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Zum Urheberrechtsschutz von Bildausschnitten

Landgericht Hamburg, Urteil vom 22.05.2020, Az. 308 S 6/18


Zum Urheberrechtsschutz von Bildausschnitten

Das Landgericht Hamburg urteilte am 22.05.2020, dass abgezeichnete Bildausschnitte nicht dem Urheberrecht unterliegen. Die Vervielfältigung eines abgezeichneten Bildausschnittes sei regelmäßig als freie Benutzung zu klassifizieren, soweit dem Bildausschnitt nur Lichtbildschutz nach § 72 UrhG zukomme.

Urheberrechtsschutz ja oder nein?
Klägerin war eine deutsche Nachrichtenagentur, Beklagter ein Onlineshop-Betreiber. Der Beklagte bot über seinem Shop unter anderem T-Shirts an. Auf einigen T-Shirts war der Ausschnitt eines Fotos der Klägerin – ein Soldat – aufgedruckt. Den Soldaten hatte der Beklagte aus der Fotografie abgezeichnet. Daneben fügte der Beklagte der Abbildung den Satz "Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal fürchte ich kein Unglück" ein. Die Klägerin machte die Verletzung ihrer ausschließlichen Nutzungsrechte aus der Fotografie geltend. Die Vorinstanz wies die Klage ab. Daher ging die Klägerin in Berufung.

Kein Schutz für ein Lichtbildwerk, aber für ein Lichtbild
Das Landgericht Hamburg befand, dass zwar die Fotografie als Lichtbildwerk grundsätzlich Urheberrechtsschutz genieße. Denn die sorgsam gestaltete Bildkomposition bringe ein ausreichendes Maß an persönlicher geistiger Schöpfung zum Ausdruck. Allerdings gelte dies nicht für den in Rede stehenden Bildausschnitt. Denn die Abbildung des Soldaten allein weise keine besonderen gestalterischen Elemente oder Besonderheiten auf, in denen ein besonderer schöpferischer Gehalt zum Ausdruck komme. Daher genieße der Bildausschnitt lediglich Lichtbildschutz nach § 72 UrhG. Danach seien auch kleinste Teile eines Fotos urheberrechtlich schutzfähig. Auf eine hinreichende Individualität komme es dabei aber nicht an; es genüge allein die rein technische Leistung.

Freie Benutzung des Soldaten
Das LG entschied, dass das Abzeichnen einer als bloßes Lichtbild geschützten Personen-Abbildung wegen des geringen Schutzumfanges als freie Benutzung einzuordnen sei. Denn der Fotograf habe die fotografierte Person nicht geschaffen. Daher besitze er an deren Umrissen und Gestalt grundsätzlich auch keine Rechte. Eine andere Beurteilung sei nur dann gerechtfertigt, wenn außer der fotografierten Person auch die besonderen Gestaltungsmittel der Fotografie (Licht und Schatten, Grautöne, Schärfen und Unschärfen etc.) und die ggf. individuelle Auswahl und Anordnung des Motivs (Gruppierung von mehreren Personen, Wahl des Blickwinkels etc.) in der Zeichnung wiederkehrt. So sei es aber vorliegend gerade nicht. Der aus dem Bild herausgelöste Soldat weise keinerlei besondere Gestaltungsmittel auf. Die Zeichnung sei erheblich abstrahiert und entpersonalisiert erfolgt. Zudem sei durch Hinzufügen des Textelementes („Und ob ich schon wanderte...“) auch ein neuer Assoziationsansatz geschaffen worden. Dadurch habe sich das Motiv im Ergebnis noch weiter von der Ausgangsabbildung entfernt.

InfoSoc-Richtlinie nicht anwendbar
Auch die Regelungen der InfoSoc-Richtlinie stehen diesem Ergebnis nicht entgegen, so das Gericht weiter. Zwar dürfe ein Mitgliedstaat in seinem nationalen Recht keine Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf die Vervielfältigungsrechte vorsehen. Allerdings falle die Figur des Soldaten schon gar nicht in den Schutzbereich der InfoSoc-RL. Zwar betreffe das Vervielfältigungsrecht nach dem ausdrücklichen Wortlaut auch Vervielfältigungen von Teilen des jeweiligen (Gesamt-)Schutzgegenstands. Allerdings müsse das vervielfältigte Teil Elemente enthalten, die die eigene geistige Schöpfung des Urhebers zum Ausdruck bringe. Dies sei aber vorliegend nicht der Fall. Vielmehr enthalte die aus dem Bildhintergrund herausgelöste Figur des Soldaten gerade keine eigenschöpferischen Elemente und daher keinen Werkschutz. Sie könne nur den Lichtbildschutz in Anspruch nehmen. Zwar werde in der InfoSoc-RL das Vervielfältigungsrecht über den Werkschutz hinaus auch auf weitere Schutzgegenstände erstreckt, so z.B. auf Tonträger oder Filme. Lichtbilder seien aber gerade nicht aufgeführt.

Revision zugelassen
Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Revision wurde zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe. Es sei noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob sich die InfoSoc-RL auch auf bloße Fragmente von Lichtbildwerken erstreckt, die nur Schutz gemäß § 72 UrhG beanspruchen können und wie sich dies auf die freie Benutzung auswirke.

Landgericht Hamburg, Urteil vom 22.05.2020, Az. 308 S 6/18


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