Getränke, jedoch löst die Einstufung als „gesundheitsbezogene Angabe“ Rechtsfolgen aus. So sind solche Angaben unter anderem nur in Verbindung mit einer Nährwerttabelle und weiteren Pflichthinweisen gestattet.
Immer wieder versucht die Industrie, auf bestimmte Trends in der Gesellschaft einzugehen. Zahlreiche Produzenten versuchen unter anderem auf den Sport-Trend aufzuspringen und bewerben einen speziellen „Fitness-Käse“. Auch für solche Produkte hat das Urteil somit Auswirkungen, da diese Art von Betitelungen unzulässig ist.
Zu enge Auslegung
Sicherlich ist der Verbraucher- und Gesundheitsschutz ein sehr wichtiges Rechtsgut, aber die Luxemburger Richter urteilten in diesem Fall etwas überzogen. Weil ein Wein als bekömmlich beworben wird, ist es schwer vorstellbar, dass dem Verbraucher die Risiken von Alkoholkonsum entfallen. Der Verbraucher wird als unmündig dargestellt, sodass das Urteil als zu streng erscheint.
EuGH, Urteil vom 06.09.2012, Az. C-544/10