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Fehlens einer wissenschaftlichen Belegbarkeit

Wird mit wissenschaftlich nicht bewiesenen Wirkungen geworben, ohne darauf hinzuweisen, so liegt Irreführung vor


Fehlens einer wissenschaftlichen Belegbarkeit

Eine irreführende Werbung liegt dann vor, wenn eine wissenschaftlich nicht bewiesene oder strittige Wirkung zur Werbung herangezogen wird, ohne auf diese Strittigkeit in der Werbung hinzuweisen.

In vorliegendem Fall wurde ein eingetragener Kaufmann, der seine Ware auf einer Internetblattform angeboten hatte, von einem Verband, der Unternehmen mit gleichem Geschäftsfeld vertritt, auf Unterlassung verklagt. Die angebotene Ware sollte durch eine nicht wissenschaftlich bewiesene elektromagnetische Wirkung dazu führen, dass Wasser entkalkt würde, was eine entsprechend positive Wirkung sowohl auf die Wasserleitungen als auch auf Haushaltsgeräte sowie eine damit verbundene Energie- und Kosteneinsparung mit sich bringen sollte. Der beklagte Kaufmann hatte hierzu die Herstellerbeschreibungen übernommen, ohne diese weiter auf die wissenschaftliche Richtigkeit zu überprüfen. Der klagende Verband wiederum hatte den Werbeaussagen widersprochen und als Beweise mehrere, auch bereits von Gerichten herangezogene Studien vorgelegt, die entweder keine entsprechende Wirkung oder sogar eine nachteilige Wirkung nachgewiesen hatten. Der Beklagte bot daraufhin an, einen Sachverständigen einzusetzen, der die Wirksamkeit belegen sollte.

Das Gericht stellt hierzu fest, dass der beklagte Händler es unterlassen habe, in seiner Werbung eindeutig auf die umstrittene Wirkung hinzuweisen. Dies hätte jedoch erfolgen müssen, um eine Irreführung zu vermeiden. Da der Verband zur Klageführung berechtigt sei und er dabei umfangreich durch wissenschaftliche Studien die Unwirksamkeit oder gar gegenteilige Wirkung belegen könne, sei es außerdem nicht mehr notwendig, einen Sachverständigen heranzuziehen. Der Beklagte hätte nämlich bereits vor der Veröffentlichung seiner Werbung dafür Sorge tragen müssen, eigene wissenschaftliche Studien zu besorgen, welche die Wirksamkeit belegten. Dies sei jedoch nicht der Fall. Eine Bestellung eines Sachverständigen komme daher nicht mehr in Betracht, da durch das Fehlen der wissenschaftlichen Belege bereits bei der Veröffentlichung der Werbung eine Irreführung vorgelegen habe.

Es ist in diesem Zusammenhang auch unschädlich, dass dem Verband selbst Mitbewerber angehören, die ähnlich umstrittene Geräte anbieten, da nach gängiger Rechtsauffassung die Klage durch „unclean hands“ in Wettbewerbsstreitigkeiten unbeachtlich sei, insbesondere dann, wenn auch öffentliche Interessen betroffen sind. Dies ist aber bei medizinischen oder Themen der Gesundheit oder Umwelt (hier: Wasser) immer der Fall.

Weiterhin greife die Argumentation des Beklagten, die besagten Gutachten und Studien würden sich nicht auf das von ihm beworbene Gerät beziehen, auch deshalb nicht, weil diese wissenschaftlichen Untersuchungen belegten, dass die vom Beklagten beworbene Wirkung grundsätzlich, also egal in welcher Gerätekonstellation, unwirksam sei. Einen Gegenbeweis hätte auch hier der Beklagte bereits im Vorfeld führen müssen, nicht erst durch die Bestellung eines Gerichtssachverständigen während des Verfahrens.

Das Gericht betont in diesem Zusammenhang, dass der Beklagte dadurch, dass er die Wirksamkeit seines beworbenen Produktes nicht von vorneherein als umstritten bezeichnete, die „Verantwortung für die objektive Richtigkeit“ seiner Werbeaussagen übernommen habe. In diesem Falle müsse aber eben er die Beweislast tragen, nicht der Kläger (BGH, GRUR 1991, 848).

Es bleibt also festzuhalten, dass ein Anbieter sich auch dann einer irreführenden Werbung schuldig macht, wenn er die Wirksamkeit seines Produktes wissenschaftlich nicht belegen kann, egal ob der Produzent dieses Produktes dies behauptet oder nicht. Eines Sachverständigengutachtens bedarf es in diesem Zusammenhang dann nicht, wenn der Kläger die wissenschaftliche Bestreitbarkeit durch entsprechende Studien oder Gutachten belegen kann und der Beklagte bereits vor dem Prozess – also zum Zeitpunkt der Werbung selbst – sich nicht bereits über entsprechende wissenschaftliche Belege über die Wirksamkeit, mit der er wirbt, beweiskräftig informiert hat. Dies wirkt umso stärker, wenn es sich bei der Werbung um medizinische-, gesundheitsrelevante- oder Umweltthemen handelt, die ein öffentliches Interesse begründen. Weiterhin ist in Fällen, in denen der Werbende scheinbar wissenschaftliche Äußerungen trifft, er für die objektive Richtigkeit dieser Aussage verantwortlich und muss daher den Beweis dieser Richtigkeit erbringen, nicht der Kläger.

LG Stuttgart, Urteil vom 17.02.2012, Az.: 31 O 47/11 KfH


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