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Öffentliches Zugänglichmachen der urheberrechtlich geschützten Fotografie

BGH, Beschluss vom 23.02.2017, A. I ZR 267/15


Öffentliches Zugänglichmachen der urheberrechtlich geschützten Fotografie

Der Europäische Gerichtshof hatte im Vorabentscheidungsverfahren darüber zu befinden, wie Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments auszulegen ist. Es geht um die Frage, ob ein im Internet mit Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers für alle Nutzer frei zugängliches Werk von diesen auch auf einem Server gespeichert werden und anschließend auf der eigenen Internetseite verwendet werden darf.

Der Kläger ist Berufsfotograf und hält die Urheberrechte an der streitgegenständlichen Fotografie der Stadt Cordoba. Der Beklagte zu 2), das Land N, übt als Dienstherr die Aufsicht über die Gesamtschule W aus, die die streitgegenständliche Fotografie auf ihrer Internetseite im Rahmen einer Spanisch-Arbeitsgemeinschaft verwendet hatte. Der Kläger macht geltend, er habe dem Online-Reise-Portal „de“ lediglich ein einfaches Nutzungsrecht an der Fotografie eingeräumt. Mit der Einstellung der Fotografie auf der Internetseite der Schule sieht der Kläger sein Urheberrecht verletzt und beantragt unter Androhung von Ordnungsmitteln, der Gesamtschule zu untersagen, die Fotografie weiterhin auf ihrer Internetseite öffentlich zugänglich zu machen und zu vervielfältigen. Darüber hinaus hat der Kläger den Beklagten, die Stadt N als Dienstherr über die Gesamtschule, auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 400 Euro nebst Zinsen in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat dem Begehren des Klägers stattgegeben, die Schadenersatzsumme jedoch auf 300 Euro reduziert. Die Berufungsinstanz hatte sich auf die Seite des Beklagten gestellt und festgelegt, dass die Gesamtschule das streitgegenständliche Lichtbild weiterhin verwenden darf. Der Erfolgsaussichten der Revision hängen davon ab, wie die Richter am EuGH die Richtlinie 2001/29/EG auslegen, mit der bestimmte Aspekte des Urheberschutzrechtes auf EU-Ebene für die einzelnen Mitgliedstaaten und die Belange der modernen Informationsgesellschaft harmonisiert werden. Entsprechend ist das Verfahren gemäß Art. 267 auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfahren vorzulegen.

Die Revisionsinstanz hat dem Kläger als Urheber der streitgegenständlichen Fotografie ein Unterlassungsanspruch gemäß § 97 UrhG zugesprochen, da es sich bei diesem Werk um ein gemäß § 72 UrhG angefertigtes Lichtbild handelt und dem Kläger somit das Leistungsschutzrecht zusteht. Der Beklagte ist unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung in Anspruch zu nehmen. Die Fotografie ist auf den Server der Gesamtschule kopiert worden. Dieser Vorgang ist ein Eingriff in das ausschließlich dem Rechtsinhaber zustehende Vervielfältigungsrecht. Ohne Bedeutung bleibt, dass die Fotografie der Stadt Cordoba in der Zwischenzeit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Die BGH-Richter sehen zwischen der Nutzung des Lichtbilds durch das Online-Reiseportal und der Verwendung durch die Gesamtschule keinen Zusammenhang. Durch die Vervielfältigung auf dem Server und die öffentliche Zugänglichmachung auf der Homepage beider Parteien habe eine Entkopplung stattgefunden.

Der Kläger als Urheber hat anders als bei den elektronischen Verfahren durch Setzen eines Links oder dem sogenannten Framing die Herrschaft darüber, was mit seinem Lichtbild tatsächlich im Internet geschieht, verloren. Der Beklagte kann sich nicht auf besondere urheberrechtliche Schutzschranken berufen. Die Lehrkraft für die spanische Arbeitsgruppe hat ihre Prüfungs- und Überwachsungspflichten durch die Verwendung des streitgegenständlichen Lichtbildes verletzt und im Rahmen der Störerhaftung für diese Urheberrechtsverletzung einzustehen.

Die juristische Begründung, wann eine unrechtmäßige öffentliche Wiedergabe erfolgt, ist sehr differenziert zu bewerten. Die zuvor angeführte EU-Richtlinie behandelt nur die öffentliche, nicht ortsfeste Wiedergabe. Dies bedeutet, die in Rede stehende Wiedergabe ist an keinen Ort gebunden, wie zum Beispiel die Aufführung eines Theaterstücks oder Musikkonzerts. Ein weiterer juristischer Winkelzug besteht darin, dass sich das aufgeführte Werk in direktem körperlichem Kontakt mit der Person befindet, die das entsprechende Werk aufführt oder darbietet. Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang besteht bei der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Lichtbilds auf der Internetseite der Gesamtschule nicht.

Die juristische Definition der öffentlichen Wiedergabe umfasst die Tatbestandsmerkmale Handlung und die Wiedergabe und Vervielfältigung selbst. Die juristische Beurteilung geht jedoch sehr viel weiter, denn jeder Fall beinhaltet individuelle Kriterien, die zu berücksichtigen sind. Erschwerend für den Anspruch auf Unterlassung und Schadenersatz des Klägers kommt hinzu, dass die Veröffentlichung des Lichtbildes der Stadt Cordoba nicht zu kommerziellen Zwecken erfolgte. Daher lässt sich die Einstufung einer „öffentlichen Wiedergabe“ auch angesichts der Vorlagefrage der EuGH-Rechtsprechung nicht abschließend für jeden Fall beantworten.

BGH, Beschluss vom 23.02.2017, A. I ZR 267/15


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