Unverzügliche Widerrufsbelehrung bei eBay Verkauf
Das Oberlandesgericht Hamm hatte darüber zu entscheiden, wann ein Verkäufer im Rahmen einer eBay-Auktion eine Widerrufsbelehrung an den Käufer zu übersenden hat. Die Richter kamen zu dem Entschluss, dass eine Übersendung des Dokumentes innerhalb von 49 Stunden nach Beendigung der Auktion als umgehend (§ 355 BGB) anzusehen ist. Eine Übersendung an jeden Zwischenbieter ist nicht notwendig.
Die Parteien des Rechtsstreits stehen als Verkäufer von Schmuck und Uhren in einem Wettbewerbsverhältnis bei eBay. Die Klägerin hatte durch einen von ihr beauftragten Testkäufer einen Testkauf bei der Beklagten durchgeführt und bemängelt, dass dieser als vorläufiger Höchstbieter keine Widerrufsbelehrung erhalten habe. Erst 49 Stunden nach Auktionsende habe ihm die Beklagte das entsprechende Dokument in Textform per E-Mail mit der gesetzlich garantierten Widerrufsfrist von 14 Tagen übersendet.
Die Richter konnten kein unlauteres Handeln feststellen, da die Widerrufsfrist den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Zwischen der Beklagten und dem Testkäufer als Höchstbietender ist nach Auktionsende ein Vertragsverhältnis (§§ 145, 433 BGB) zustande gekommen. Durch die Freischaltung der Produktbeschreibung hat die Beklagte ein verbindliches Angebot abgegeben, das der Testkäufer mit seinem Gebot angenommen hat. Diese Geschäftspraxis wird durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay (§ 10.1) bestätigt. Die Richter weisen darauf hin, dass der Einwand der Klägerin, ihr Testkäufer habe als Höchstbieter keine umgehende Widerrufsbelehrung erhalten, durch eine rechtliche Grundlage nicht zu belegen ist. Das Problem dieser Forderung besteht darin, dass dem Verkäufer die Identität des Käufers erst nach Auktionsende bekannt gegeben wird. Als Zwischenbieter sind die Interessenten unter ihrem anonymisierten Mitgliedsnamen aktiv. Daher ist es einem Verkäufer weder möglich, noch zumutbar, jedem Zwischenbieter vor Auktionsende das von der Klägerin geforderte Dokument zu übersenden. Die Forderung der Klägerin ist mit der Geschäftspraxis von eBay nicht vereinbar, denn der Verkäufer muss damit rechnen, dass der erste Höchstbietende bis zum Auktionsende mehrfach überboten wird. Auch der Höchstbietende weiß, dass ein anderer Interessent ihn jederzeit überbieten kann und ein Kaufvertrag nicht zustande kommt. Diese Tatsache gilt auch dann, wenn er, wie im verhandelten Fall, vor Auktionsende mehr als 48 Stunden der Höchstbietende bleibt.
Solange ein Interessent Höchstbietender ist, den Zuschlag vor Auktionsende jedoch noch nicht erhalten hat, kommt ein rechtsverbindlicher Vertrag mit dem Verkäufer nicht zustande, die Übersendung einer Widerrufsbelehrung entfällt. Die Übersendung der Widerrufsbelehrung in Textform innerhalb von 49 Stunden nach Auktionsende und Vertragsabschluss erfolgt nach Ansicht der Richter unverzüglich, wie in § 355 Abs. 2 BGB gefordert. § 10.1 der eBay-AGB stützt diese Rechtsauffassung, indem er besagt, dass bei vorzeitiger Beendigung oder regulärem Ablauf der Auktion der Höchstbieter den Zuschlag erhält und ein rechtsverbindlicher Vertrag über den Erwerb des Artikels mit dem Verkäufer zustande kommt.
Fazit
Die Richter orientieren sich an der gängigen Geschäftspraxis von eBay und haben ein Urteil gefällt, das der Realität Rechnung trägt und die Position der gewerblichen Verkäufer stärkt. Die Widerrufsfrist bei eBay beträgt regelmäßig 14 Tage.
Die Klägerin geht offensichtlich davon aus, dass ein Vertrag zwischen dem Verkäufer und dem Höchstbietenden bereits vor Auktionsende zustande kommt, was eine umgehende Übersendung einer Widerrufsbelehrung erfordern würde. Ist jemand über einen längeren Zeitraum von 48 Stunden Höchstbietender, müsste er während der laufenden eBay-Auktion vom Verkäufer eine Widerrufsbelehrung erhalten, weil ein rechtswirksamer Vertrag zwischen den Parteien zustande gekommen ist. Wird dieser Bieter innerhalb der laufenden Auktionszeit jedoch von einem weiteren Interessenten überboten, kommt auch mit diesem potentiellen Käufer ein Vertrag zustande und der erste erlischt. Folgt man der Rechtsauffassung der Klägerin, auf der sie ihre Ansprüche gegen die Beklagte stützt, kommen mehrere Verträge mit aufschiebender Wirkung zustande. Der Verkäufer müsste sein Angebot rund um die Uhr beobachten, um stets darüber informiert zu sein, wer gerade Höchstbietender ist. Diese Rechtsauffassung widerspricht der gängigen eBay-Geschäftspraxis und ist darüber hinaus nicht umzusetzen, da dem Verkäufer die Identität erst mit dem Zuschlag bei Auktionsende bekannt gegeben wird.
OLG Hamm, Urteil vom 10.01.2012, Az. I-4 U 145/11