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Mittäterschaft bei Urheberrechtsverletzung

Teilnahme an Tauschbörse begründet Mittäterschaft für Urheberrechtsverletzung


Mittäterschaft bei Urheberrechtsverletzung

Der Bundesgerichtshof entschied mit Urteil vom 06.12.2017, Az. I ZR 186/16, dass die Teilnehmer einer Internettauschbörse durch das Bereitstellen von Dateien und Dateifragmenten regelmäßig  bewusst und gewollt hinsichtlich einer öffentlichen Zugänglichmachung von Filmen oder urheberrechtsschutzfähiger Teile hiervon zusammenwirken. Dies begründe eine Haftung der einzelnen Teilnehmer als Mittäter für die Verletzung des Urheberrechts des betroffenen Inhabers.

Behauptete Urheberrechtsverletzung durch Tauschbörse
Die Klägerin begehrte einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von mindestens 600 € und die Zahlung von Abmahnkosten. Sie behauptete, die Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Film „Konferenz der Tiere 3D“ zu sein. In dem Umstand, dass dieser Film über einen Zeitraum von drei Tagen in einer Tauschbörse im Internet, welche auf den Internetanschluss des Beklagten zurückzuführen war, heruntergeladen werden konnte, sei eine Urheberrechtsverletzung zu sehen.

Vorinstanzen wiesen Klage ab
Das Amtsgericht Frankenthal lehnte die Klage mit Urteil vom 22.01.2015, Az. 3a C 256/14 ab.
Dieser Entscheidung schloss sich auch die Berufungsinstanz, das Landgericht Frankenthal, mit Urteil vom 22.07.2016, Az. 6 S 22/15 an. Das Landgericht war der Meinung, dass dem Vortrag der Klägerin nicht zu entnehmen sei, dass es über den Internetanschluss des Beklagten möglich war, eine lauffähige Version des Films oder eines Teils hiervon herunterzuladen. Diese Tatsache sei für die Geltendmachung von urheber-und leistungsschutzrechtlichen Ansprüchen aber gerade nötig. Lediglich vorhandene Dateifragmente seien regelmäßig nicht abspielbar und konsumierbar. Eine Nutzung des geschützten Werkes oder seiner Teile seitens des Beklagten liege somit nicht vor. Vielmehr könne eine nur teilweise zur Verfügung gestellte Datei als „Datenmüll“ angesehen werden. Die Klägerin hätte außerdem nicht darlegen und beweisen können, dass die besagten Fragmente zumindest auch im Sinne von § 11 UrhG nutzbare Werkteile beinhalten.

Revision der Klägerin hat Erfolg
Dieser Beurteilung schloss sich der Bundesgerichtshof allerdings nicht an. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Revision der Klägerin Erfolgt hat. Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 2 S. 1 in Verbindung mit §§ 19a, 94 Abs. 1 S. 1 UrhG könne nicht verneint werden. Das Gleiche gelte für die Abweisung des Anspruchs auf Zahlung von Abmahnkosten gemäß § 97a UrhG.

Von Urhebereigenschaft der Klägerin ist auszugehen
Es sei mangels entgegenstehender Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen gewesen, dass die Klägerin die Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem besagten Film ist. Daneben hätte auch angenommen werden können, dass dieser Film urheberrechtsschutzfähig ist und der Beklagte in dem von der Klägerin aufgezeigten Zeitraum über seinen Internetanschluss dem Film zuzuordnende Datenpakete zum Download angeboten hat.

Auch Dateifragmente würden Schutz des § 94 UrhG unterliegen
Nach Ansicht des Bundesgerichtshof würden bereits Dateifragmente dem Leistungsschutzrecht eines Filmeherstellers nach § 94 UrhG unterfallen. Die Werkqualität spiele nämlich keine Rolle für dieses Recht. Selbst die Entnahme kleinster Partikel würde einen Eingriff in die durch § 94 Abs. 1 S. 1 UrhG geschützte Leistung des Filmträgerherstellers nach sich ziehen. Dieser Beurteilung stehe auch nicht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 31.05.2006 (BVerfGE, 142, 74) entgegen.
Allerdings könne diese Auffassung des Gerichts vorliegend nicht maßgeblich sein. Der Grund hierfür sei, dass dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) bereits bezüglich der Frage, ob ein Eingriff in das ausschließliche Recht des Tonträgerherstellers zur Vervielfältigung seines Tonträgers vorliege, wenn seinem Tonträger kleinste Tonfetzen entnommen und auf einen anderen Tonträger übernommen werden, ein Beschluss durch das höchstrichterliche Gericht vorgelegt wurde (Beschluss vom 01.06.2017 Az. I ZR 115/16). Eine Antwort des EuGH stehe bislang noch aus, was bedeute, dass der Bundesgerichtshof eine solche Einschätzung nicht unabhängig davon vornehmen darf. Es müsse vielmehr die unionsrechtliche Entscheidung abgewartet werden.

Haftung des Beklagten als Mittäter
Unabhängig von dieser Beurteilung sei die Aufrechterhaltung des Urteils des Landgerichts aber auch aus einem anderen Gesichtspunkt nicht denkbar. Der Beklagte hafte nämlich als Mittäter einer gemeinschaftlich mit anderen Nutzern der Internettauschbörse begangenen Verletzung des Leistungsschutzrechts der Klägerin für die öffentliche Zugänglichmachung des besagten Films oder urheberrechtsschutzfähiger Teile hiervon. Hinsichtlich dieser Einschätzung sei es maßgeblich, sich die Funktionalität einer solchen Tauschbörse vor Augen zu führen.

Einzelne Dateifragmente können Ursprungsdatei ergeben
Jeder Teilnehmer an einer Tauschbörse stelle regelmäßig Dateifragmente über ein Peer-to-Peer Netzwerk zur Verfügung. Durch das Herunterladen der einzelnen Dateifragmente könne insgesamt eine Gesamtdatei kreiert werden, welche eine funktionsfähige Kopie der Ursprungsdatei darstellt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handele es sich bei den bereitgestellten Dateifragmenten deshalb nicht um „Datenmüll“, sondern um individuell adressierte Datenpakete. Mangels gegenteiliger Feststellungen in der Berufungsinstanz sei zugunsten der Klägerin zu unterstellen, dass im zeitlichen Zusammenhang mit dem vom Internetanschluss des Beklagten vorgenommenen Angebots eine vollständige Version des Films „Konferenz der Tiere 3D“ oder eines urheberrechtsschutzfähigen Teils hiervon zum Download angeboten worden ist.

Mittäterschaft beurteile sich nach strafrechtlichen Grundsätzen
Die Beurteilung einer Mittäterschaft ergebe sich anhand von strafrechtlichen Grundsätzen. Demnach sei ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken der Teilnehmer für eine gemeinschaftliche Tatbegehung nötig. Das Bereitstellen von Dateien oder Dateifragmenten erfolge regelmäßig im Rahmen eines bewussten und gewollten Zusammenwirkens der Teilnehmer. Die Tatsache, dass die Teilnehmer der Tauschbörsen sich gegenseitig nicht kennen und untereinander nicht kommunizieren, sei für diese Feststellung kein Hindernis (vgl. BGH, Urteil vom 12.11.2009 – 4 StR 275/09). Es sei davon auszugehen, dass die Funktionsweise von Internettauschbörsen den Teilnehmern einer solchen aufgrund der bereits langjährigen medialen Berichterstattung hierzu bewusst ist und es mithin auf der Hand liege, dass auch andere an der Community mitwirken. Zwar fehle es den jeweiligen Teilnehmern wohl an technischem Spezialwissen, allerdings müsse ihnen durchaus klar sein, dass sie in der Börse nicht nur Dateien oder Dateifragmente von den Computern anderer Teilnehmer auf ihren Computer herunterladen können, sondern zugleich auch heruntergeladene Dateien oder Dateifragmente ihrerseits von anderen Teilnehmern bezogen werden können. Hierin sei ein bewusstes und gewolltes arbeitsteiliges Zusammenwirken zu sehen. Irrelevant sei diesbezüglich, dass es einem Teilnehmer wohl in erster Linie lediglich darauf ankommt, selbst die Dateien zu erlangen und die Bereitstellung für andere eventuell nur ein Begleitaspekt ist. Er nehme die Folge seines Handelns dadurch nämlich zumindest billigend in Kauf.

Aufhebung des Berufungsurteils
Aufgrund dieser Entscheidung müsse das durch die Klägerin angegriffene Urteil aufgehoben werden und die Sache mangels Entscheidungsreife zur neuen Verhandlung und Beurteilung an das Landesgericht Frankenthal zurückverwiesen werden.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.12.2017, Az. I ZR 186/16

von Sabrina Schmidbaur


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