Störerhaftung bei Urheberrechtsverletzungen unter Nutzung von CDN
Das Oberlandesgericht Köln entschied am 09.10.2020, dass auch ein Nameserver-Betreiber für Urheberrechtsverletzungen als Störer haften könne. Dies gelte jedenfalls ab dem Zeitpunkt, wenn er auf die Rechtsverletzungen aufmerksam gemacht und trotzdem nicht unverzüglich tätig geworden sei.
Wer ist verantwortlich?
Klägerin war eine Plattenfirma, Beklagte ein IT-Unternehmen. Die Beklagte bot u.a. Dienstleistungen als Nameserver, Betreiberin eines Content-Delivery-Networks (CDN) sowie von DNS-Servern (DNS-Resolver) an. Als Nameserver leitete die Beklagte den gesamten Datenverkehr zwischen (End)Nutzer und Webseitenbetreiber über eigene Server. Hierzu unterhielt sie 194 weltweit auf 90 Länder verteilte und miteinander vernetzte Server-Präsenzpunkte (Content-Delivery-Network) vor. Die Leistungen der Beklagten nutzte auch eine sog. Torrent-Dienst als Kunde. Dessen Geschäftsmodell war auf die illegale Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke ausgerichtet. Auf der Webseite des Kunden wurden Hyperlinks zu illegalen Download-Angeboten urheberrechtlich geschützter Musikaufnahmen angeboten. Darunter auch ein Album der Klägerin, an dem ihr die ausschließlichen Leistungsschutzrechte als Tonträgerhersteller zustanden. Hiergegen ging die Klägerin vor, hatte allerdings zunächst nur teilweise Erfolg. Die Vorinstanz verbot der Beklagten u.a., Dritten zu ermöglichen, das Album zugänglich zu machen. Beide Parteien gingen in Berufung.
CDN adäquat kausal für Rechtsverletzung
Das Oberlandesgericht Köln entschied, dass die Beklage als Störerin zu haften habe. Als Störer komme jeder in Betracht, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Dafür genüge auch die Unterstützung oder Ausnutzung von Handlung eines Dritten, wenn der Störer die Handlungen hätte verhindern können. Der Beitrag der Beklagten habe darin bestanden, sich mit ihren Servern zwischen die Kundenwebseite und den Nutzern zu schalten. Dadurch sei sämtlicher Internetverkehr von und zum Kunden, dem Torrent-Dienst, über ihre Server gelaufen. Somit seien die zwischengeschalteten Server adäquat kausal für die rechtswidrige Zugänglichmachung des Musikalbums. Zwar sei eine allgemeine Prüfungs- und Überwachungspflicht durch die Beklagte unverhältnismäßig. Denn ihr Geschäftsmodell verteile sich auf 90 Länder und 194 Server-Präsenzpunkte. Erst wenn es trotz Hinweisen auf eine klare Rechtsverletzung zu weiteren Rechtsverletzung komme, weil der Diensteanbieter nicht unverzüglich tätig werde, könne er als Störer zur Unterlassung verpflichtet werden.
Keine Privilegierung nach § 8 TMG
Dem stehe auch nicht das Haftungsprivileg des Diensteanbieters aus § 8 TMG entgegen, so das Gericht. Denn die Beklagte übermittele nicht nur Inhalte, sondern speichere diese auch auf ihren Servern zwischen. Zwar unterfalle auch eine kurzzeitige Zwischenspeicherung § 8 TMG, wenn die Information nicht länger gespeichert werde als zur Übermittlung üblicherweise erforderlich. Allerdings habe die Beklagte selbst behauptet, dass sie Speicherungen auch vornehme, um die Anzahl der Seitenaufrufe auf ihre Kunden zu reduzieren. In ihrer Werbung stelle sie als Vorteil ihres Angebotes sowohl die Beschleunigung als auch den Schutz der Kundenwebseiten heraus. Sie ermögliche das Abspeichern der Kunden-Webseite auf lokalen Datenzentren und das Blockieren bösartiger Besucher. Somit diene das Speichern auf lokalen Servern auch dazu, den Zugriff auf die Kundenwebseite zu verringern und nicht nur der effizienteren Übermittlung. Daraus ergebe sich, dass sie die Inhalte länger speichere, als dies zur bloßen Übermittlung üblicherweise erforderlich sei.
Keine Privilegierung nach § 9 TMG
Das OLG befand, dass auch die Privilegierung nach § 9 TMG der Störerhaftung nicht entgegenstehe. Die Beklagte habe zwar mehrfach vorgetragen, dass sie ein System mit Proxy-Cache-Servern vorhalte. Es spreche jedoch vieles dafür, dass sie darüber hinaus ihre Rechner auch als Mirror-Server betreibe. Dabei komme es auf den Umfang und die Art und Weise der Zwischenspeicherung an. Aufgrund dessen hätte es näheren Vortrags und Glaubhaftmachung dazu bedurft, wie sich das Caching tatsächlich im Detail gestaltet. Die Werbung der Beklagten lasse darauf schließen, dass jedenfalls auch eine Lastenverteilung bewirkt werde. Diese solle bei hohem Abfrageaufkommen den Ausfall der Serversysteme verhindern. Mangels Vortrags könne keine Abgrenzung erfolgen, ob sich die Beklagte noch im Rahmen des nach § 9 TMG privilegierten Cachings bewegt oder ihre Rechner zu weitergehenden Zwischenspeicherungen zugunsten der Sicherheit und Stabilität ihrer Kundenwebseiten verwendet. Spätestens dann, wenn die Inhalte der Kunden gerade auch bei einem Ausfall des Ursprungsservers weiterhin zugreifbar bleiben, könne die Grenze des § 9 TMG überschritten sein. Die Beklagte müsse ihre Privilegierung nach § 9 TMG darlegen und beweisen. Fehle die Darlegung und der Beweis, gehe dies zu ihren Lasten.
Schutzbedürftigkeit des Leistungsschutzberechtigten
Auch die im Rahmen der Zumutbarkeit vorzunehmende Interessenabwägung falle zugunsten der Klägerin aus, entschied das LG. Auf Seiten der Beklagten sei ihr Recht auf unternehmerische Freiheit zu berücksichtigen. Auf Seiten der Klägerin gehe es um die effektive Verfolgung von Urheberrechtsverstößen als Ausfluss des Eigentumsrechts. Auch das Interesse der Internetnutzer an Informationsfreiheit sei mit zu berücksichtigen. Die Sperrung einer Domain, die fast ausschließlich auf illegale Download-Möglichkeiten verweist, berühre keine berechtigten Interessen der Internetnutzer. Die unternehmerische Freiheit der Beklagten sei insoweit nicht über Gebühr betroffen. Denn sie halte sich in ihren Verträgen selbst das Recht vor, bei rechtswidrigen Inhalten ihre Leistungen einzustellen. Dagegen habe die Klägerin keine effektive Möglichkeit, gegen den Webseitenbetreiber selbst vorzugehen. Ihr fehlen dazu die Informationen. Zudem habe die Beklagte nur den Namen des Host-Providers mitgeteilt, der nicht gegen die Rechtsverletzungen vorgehen wollte. Der Beklagten sei aber eine Sperre technisch möglich und auch zumutbar.
Keine subsidiäre Störerhaftung
Auch hafte die Beklagte nicht nur subsidiär, so das Gericht weiter. Die subsidiäre Störerhaftung des Access-Providers sei vorliegend nicht anwendbar. Zwar verfolge auch die Beklagte ein zunächst neutrales Geschäftsmodell. Sie sei jedoch, anders als ein Access-Provider, mit den Torrent-Betreibern unmittelbar vertraglich verbunden. Sie führe ihre Dienstleistungen des CDN-Systems aus, indem sie die Kundenwebseite effizienter macht und vor Angriffen schützt. Ein Access-Provider hingegen vermittle lediglich den Zugang zu einem Kommunikationsnetz durch die Bereitstellung von Internetzugänge Dritten.
Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 09.10.2020, Az. 6 U 32/20