Unlautere Abwerbung von Kunden
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass ein Abwerben nicht unlauter ist, wenn der Abwerbende Adressen von Unternehmen verwendet, die öffentlich zugänglich und über das Internet abrufbar sind. Dies gilt auch, wenn diese Adressen zuvor dem Abwerbenden anvertraut worden sind.
In dem zu entscheidenden Fall betrieb der Inhaber einer Tankstellenkette in einem Teil seiner Tankstellen einen Backshop. Die Backwaren wurden von den Tankstellenpächtern eigenständig und auf eigene Rechnung verkauft. Dabei bezogen die Pächter die Produkte von der Tankstellenkette, die ihrerseits von einer bestimmten Bäckerei beliefert wurde. Praktisch war es jedoch so, dass die Pächter bei diesem Lieferanten direkt die benötigten Backwaren bestellten und die Tankstellen dann auch direkt von der Bäckerei beliefert wurden. Nachdem der Inhaber der Tankstellenkette zu einem anderen Lieferanten gewechselt hatte, schrieb der frühere Lieferant die betreffenden Tankstellenpächter in einem Rundschreiben an. In diesem Rundschreiben bot er den Pächtern eine weitere künftige Zusammenarbeit an. Dabei verwendete er die Adressen, die ihm durch die Tankstellenkette übermittelt worden waren.
Die Tankstellenkette war der Ansicht, dass das Versenden der Rundschreiben an ihre Pächter unter Anbieten einer Jahresrückvergütung einen Wettbewerbsverstoß darstellt. Nachdem sich der vormalige Lieferant weigerte, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterschreiben, machte der Inhaber der Tankstellenkette seinen behaupteten Unterlassungsanspruch vor Gericht geltend.
Das OLG Frankfurt war der Ansicht, dass hier kein Unterlassungsanspruch besteht und wies die Klage des Inhabers der Tankstellenkette ab.
Nach § 4 Nr. 4 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) handelt unlauter, "wer Mitbewerber gezielt behindert". Ein Fall der unlauteren Behinderung von Mitbewerbern kann das Abwerben von Kunden sein, jedoch nur "bei Hinzutreten besonderer, die Unlauterkeit begründenden Umstände", so das Gericht. Solche besonderen Umstände wären vor allem bei einem besonderen Vertrauens- oder Loyalitätsverhältnis, wie zum Beispiel ein früheres Arbeitsverhältnis, gegeben. Ebenso wurde von der Rechtsprechung ein unlauteres Abwerben bejaht, wenn der Mitbewerber "das ihm anvertraute wertvolle Adressmaterial zweckwidrig und zielgerichtet für die Abwerbung einsetzt".
Da es sich bei den Adressen der Tankstellenfilialen um Adressen handelt, die jederzeit öffentlich im Internet abrufbar sind, sah das OLG Frankfurt hier keine besonderen Umstände, die zu einem Wettbewerbsverstoß führen. Insbesondere handele es sich im vorliegenden Fall auch nicht um wertvolles Adressmaterial. Auch die Tatsache, dass das Recherchieren der einzelnen Adressen einen nicht unbeträchtlichen Aufwand für den Mitbewerber erfordert, änderte nichts an der Rechtsansicht der Richter. Insbesondere, so das Urteil, ginge die Loyalitätspflicht des ursprünglichen Lieferanten nicht so weit, dass dieser nicht den Pächtern gegenüber die Fortsetzung der Belieferung mit Backwaren hätte anbieten dürfen.
Ebenso verneinte das OLG die von der Klägerin behauptete Irreführung des Rundschreibens im Sinne von § 5 UWG. Die Klägerin war der Ansicht, die Rundschreiben seien irreführend, weil hierin eine weitere Zusammenarbeit angeboten wird, obwohl bisher ein Liefervertrag nur mit dem Inhaber der Tankstellenkette, und nicht mit den einzelnen Pächtern, bestanden hatte. Da zwar die Belieferung mit Backwaren direkt durch die Bäckerei erfolgte, jedoch die Rechnungen durch die Tankstellenkette ausgestellt wurden, sei - so das Gericht - auch dem juristisch nicht vorgebildeten Pächter offensichtlich, dass ein Vertragsverhältnis nur mit dem Inhaber der Tankstellenkette bestand.
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.01.2016, Az.: 6 U 21/15