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Kein lustiges Leben in der Lounge

AG München, Urteil vom 27.02.2014, Az. 213 C 3193/13


Kein lustiges Leben in der Lounge
Mit dem Angebot eines kostenlosen Aufenthalts in speziellen Lounges wollen Bahn- und Fluggesellschaften Vielreisenden und Businesskunden einen besonderen Reisekomfort verschaffen und sie längerfristig an ihr Unternehmen binden. Doch kostenloser Service lockt auch Menschen an, die daraus einseitig Vorteile ziehen wollen. Dazu hat jetzt das Amtsgericht München ein wegweisendes Urteil gefällt (Urteil vom 27. Februar 2014, Az. 213 C 31293/13). 

Ein Münchener hatte bei einer Fluggesellschaft ein One-Way Ticket in der Business-Class im Wert von 744 Euro gebucht. Ein solches Ticket berechtigt nach dem Check-In zum Besuch der Business-Lounge der Gesellschaft, in der man kostenfrei Essen, Trinken und weitere spezielle Serviceleistungen genießen kann. Das Ticket sichert dem Kunden aber auch eine besondere Flexibilität zu: Noch nach dem Check-In kann er bei Bedarf seinen Flug kostenfrei umbuchen. Von dieser Möglichkeit machte der Münchner nach einem Lounge-Besuch insgesamt 35 Mal Gebrauch. Die Fluggesellschaft stornierte daraufhin das Ticket und erstattete den Kaufpreis abzüglich einer Gebühr von 35 Euro. Der Münchner erwarb jedoch ein weiteres Ticket und nahm wieder den Dienst der Business-Lounge in Anspruch, ohne die gebuchte Reise anzutreten. Die Fluggesellschaft stornierte erneut das Ticket und verlangte zudem die Zahlung von 1980 Euro für die Lounge-Besuche. Denn ihrer Ansicht nach habe der Münchener die Lounge unberechtigt genutzt, weil er von vornherein nicht die Absicht gehabt habe, für die gebuchte Flugreise zu benutzen. Je Lounge-Besuch berechnete die Gesellschaft daher den Betrag von 55 Euro. Da der Münchener die Zahlung verweigerte, landete der Fall vor dem Münchner Amtsgericht. 

Der Beklagte begründete seine Zahlungsverweigerung mit dem Argument, das erworbene Ticket sehe keine Beschränkungen für die Zahl der Umbuchungen vor. Dementsprechend sei er berechtigt, die Lounge beliebig häufig zu besuchen. Die Münchener Amtsrichter gaben jedoch der Klage der Fluggesellschaft statt und verurteilten den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz. Ihrer Ansicht nach schulde ein Kunde mit dem Kauf eines Tickets nicht nur die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises, vielmehr habe er auch eine Mitwirkungspflicht. Denn er müsse es der Fluggesellschaft auch ermöglichen, ihren Teil der vertraglich vereinbarten Leistung, nämlich die Beförderung des Kunden, zu erfüllen. Der Beklagte habe nach Auffassung des Gerichts gegen die allgemeine Treuepflicht verstoßen, wenn er der Fluggesellschaft die Vertragserfüllung, also die Beförderung verweigert oder wenn er von Anfang an gar nicht die Absicht hatte, die gebuchte Reise anzutreten. Eine Verletzung der Treuepflicht liege insbesondere dann vor, wenn dem Vertragspartner vor der vereinbarten Leistungserbringung bereits Kosten entstehen, indem er etwa dem Kunden einen Lounge-Besuch mit kostenlosen Mahlzeiten, Getränken und anderen Dienstleistungen ermöglicht. Auch wenn die Vertragsbedingungen die Zahl der möglichen Umbuchungen nicht beschränken, bedeute es nicht, dass der Kunde unbegrenzt die mit dem Ticket verbundenen Serviceleistungen in Anspruch nehmen kann. Die offene und flexible Ausgestaltung des Business-Class-Tickets ist ein besonderes Angebot an Geschäftskunden, um deren beruflichen Anforderungen der mitunter auch sehr kurzfristigen Umplanung von Reisen entgegenzukommen. Der Beklagte habe dagegen diese Serviceleistung bewusst vertragswidrig ausgenutzt, um die Business-Lounge mit ihren kostenfreien Angeboten besuchen zu können. Darin das Gericht ein pflichtwidriges, gesetzlich untersagtes Verhalten. 

Bei der Höhe des Schadensersatzanspruches der Klägerin hob das Gericht hervor, dass es nicht auf die Höhe der tatsächlich in Anspruch genommenen Leistungen während der Lounge-Besuche, sondern auf den angerichteten Vertrauensschaden ankomme. Dies beziehe sich in erster Linie auf die Investitionen, die im Vertrauen auf die Vertragstreue des Vertragspartners getroffen werden und die sich als nutzlos erweisen, wenn der Vertrag aufgrund des treuewidrigen Verhaltens eines Kunden nicht im vollen Umfang erfüllt werden kann. Deshalb folgte das Gericht der Klägerin und setzte die Höhe des Schaden auf 55 Euro je Besuch fest. Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig. 

AG München, Urteil vom 27.02.2014, Az. 213 C 3193/13 


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