Aufrufbarkeit einer beanstandeten Website über Cache-Speicher
Suchmaschinen durchforsten das Internet nach Webseiten und speichern deren Inhalt in ihrem Cache. Wird eine Webseite geändert, registrieren Suchmaschinen dies nicht sofort. Suchresultate beziehen sich daher noch eine gewisse Zeit lang auf den ursprünglichen Zustand der Seite. Besondere Bedeutung hat dieser Umstand für Unterlassungsvereinbarungen. Selbst wenn der Unterlassungsschuldner die beanstandete Äußerung auf seiner Webseite entfernt, lässt sie sich unter Umständen weiterhin aus dem Cache der Suchmaschine abrufen. Daher stellt sich die Frage: Muss der Unterlassungsverpflichtete von Suchmaschinenbetreibern die Entfernung dieser Inhalte verlangen? Nein, meint das Landgericht Halle in seinem Urteil vom 31. Mai 2012 (Az. 4 O 883/11).
Sachverhalt
Die Beklagte, eine Händlerin für Gartenspielgeräte, wollte Kunden anziehen, die von der Klägerin, einer Konkurrentin, enttäuscht waren. Dazu integrierte sie auf ihren Webseiten Metatags und Keywords wie "Ärger" und "Lieferprobleme", die sie mit dem Namen der Konkurrentin verknüpfte. Wer auf Google nach einem dieser Begriffe zusammen mit dem Namen der Konkurrentin suchte, erhielt Suchergebnisse der Beklagten.
Die Klägerin erachtete dieses Vorgehen als rufschädigend und mahnte die Beklagte ab. Deren Geschäftsführer unterzeichnete die vorformulierte Unterlassungserklärung der Klägerin. Diese enthielt keine Verpflichtung, Betreiber von Drittseiten wie Suchmaschinen zur Entfernung der beanstandeten Inhalte aufzufordern. Die Beklagte entfernte die problematischen Begriffe von ihren Webseiten. Sie verzichtete aber, von Google die Löschung der Seiten aus dem Cache zu verlangen.
In der Folge verwiesen die Ergebnisse der Google-Suche nach den streitgegenständlichen Begriffen weiterhin auf den Internetauftritt der Beklagten. Auch ließen sich über den Google-Cache die Seiten in ihrem Zustand vor Entfernung der rufschädigenden Begriffskombinationen abrufen. Die Klägerin sah in der Passivität der Beklagten gegenüber Google eine Verletzung der Unterlassungsvereinbarung und forderte sie zur Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe von 5.100 Euro auf. Da die Beklagte nicht zahlen wollte, versuchte die Klägerin ihren Anspruch gerichtlich durchzusetzen. Das Landgericht Halle wies die Klage jedoch zurück.
Urteilsbegründung
Das Landgericht begründet die Klageabweisung damit, dass sich die Beklagte nur verpflichtet habe, bestimmte Begriffe nicht mehr zu verwenden. Nach Abgabe der Unterlassungserklärung habe sie die fraglichen Begriffe nicht erneut benutzt. Sie habe deshalb nicht gegen die Unterlassungspflicht verstoßen.
Die Klägerin vertrat hingegen den Standpunkt, die Beklagte sei verantwortlich, dass die ursprüngliche Fassung weiterhin in den Suchresultaten von Google erscheine. Ihre Verantwortung leite sich daraus ab, dass sie die Suchergebnisse durch ihre eigenen Inhalte ausgelöst habe.
Diese Argumentation hält die 4. Zivilkammer des Landgerichts Halle für falsch. Die Vertragsstrafe könne nicht an eine Handlung anknüpfen, die vor Abgabe der Unterwerfungserklärung erfolgt sei, da zu dieser Zeit noch keine vertragliche Unterlassungspflicht bestanden habe.
In dem Punkt unterschieden sich vertraglich vereinbarte Unterlassungsansprüche von Unterlassungsansprüchen aufgrund einer unerlaubten Handlung oder einer Schutzrechtsverletzung. Da eine solche Handlung schon im Zeitpunkt der Begehung rechtswidrig sei, verpflichte sie den Täter zur Schadensbeseitigung. Diese beinhalte ein Einschreiten gegenüber Dritten, deren Aktivitäten durch die rechtswidrige Handlung des Täters verursacht worden seien.
Außerdem habe sich die Beklagte in ihrer Unterlassungserklärung nicht dazu verpflichtet, aktiv auf Dritte wie Google und andere Suchmaschinenbetreiber einzuwirken. Das Landgericht stützt diese Auffassung auf das BGH-Urteil vom 21. Oktober 2010 (Az. III ZR 17/10). Darin habe der Bundesgerichtshof klargestellt, dass sich aus einer Unterlassungsverpflichtung keine Beseitigungspflicht in Bezug auf Drittinhalte ableiten lasse.
Dies gilt nach Ansicht der Richter aus Halle umso mehr, als die Klägerin die Unterlassungserklärung selbst verfasst hatte. Daher dürfe die Beklagte erwarten, dass die Erklärung alle Punkte enthalte, die die Klägerin als Unterlassungsgläubigerin unter Vertragsstrafe stellen wolle.
Fazit
Mit seiner Überzeugung, die vertragliche Unterlassungspflicht umfasse, soweit nicht vereinbart, kein aktives Tätigwerden gegenüber Suchmaschinen, vertritt das Landgericht Halle in der aktuellen Rechtsprechung eine Minderheitsposition. Auch interpretiert es zu viel in die BGH-Entscheidung vom 21. Oktober 2010 (Az. III ZR 17/10) hinein. In diesem Fall hatten die Parteien bewusst verzichtet, eine Pflicht zur Löschung von Inhalten Dritter zu vereinbaren.
Inzwischen hat sich der Bundesgerichtshof nicht mehr explizit mit der Frage beschäftigt, inwieweit eine Unterlassungspflicht auch den Suchmaschinen-Cache erfasst. Wegweisend ist allerdings seine Vertragsstrafenklausel-Entscheidung (BGH, Urteil vom 13.11.2013, Az. I ZR 77/12). Der Bundesgerichtshof verlangt darin vom Unterlassungsschuldner, dass er gegenüber Dritten aktiv wird, wenn er annehmen muss, dass sie die gerügten Inhalte übernommen haben. Er leitet diese Pflicht – im Unterschied zum Landgericht Halle – aus der Rechtswidrigkeit der Handlung ab, die zur Unterlassungsvereinbarung führte.
LG Halle (Saale), Urteil vom 31.05.2012, Az. 4 O 883/11