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Wie weit reicht ein Unterlassungsgebot?

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.07.2018, Az. I ZB 86/17


Wie weit reicht ein Unterlassungsgebot?

Der Bundesgerichtshof entschied mit Beschluss vom 12.07.2018, Az. I ZB 86/17, dass dem Schuldner eines Unterlassungstitels nicht die Pflicht obliegt, auf der Plattform YouTube hochgeladene Inhalte zu überprüfen, wenn ihm hinsichtlich der Veröffentlichung eines Fernsehbeitrags ein Unterlassungsgebot zukomme. Es genüge hierfür vielmehr die Löschung des Videos aus der eigenen Mediathek sowie die Sicherstellung, dass dieses nicht mehr über gängige Suchmaschinen im Internet auffindbar ist.

Unterlassungsgebot für den NDR
Der Rechtsstreit betrifft die Reichweite eines Unterlassungsgebots. Dem Norddeutschen Rundfunk (Schuldner) wurde durch einen Beschluss des Landgerichts Hannover vom 11. April 2017, Az. 26 O 12/17 untersagt, verschiedene Äußerungen im Zusammenhang mit einer Berichterstattung unter dem Titel „Wirbel um belasteten Bauschutt in Hannover“ in der Sendung „Markt“ vom 13. März 2017 zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen. Im Anschluss hieran entfernte die Anstalt des öffentlichen Rechts den Beitrag aus ihrer Mediathek und beantragte ebenso eine Löschung bei den gängigen Suchmaschinen, vor allem bei Google. Dagegen prüfte der Schuldner nicht, ob der Videobeitrag auch anderweitig im Internet verbreitet worden war. So blieb zunächst unentdeckt, dass die besagte Fernsehsendung von einem Unbekannten auch auf YouTube veröffentlicht worden war.

Kein Verstoß gegen gerichtliches Verbot
Eine derartige Prüfpflicht hielt die Gläubigerin allerdings für unumgänglich. Ihrer Ansicht nach reiche die Unterlassungsverpflichtung weiter als die vom Schuldner infolge des Beschlusses vorgenommenen Handlungen. Daher habe dieser gegen das gerichtliche Verbot verstoßen. Da die Parteien außergerichtlich keine Einigung erzielten, wurde von der Gläubigerin der Rechtsweg bestritten. In letzter Instanz kam der Bundesgerichtshof nun zu dem Ergebnis, dass seitens des Schuldners keine Verletzung des auferlegten Unterlassungsgebots gegeben ist. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers habe mithin keinen Erfolg. Damit bestätigten die Richter den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 21.08.2017, Az. 13 W 45/17. Dieses hatte sich bereits im Vorfeld für die Zurückweisung des Vollstreckungsantrags ausgesprochen.

Anforderungen an ein Unterlassungsgebot
Der Bundesgerichtshof führte im Näheren aus, dass der Schuldner einer auf Unterlassung lautenden Entscheidung grundsätzlich auch zu einem aktiven Handeln angehalten sein kann. Abweichend von dem Terminus „Unterlassen“ im allgemeinen Sprachgebrauch sei im Wege der Auslegung des Titels zu ermitteln, welche Verhaltensweisen hiervon erfasst seien (vgl. BGH, Beschluss vom 11.10.2017 – I ZB 96/16). Im Weiteren könnten sich die zur Störungsbeseitigung geschuldeten Maßnahmen auch in der Einwirkung auf Dritte erschöpfen. Dabei müsse aber berücksichtigt werden, dass der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs nicht für das selbstständige Handeln eines Dritten einzustehen hat (vgl. BGH, Urteil vom 13.11.2013 – I ZR 77/12).  Er sei jedoch nicht davon freigestellt, auf Dritte im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren rechtlich oder tatsächlich Einfluss zu nehmen, wenn ihm deren Handeln wirtschaftlich zugutekomme und wenn er mit (weiteren) Verstößen ernstlich rechne (vgl. BGH, Urteil vom 04.05.2017, I ZR 208/15; Urteil vom 13.11.2013 – I ZR 77/12).

Rückgriff auf Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Mit der Löschung des Videobeitrags aus der eigenen Mediathek sowie der Sicherstellung, dass jener nicht mehr durch die gängigen Suchmaschinen infolge einer Speicherung der Sendung in deren Cache erreichbar war, habe der Schuldner laut Bundesgerichtshof seine Pflicht hinsichtlich des Unterlassungstitels vollumfänglich erfüllt. Insbesondere komme ihm die Aufnahme von in der Mediathek verfügbaren Beiträgen in Internetsuchmaschinen wirtschaftlich zugute. Erfolglos blieb die Gläubigerin jedoch mit Blick auf ihr Vorbringen, dass der Schuldner gegen die einstweilige Verfügung verstoße, indem er der Veröffentlichung der Sendung auf der Plattform YouTube nicht entgegengewirkte. Der Bundesgerichtshof führte an, dass das Online-Stellen des Videos durch den Nutzer dem Schuldner insgesamt keine wirtschaftlichen Vorteile gewährt, weshalb ihm diesbezüglich auch keine Handlungspflicht treffe. Zwar möge man argumentieren, dass eine Veröffentlichung auf dem Portal zu mehr Zuschauern führt und diese nunmehr alle vom Inhalt des Fernsehbeitrags erfahren. Allerdings könne dem entgegengehalten werden, dass sich der besagte Upload aufgrund des Konkurrenzverhältnisses zur Mediathek des NDR als Nachteil darstellt. Außerdem müsse diesbezüglich beachtet werden, dass die ohne die Zustimmung des Schuldners vollzogene Veröffentlichung eine Urheberrechtsverletzung zulasten seiner Person nach sich zieht. Insgesamt werde mithin das Unterlassungsgebot des anfangs genannten Beschlusses vom Landgericht Hannover nicht verletzt.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.07.2018, Az. I ZB 86/17

von Sabrina Schmidbaur


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