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Beginn der Widerrufsfrist bei Übergabe an Nachbarn

AG Winsen, Urteil vom 28.06.2012, Az. 22 C 1812/11


Beginn der Widerrufsfrist bei Übergabe an Nachbarn

Das Amtsgericht (AG) in Winsen hat mit seinem Urteil vom 28.06.2012 unter dem Az. 22 C 1812/11 entschieden, dass der Beginn der Frist für einen Widerruf eines Fernabsatzgeschäftes nach § 355 BGB noch nicht eintritt, wenn der Lieferant die Sache bei einem Nachbarn abgibt, der nicht über eine Empfangsvollmacht verfügt. Die Frist beginnt erst dann zu laufen, wenn der Adressat die Ware ausgehändigt erhält. Über die Frage, ob Pakete überhaupt bei einem Nachbarn hinterlassen werden dürfen, haben sich mehrere Oberlandesgerichte bereits geäußert; darunter auch das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 14.03.07, Az. I-18 U 163/06 und das OLG Köln mit Urteil vom 02.03.11, Az. 6 U 165/10.

Damit hat das AG die Beklagte verurteilt, 385,50 Euro an die Klägerin zu zahlen.
Der Kaufpreisanspruch der Beklagen sei nicht begründet. Die Parteien schlossen einen Kaufvertrag über Waren, den die Klägerin fristgerecht und damit wirksam widerrufen habe (maßgeblich sind die §§ 312 d, 355 BGB). Nach § 312 d BGB stehe dem Käufer eine Widerrufsfrist von zwei Wochen zu. Diese Frist beginne bei „Lieferung von Waren nicht vor deren Eingang beim Empfänger“.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Frist schon mit Abgabe der Ware bei der Nachbarin der Klägerin am 04.08.11 zu laufen begann. Das sei jedoch nicht zutreffend. „Eingang beim Empfänger“ bedeute aus Sicht der einschlägigen Kommentatoren, dass die Sache den Empfänger erreicht haben müsse. Mit Übergabe an den Empfänger sei die Sache abgeliefert, so dass dieser die Ware auch prüfen könne. Beim Versendungskauf sei die Sache abgeliefert, wenn sie tatsächlich übergeben werde. Das bedeute, dass der Empfänger die Ware in der Weise erhalten haben müsse, dass er die Möglichkeit habe, sie zu prüfen und zu entscheiden, ob er sein Recht auf Widerruf ausüben möchte oder nicht. Das sei dann der Fall, wenn die Sache im Haushalt des Käufers eingegangen sei. Bei der Abgabe bei einem Nachbarn sei das nicht der Fall. Wie bei formellen Zustellungen könne als Zustallung nicht eine Abgabe in der Nachbarschaft gelten. Anderes gelte nur dann, wenn der Nachbar über eine Vollmacht verfüge, die Sendungen entgegenzunehmen. Diese Vollmacht müsste dann dem Paketdienst auch vorgelegt werden. Ein Indiz für eine Vollmacht wäre es auch, dass der Käufer mit seinem Nachbarn vereinbart habe, was dieser bei wichtigen und fristgebundenen Sendungen tun soll und darf. Anderenfalls sei die Auslieferung nicht als Zugang beim Käufer zu bewerten.

Diese Sicht sei auch zum Schutz des freundlichen und hilfsbereiten Nachbarn sinnvoll. Er solle nicht als Bevollmächtigter des Käufers auftreten, mit der Folge, dass dieser ggf. rechtliche Schritte gegen ihn einleiten müsste. Er soll nicht fristauslösende Briefe öffnen, um zeitnah zu reagieren. Er soll auch nicht Ware rechtzeitig prüfen müssen und ggf. Widerspruch erheben.
Vorliegend habe die Klägerin durch Übersendung der Ware bestimmt, dass ihr die Ware zu übergeben sei. Wenn der Paketdienst die Ware beim Käufer vor die Haustür lege oder sie in der Nachbarschaft abgebe, so sei die Ware eben nicht ordnungsgemäß zugestellt worden.

AG Winsen, Urteil vom 28.06.2012, Az. 22 C 1812/11


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