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Filesharing: Unwissenheit schützt nicht vor Schadensersatz

LG Bochum, Urteil vom 18.03.2016, Az. I-5 S 165/15


Filesharing: Unwissenheit schützt nicht vor Schadensersatz

Wer nicht weiß, dass er ein urheberrechtlich geschütztes Werk beim Download via Filesharing gleichzeitig Dritten anbietet, haftet dennoch für sein Handeln. Dies hat das Landgericht Bochum mit Urteil vom 18. März 2016 entschieden (Az. I-5 S 165/15). Indem sich der Beklagte nicht über das Funktionieren von Tauschbörsen informierte, hat er nach Auffassung der Richter seine Sorgfaltspflicht verletzt. Den Schaden für den Upload eines aktuellen Films bemessen sie mit 600 Euro. Im Gegensatz zur Vorinstanz schenkt das Landgericht Bochum dem Umstand, dass bei Tauschbörsen regelmäßig bloß Dateifragmente und keine vollständigen Werke hochgeladen werden, keine Beachtung. Für die Berechnung der Abmahnkosten legt es einen Gegenstandswert in der Höhe des doppelten Lizenzschadens zugrunde.

Sachverhalt
Der Beklagte lud im November 2012 über eine Tauschbörse einen kurz zuvor veröffentlichten Film herunter. Während des Downloads stellte er den Film mehrere Stunden lang anderen Nutzern zur Verfügung. Die Inhaberin der Filmrechte mahnte ihn in der Folge ab. Weil der Beklagte die Abgabe einer strafbewehrten Unterwerfungserklärung verweigerte, erhob die Rechteinhaberin Unterlassungsklage.
Sie forderte einen Schadensersatz von 646,20 Euro und den Ersatz der Abmahnkosten in der Höhe von 651,80 Euro. Der Beklagte gab zu, den Film per Filesharing heruntergeladen zu haben. Dass er den Film Dritten zum Download angeboten habe, bestritt er ebenso wenig. Er wehrte sich gegen die Klage indes mit dem Argument, er habe keine besonderen Computerkenntnisse. Daher sei ihm nicht bewusst gewesen, dass er den Film mit dem Herunterladen gleichzeitig anderen Nutzern zur Verfügung stelle.
Das Amtsgericht Bochum beurteilte das Verhalten des Beklagten zwar als fahrlässig (AG Bochum, Urteil vom 03.11.2015, Az. 39 C 285/15). Da der einzelne Nutzer jedoch beim Filesharing typischerweise nur einzelne Dateifragmente hochlädt, reduzierte es den geforderten Schadensersatz auf 200 Euro. Die Abmahnkosten setzte es auf 70,20 Euro herab.
Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein. Das Landgericht Bochum gab ihr teilweise recht und gestand ihr einen Schadensersatz von 600 Euro und die Freistellung von den Abmahnkosten in der Höhe von 130,50 Euro zu.

Urteilsbegründung
Das Landgericht Bochum stellt fest, dass der Beklagte durch das Anbieten des Films das Verwertungsrecht der Klägerin verletzt hat. Sein Handeln bewertet es zumindest als fahrlässig. Der Verweis auf die eingeschränkten Computerkenntnisse nützt dem Beklagten nichts. Nach Überzeugung der Richter hätte er sich bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt über die Funktionsweise einer Tauschbörse informieren müssen. Die Vermutung, dass der kostenlose Download eines - zumal aktuellen - Films eine Gegenleistung erfordere, dränge sich einem gewissenhaften Nutzer geradezu auf. Im Übrigen seien seine Computerkenntnisse immerhin ausreichend, um das Filesharing-Programm zu installieren und den streitgegenständlichen Film herunterzuladen. Die Annahme, dem Beklagten sei nicht bewusst gewesen, dass er mit dem Download des Filmes diesen zugleich anbiete, sei vor diesem Hintergrund lebensfremd.
Der Rechteinhaberin stehe nach § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG ein Schadensersatz basierend auf Lizenzanalogie zu. Dieser berechne sich grundsätzlich anhand der üblichen Lizenzgebühr. Allerdings bestehe für das unkontrollierte Gratis-Download-Angebot keine marktübliche Lizenz. Deshalb liege die Bestimmung der fiktiven Lizenzgebühr im Ermessen des Gerichts. In Würdigung der Umstände erachten die Bochumer Richter einen Betrag von 600 Euro als angemessen. Die Vorinstanz ließ sich von der Überlegung leiten, dass ein Filesharing-Nutzer mit anderen Teilnehmern lediglich Dateifragmente austausche. Bei der Schätzung des Lizenzschadens sei darum nicht auf das Angebot des gesamten Werks abzustellen. Dieses Argument findet in der Urteilsbegründung des Landgerichts keinen Niederschlag.
Die Abmahnkosten berechnet es aufgrund des Gegenstandswerts des Unterlassungsanspruchs. Es bemisst ihn mit dem Doppelten des Lizenzschadens, da mit dem Unterlassungsanspruch auch künftige Rechtsverletzungen verhindert werden sollen. Aus dem Gegenstandswert von 1.200 Euro berechnet die Kammer eine 1,3-fache Geschäftsgebühr von 110,50 Euro. Dazu addiert sie eine Auslagenpauschale von 20 Euro. Eine Beschränkung der Abmahnkosten auf 100 Euro sei nicht angezeigt. Die Rechtsverletzung des Beklagten sei nicht unerheblich. Immerhin habe er die Filmdatei einer unbestimmten Vielzahl von Filesharing-Nutzern angeboten, die die Datei nach dem Download ihrerseits anderen Teilnehmern angeboten hätten. Außerdem habe das Download-Angebot des Beklagten mehrere Stunden gedauert.

LG Bochum, Urteil vom 18.03.2016, Az. I-5 S 165/15


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