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Mundspülungen und Arzneimittelgesetz

Mundspülungen können je nach Inhaltsstoffen dem Arzneimittelgesetz unterliegen


Mundspülungen und Arzneimittelgesetz

Das Oberlandesgericht Hamm wies mit einem Urteil vom 05. Dezember 2013 die Berufung eines Herstellers von Mundspüllösungen zurück, der erstinstanzlich dazu verpflichtet wurde, für den Vertrieb des Produktes eine arzneimittelrechtliche Zulassung zu beschaffen. Geklagt hatte ein Konkurrenzunternehmen, das aufgrund der pharmakologischen Wirkung der Flüssigkeit einen Verkauf als Arzneimittel für notwendig ansah.

Mit Bezug auf das Arzneimittelgesetz und des EU-Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel bestätigte das Oberlandesgericht die Einstufung des Produkts als Arzneimittel, da es nicht nur "physiologische Funktionen" bedeutend beeinflusst, sondern auch eine Wirkung auf "zelluläre Bestandteile" im Körper der Nutzer, in diesem Fall eine Reduktion der Vermehrung von Bakterien, erkennbar ist. Auch die Erlaubnis, das betroffene Mittel Chlorhexidin in geringen Konzentrationen als Konservierungsmittel in Kosmetikprodukten einzusetzen, ändert an dieser Auffassung nichts.

Die beklagte Firma wehrte sich mit der Berufung gegen die Einstufung mit dem Hinweis auf eine Vielzahl anderer kosmetischer Produkte, deren Wirkung ebenfalls antibakteriell ist, die Bekämpfung von Bakterien also keine signifikante Beeinflussung der Körperfunktionen darstellt. Das Unternehmen stritt zwar nicht ab, dass ihr Produkt antibakteriell wirkt, EU-Richtlinien allerdings Kosmetikprodukte zulässt, deren Hauptziel die Reinigung bestimmter Körperregionen, darunter auch die Mundhöhle, ist und die Wirkung primär Bakterien beseitigt, die sich auf der Mundschleimhaut finden, also noch nicht in den Organismus des Nutzers eingedrungen sind. Auch fehle eine direkte Wechselwirkung zwischen Substanz und Organismus, da dieses rein oberflächlich wirkt und die Konzentration des Stoffes, die noch unter dem erlaubten Grenzwert für Konservierungszwecke liegt, sei daher auch nicht hoch genug, um eine nennenswerte physiologische Wirkung zu vermuten.

Die Kläger verwiesen in der Verhandlung zunächst auf zwei ähnliche Entscheidungen der Oberlandesgerichte Frankfurt und Köln, die zwischen dem erstinstanzlichen Verfahren und der Berufung chlorhexidinhaltige Mundspüllösungen, in einem Fall mit der gleichen Konzentration, als Arzneimittel einstuften. Auch deuteten sie auf die Nebenwirkungen der umstrittenen Substanz hin, aufgrund derer das Produkt nicht für den alltäglichen Gebrauch, sondern primär als gezielte Therapie eignet.

Das Landgericht argumentierte mit Bezug auf ein Gutachten des Bundesgesundheitsministeriums, dass Chlorhexidin durch die keimunterdrückende Wirkung bei Infektionen des Mundraums die Selbstheilungsfähigkeiten des Körpers unterstützt werden, also physiologische Prozesse des Körpers grundlegend betroffen sind. Die Definition des Europäischen Gerichtshofs sei auch so zu verstehen, dass eine Wirkung auf Bakterien, die sich nicht im Organismus des Anwenders befinden, als ausreichend für eine Einstufung als Arzneimittel zu verstehen ist.

Die Richter in Hamm bestätigten die Ausführungen der ersten Instanz und fügten hinzu, dass der Verkauf des Produktes als "Spezialpflege bei Zahnfleischentzündungen", der Hinweis auf der Umverpackung, dass eine längere Nutzung nur auf zahnärztlichen Rat erfolgen soll und Betonung der medizinischen Wirksamkeit durch die Beklagten auf die Wirkung des Produkts hinweise. Auch der Vergleich der Lösung mit anderen, antibakteriell wirkenden Kosmetikprodukten ist laut OLG unzureichend, da nicht bewiesen werden konnte, dass auch reguläre Mundhygiene eine dem Produkt ähnlich bakterizide Wirkung haben kann oder das im Fall einer Infektion die Mundspülung keine Linderung verschaffen würde, die nicht auch durch andere, nicht-arzneilich wirkende Mittel hervorgerufen werden kann. Die Zulassung Chlorhexidins als Konservierungsmittel ist auch nicht dahin gehend aufzufassen, dass es keine medizinische Wirkung besitzt, sondern lediglich, dass eine Nutzung für nicht-medizinische Zwecke keine zusätzliche Genehmigung benötigt.

Zuletzt erwähnte das OLG noch die in der EU-Richtlinie enthaltene "Zweifelsregelung", die in unsicheren Fällen die Maßstäbe des strengeren Arzneimittelgesetzes erfordert.

OLG Hamm, Urteil vom 05.12.2013, Az. 4 U 70/13


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