Vodafone muss Kinox.to weiter sperren „Fack Ju Göhte 3“
Mit Urteil vom 14.06.2018, Az. 29 U 732/18 entschied das Oberlandesgericht München, dass Vodafone für die urheberrechtliche Verletzung der Nutzungsrechte durch das Streaming des Films „Fack Ju Göhte 3“ auf der Internetseite „KINOX.TO“ als Störer in Anspruch genommen werden kann. Ein Vorgehen gegen die Betreiber der Webseite sowie gegen den Host-Provider sei nämlich nicht erfolgsversprechend, sodass dem Access-Provider Vodafone eine Haftung zumutbar ist.
Streaming von „Fack Ju Göhte 3“ auf KINOX.TO
Gegenstand des Rechtsstreit ist das illegale Streaming des Films „Fack Ju Göhte 3“ auf KINOX.TO. Dieser lief vom 26.10.2017 bis zum 03.12.2017 in den deutschen Kinos. Zudem war er ab dem 07.11.2017 auf dem Internetauftritt von KINOX.TO durchgehend verfügbar. Das Angebot der Internetseite zeichnet sich dadurch aus, dass Nutzer darauf Links zu Sharehostern finden können, die es ermöglichen, die jeweilig gewünschten Inhalte im Wege des Streamings anzusehen. Dabei sind die Inhalte auf den Servern der Sharehoster so abgespeichert, dass das Streaming kostenlos und zu beliebigen Zeiten an beliebigen Orten möglich ist. Die Internetseite verfügt über kein Impressum.
Constantin Film wandte sich an Vodafone
Die Antragstellerin (Constantin Film), Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte, wandte sich gegen dieses illegale Streaming des besagten Films. Sie mahnte sowohl den Betreiber von KINOX.TO sowie die damaligen Host-Provider über das mit dem Internetauftritt zur Verfügung gestellte Kontaktformular ab. Da dies jedoch keine Wirkung zeigte, kontaktierte die Antragstellerin mit einem „anwaltlichen Informationsschreiben“ die Antragsgegnerin, welche ihre Kunden mit Internetanschlüssen ausstattet (Vodafone Kabel). Dabei teilte sie dieser mit, dass sie über die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dem Film verfüge, dieser illegal über den Dienst KINOX.TO abrufbar sei und auch über die von der Antragsgegnerin angebotenen Internetzugänge zugänglich sei. Allerdings leitete auch diese im Folgenden keine Sperrmaßnahmen ein. Vielmehr war der Film am 06.12.2017 noch immer über deren Internetzugänge abrufbar.
Verbot zum Zugang des Films angestrebt
Deshalb beantragte die Antragstellerin im weiteren Verlauf eine einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegnerin. Ihr sollte es verboten werden, ihren Kunden über das Internet Zugang zum Film „Fack Ju Göhte 3“ zu vermitteln, soweit dieser Film über den gegenwärtig KINOX.TO genannten Internetdienst abrufbar sei. Im Vorfeld des Verfahrens teilte die Antragstellerin dem Landgericht München I bereits mit, dass der in Rede stehende Internetdienst auch über die Domain kinox.si erreichbar ist. In der mündlichen Verhandlung reichte sie eine Liste mit den weiteren von ihr als streitgegenständlich bezeichneten URLs ein und merkte an, dass die Bezeichnung KINOX.TO in den Anträgen als Firma und nicht als Top-Level-Domain anzusehen ist. Aus diesem Grund umfasse der Antrag auch die weiter benannten URLs.
Landgericht München gab Begehren statt
Das mit der Sache befasste Landgericht gab dem Begehren der Antragstellerin im Folgenden mit Urteil vom 01.02.2018, Az. 7 O 17752/17 statt. Dabei führte es an, dass sich das ausgesprochene Verbot auf das Gesamtangebot KINOX.TO beziehe, das unter dieser Firma betrieben werde, unabhängig von der jeweiligen Domain.
Oberlandesgericht München teilte Auffassung der Vorinstanz
Gegen das Urteil des Landgerichts wehrte sich die Antragsgegnerin mit dem Rechtsmittel der Berufung. Hierbei hatte sie allerdings ebenso keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hielt die Berufung nämlich für unbegründet und wies sie daher zurück. Mithin bleibe die die einstweilige Verfügung zugunsten der Antragstellerin aufrechterhalten.
Hauptantrag war hinreichend bestimmt
Zunächst hatte das Gericht dazu Stellung zu nehmen, ob der Hauptantrag der Antragstellerin – wie von der Antragsgegnerin behauptet – tatsächlich wegen Unbestimmtheit unzulässig ist. Die Antwort des Gerichts war diesbezüglich aber eindeutig: Der Antrag genüge den gesetzlichen Anforderungen. Dieser sei dahingehend auszulegen, dass er sich nur auf die Domains und die IP-Adresse bezieht, welche die Antragstellerin letztendlich auch konkret benannt habe (vgl. BGH GRUR 2016, 268 – Störerhaftung des Access-Providers). Diese hatte in der mündlichen Verhandlung der Berufungsinstanz den Verfügungsantrag im Hinblick auf die Domain kinox.si zurückgenommen und beantragt, dass sich das Verbot nur auf die bis zur damaligen mündlichen Verhandlung notifizierten Domains und die entsprechende IP-Adresse bezieht.
Störerhaftung bleibt unberührt
Im Weiteren hatte das Oberlandesgericht zu beurteilen, ob der Antragstellerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch noch zusteht. Maßgeblich seien hierfür laut Berufungsinstanz die Regelungen in § 7 und § 8 Telemediengesetz (TMG). Bei diesen handelt es sich um die nationale Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinienvorgaben. Aus den angeführten Regelungen und einer systematischen Auslegung hiervon lasse sich nach den Ausführungen des Gerichts insgesamt schlussfolgern, dass andere Access-Provider (so wie hier Vodafone Kabel) als solche, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen (WLAN-Betreiber), der allgemeinen Störerhaftung auf Unterlassung unterliegen. Deren Verpflichtungen nach den allgemeinen Gesetzen würden von den Regelungen des §§ 8-10 TMG unberührt bleiben. Dies habe auch bereits das Landgericht zutreffend festgestellt. Insbesondere ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien, dass der Gesetzgeber durch die Norm des § 8 Abs. 1 S. 2 TMG ausschließlich die Haftung von W-LAN Betreibern regeln wollte. Man hätte diesen nach der Auffassung des Berufungsgerichts so weit wie möglich Rechtssicherheit verschaffen wollen. Ein Rückgriff für diese Fälle auf die allgemeinen Grundsätze des § 1004 BGB gebiete sich daher nicht.
Besteht eine allgemeine Prüfpflicht für die übermittelten Inhalte?
Hieran schloss sich die Frage an, ob der Antragsgegnerin im Streitfall gewisse Prüfpflichten hinsichtlich der von ihr übermittelten Inhalte zukamen. Grundsätzlich setze eine solche Haftung als Störer die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Allerdings stehe einer allgemeinen Prüfungspflicht von Diensteanbietern im Sinne des §§ 8-10 TMG für die von ihnen übermittelten Dateien die Vorschrift des § 7 Abs. 2 TMG entgegen. Diese Norm schließe derartige Pflichten im Vorfeld nämlich generell aus. Solche allgemeine Kontrollmaßnahmen könnten auch vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin durch ihre Tätigkeit ein von der Rechtsordnung gebilligtes und gesellschaftlich erwünschtes Geschäftsmodell betreibt, das als solches nicht in besonderer Weise die Gefahr von Urheberrechtsverletzungen birgt, nicht verlangt werden. Eine Prüfpflicht im Hinblick auf die Inhalte trete jedoch nach Ansicht des Gerichts in dem Moment ein, indem die Antragstellerin die Antragsgegnerin durch das anwaltliche Informationsschreiben auf die konkrete Rechtsverletzung aufmerksam gemacht habe.
Ist der Antragsgegnerin die Störerhaftung zumutbar?
Maßgeblich für den Umfang dieser nachträglichen Pflicht sei dabei, ob und inwieweit dem Störer Überwachungs- und Sperrmaßnahmen nach der Berücksichtigung aller Umstände überhaupt zumutbar seien. Aufgrund des neutralen und von der Rechtsordnung anerkannten Geschäftsmodells sei nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts der Betreiber der Webseite sowie der Host-Provider vorrangig vor der Antragsgegnerin in Anspruch zu nehmen. Allerdings bestehe im Streitfall die Besonderheit, dass ein Vorgehen gegen die Betreiber von KINOX.TO keinen Erfolg verspricht. Diese seien nämlich unbekannt und seit langem auch nicht ausfindig zu machen. Ebenso führe ein Vorgehen gegen den Host-Provider ins Leere. Grund hierfür sei, dass die Betreiber ihren Host-Provider bereits etliche Male wechselten, nämlich immer dann, wenn gegen diesen vorgegangen wurde. Ein erneutes Wechseln des Providers liege daher im Falle einer erfolgreichen Ermittlung auf der Hand. Mithin würden die Umstände eine Inanspruchnahme der Antragsgegnerin rechtfertigen.
Abwarten der Hauptdache führe zu wesentlichen Nachteilen
Zuletzt bejahte das Gericht auch die Dringlichkeit der einstweiligen Verfügung (Verfügungsgrund). Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache sei von der Antragstellerin im Hinblick auf die glaubhaft gemachte laufende Verletzung ihres urheberrechtlichen Nutzungsrechts nicht hinzunehmen.
Oberlandesgericht München, Urteil vom 14.06.2018, Az. 29 U 732/18
von Sabrina Schmidbaur