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"Privatverkäufer” muss Umsatzsteuer abzuführen

BFH, Urteil vom 26.04.2012, Az. V R 2/11


"Privatverkäufer” muss Umsatzsteuer abzuführen

Müssen private Verkäufer bei eBay auf ihre Verkäufe Umsatzsteuer entrichten? Unter bestimmten Bedingungen ist die Entrichtung der Umsatzsteuer zu bejahen, wenn mit einer Vielzahl getätigter Verkäufe über einen längeren Zeitraum eine unternehmerische Tätigkeit mit nachhaltigen Gewinnen anzunehmen ist. Die Wiederverkaufsabsicht beim Bezug der Waren ist jedoch kein maßgebliches Kriterium.

Verkaufen private Verkäufer über einen längeren Zeitraum regelmäßig eine große Anzahl von Gegenständen über die Internetplattform eBay liegt eine unternehmerische und umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit vor. Bei einer regelmäßigen Veräußerung von Waren in erheblichen Umfang liegt keine private Vermögensverwaltung mehr vor, wenn der private Händler den Absatz seiner Ware aktiv mit ähnlichen Mitteln wie gewerbliche Verkäufer im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG vorantreibt. Private Verkäufer dürfen in dieser Hinsicht keine Wettbewerbsvorteile gegenüber gewerblichen Verkäufern haben.

Ein Ehepaar veräußerte über eBay Waren verschiedener Produktgruppen in großer Anzahl über einen Zeitraum mehrerer Jahre und erzielte Umsätze in beträchtlicher Höhe. Das Finanzamt stufte die Tätigkeit des Ehepaares als nachhaltige unternehmerische Tätigkeit ein und ordnete die Entrichtung der entsprechenden Umsatzsteuer an. Der Bundesgerichtshof nimmt bei der vorliegenden erheblichen Anzahl getätigter Verkäufe des Ehepaars über eBay eine unternehmerische und nachhaltige Tätigkeit an, die unter die Umsatzsteuervorschrift fällt. Ob eine nachhaltige Verkaufstätigkeit vorliegt oder nicht, ist im Einzelfall nach dem Gesamtbild der Situation zu beurteilen, wobei verschiedene und nicht abschließende Kriterien zugrunde zu legen sind.

Vor diesem Urteil bestand keine höchstrichterliche Rechtsprechung hinsichtlich dieser Thematik. Der Hauptzweck dieses Urteils besteht darin, eine private Vermögensverwaltung von einer nachhaltigen unternehmerischen Tätigkeit und damit der Erbringung steuerbarer Leistungen gemäß §§ 1 und 2 UStG abzugrenzen. Eine Unternehmereigenschaft im Sinne des Umsatzsteuergesetzes liegt immer dann vor, wenn wirtschaftliche Tätigkeiten mit der Absicht, Gewinne zu erzielen ausgeführt werden. Die Grenze der privaten Vermögensverwaltung hin zur unternehmerischen Tätigkeit ist überschritten, wenn der Verkäufer aktive Schritte zur Vermarktung der angebotenen Gegenstände unternimmt. Dabei ist das Gesamtbild zu beurteilen, wozu die Anzahl der durchgeführten Verkäufe, realisierte Gewinne, Marktbeteiligung, Werbemaßnahmen, Unterhaltung eines Ladenlokals, planmäßiges und intensives Tätigwerden sowie die Veräußerungsdauer gehören. Ob bereits bei Anschaffung der Ware eine Wiederverkaufsabsicht bestand oder nicht, ist für die Beurteilung kein Alleinstellungsmerkmal. Das Gesamtbild der durchgeführten Tätigkeiten muss auf eine nachhaltige unternehmerische Tätigkeit hindeuten.

In dieser Hinsicht sind häufig private Verkäufer von großen privaten Sammlungen betroffen, bei denen aufgrund der Vielzahl der getätigten Verkäufe und der Höhe der erzielten Umsätze eine Umsatzsteuerpflicht angenommen wird, selbst wenn sich die Verkäufe nur auf Produkte dieser einen Sammlung beschränken, die ohne Wiederverkaufsabsicht angeschafft oder vererbt wurde. Der wichtige Tatbestand der nachhaltigen unternehmerischen Tätigkeit liegt hier nicht vor. Schwierig wird es für private Verkäufer in dem Moment, wo der gelegentliche private Verkauf die Grenze zur unternehmerischen Tätigkeit überschreitet. Der BFH hatte schon zuvor entschieden, dass Briefmarken- und Münzsammler nicht als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes anzusehen sind, wenn sie nicht wie Händler auftreten und ihre Sammlung „en Bloc“ verkaufen. Gelegentliche Privatverkäufe ohne die Realisierung von Gewinnen sind für das Finanzamt dagegen uninteressant.

Wer eine mehrjährige intensive Verkaufstätigkeit bei eBay ausübt, die zu umfangreichen Umsätzen führt, erbringt eine steuerbare Leistung nach §§ 1 und 2 UStG. In diesem Fall liegt keine private Vermögensverwaltung mehr vor, sondern eine umsatzsteuerpflichtige gewerbliche Tätigkeit. Die Verkäufer werden jedoch in mancherlei Hinsicht doppelt besteuert, wenn sie die Gegenstände tatsächlich ohne Wiederveräußerungsabsicht von anderen Unternehmen erworben wurden, wovon bei diesem großen Veräußerungsumfang zumindest teilweise auszugehen ist. Die Verkäufer kommen daher nicht in den Genuss des Vorsteuerabzuges (§ 15 UStG) für Wiederverkäufer. Sowohl der An- als auch der Verkauf werden mit dem jeweils geltenden Umsatzsteuersatz belastet, da eine „Einlagenentsteuerung“ im Umsatzsteuerrecht nicht vorgesehen ist. Im Fall einer Wiederveräußerungsabsicht zum Zeitpunkt des Erwerbs der Waren hätte das Ehepaar bei eBay gemäß § 25 UStG die Differenzbesteuerung beanspruchen können. In diesem Fall geht nur der Differenzbetrag zwischen Ein- und Verkaufspreis in die Steuerbemessung berücksichtigt.

BFH, Urteil vom 26.04.2012, Az. V R 2/11


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