GEMA haftet bei ungewissen Verteilungsplänen
Mit einem Urteil vom 24. September 2013 entschied der Bundesgerichtshof, dass die GEMA einem Künstler aufgrund eines später für unwirksam erklärten Verteilungsplanes nicht gezahlte Vergütung nachträglich verzinsen muss, da der Plan aus einer unsicheren Rechtslage heraus erstellt wurde und willkürliche Unterscheidungen traf.
Vor Gericht stand die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte und ein Komponist. Die GEMA, die im Auftrag von Musikern und ähnlichen Künstlern deren Verwertungsrechte verwaltet, verrechnet und verteilt anhand von Verteilungsplänen die Einnahmen an die Künstler. Diese Pläne werden von Mitgliederversammlungen beschlossen und sind laut Vertrag auch nach Änderungen weiterhin gültig. Der Künstler, der Werbemusik komponiert, warf der GEMA Benachteiligung vor.
Diese änderte die Verteilungspläne dahin gehend, dass zwischen zwei Arten der Werbung unterschieden wird: traditionelle Werbespots und "sonstige Werbefilme", die unter anderem Eigenwerbung für Fernsehsender oder Dauerwerbesendungen beinhalten. Diese Kategorien werden unterschiedlich vergütet, wogegen der Komponist bereits 2003 Beschwerde einlegte, da er in der Änderung eine willkürliche Benachteiligung sah. Nach einer gerichtlichen Klage wurde dem Künstler in zweiter Instanz recht gegeben, da die GEMA die Unterscheidung nicht ausreichend begründen konnte. Dies sei nicht nur willkürlich, sondern verstoße nach Auffassung der Kammerrichter auch gegen das Kartellrecht. Daraufhin zahlte die Gesellschaft dem Künstler nachträglich etwa eine halbe Millionen Euro.
Mit einer erneuten Klage verlangte der Komponist die zusätzliche Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von etwa 100.000 €. Da der Irrtum der GEMA ein Verschulden der Gesellschaft ausschließt, sieht diese die Forderung als nicht gerechtfertigt und Teile der Zinsansprüche als verjährt an. Das Landgericht stimmte dem letzten Punkt zu und verurteilte die Gesellschaft zu einer Teilzahlung. In der Berufung ersuchte die GEMA die Abweisung der Klage, was zunächst verneint wurde.
Der Bundesgerichtshof gab dem klagenden Künstler recht. Grundsätzlich bestand ein Schuldverhältnis, das die Zahlung von Zinsen rechtfertigt. Dass die GEMA fremdnützig und nicht eigennützig tätig ist, mindert nicht Haftung. Auch schließen die Richter ein Verschulden nicht vollständig aus. Zwar wurde der benachteiligende Verteilungsplan treffend als "Rechtsirrtum" eingeordnet, dieser befreit die Betroffenen jedoch nur dann von der Schuld, wenn eine abweichende Beurteilung durch die Gerichte nicht zu erwarten gewesen wäre. Da zum Zeitpunkt noch keine offizielle Rechtslage den Plan betreffend bestand, befand sich der Fall in einen Grenzbereich, die Gesellschaft hätte also mit einer abweichenden rechtlichen Beurteilung rechnen müssen. Daran ändert auch eine Billigung durch die Aufsichtsbehörde nichts, nicht zuletzt aufgrund der rechtlichen Bedenken, welche die Behörde in der Billigung erwähnte.
Da die Entlohnung der Künstler unmöglich auf individueller Basis berechnet werden kann, ist eine Einteilung der Werke in Kategorien notwendig. Dabei entstehen unweigerlich Interessenkonflikte, welche die GEMA auszugleichen hat. Um diese erfahrungsgemäß schwierige Aufgabe zu erleichtern, wird der Gesellschaft bereits ein großer Spielraum bei der Erstellung der Vergütungspläne gewährleistet. Lediglich Willkür wird explizit untersagt. Aufgrund dieser großen Entscheidungsfreiheit sah das Gericht keinen Grund, im Falle des vorliegenden Verstoßes gegen das Willkürverbot mildernde Faktoren anzuerkennen und die GEMA von ihrer Schuld zu befreien.
Eine sorgfältige Beurteilung hätte die Gesellschaft die problematische Rechtslage erkennen lassen müssen. Die willkürliche Handlung wird als Verletzung der Interessen der Künstler angesehen. Zu dem Problem der Verjährung der Zinsen hat sich der Bundesgerichtshof nicht geäußert und den Fall zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückgegeben.
BGH, Urteil vom 24.09.2013, Az. I ZR 187/12