Filesharing: Beweislast liegt beim Rechteinhaber
In seinem Urteil vom 31. August 2016 (Az. 4 C 1254/16) beschäftigt sich das Amtsgericht Stuttgart mit der Beweislastverteilung bei Filesharing-Fällen. Nach seiner Auffassung besteht keine tatsächliche Vermutung der Täterschaft zulasten des Anschlussinhabers, wenn Dritte auf den Anschluss zugreifen können. Der Anschlussinhaber muss im Rahmen der sekundären Darlegungslast Personen, die zum Tatzeitpunkt Zugriff auf das Internet hatten, namentlich benennen. Er ist aber nicht verpflichtet, den wahren Täter zu ermitteln. Bestreitet der Rechteinhaber den Vortrag des Anschlussinhabers, ist es an ihm, dessen Täterschaft nachzuweisen.
Sachverhalt
Vom Anschluss des Beklagten wurde das Computerspiel "Landwirtschaftssimulator 2013" über eine Tauschbörse angeboten. Die Rechteinhaberin mahnte den Beklagten ab. Neben einer strafbewehrten Unterlassungserklärung begehrte sie zunächst 5.000 Euro Schadensersatz und die Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von 1.336,90 Euro. Der Beklagte gab die gewünschte Unterlassungserklärung ab, verweigerte indes die geforderte Zahlung. Auf ein Vergleichsangebot über einen Gesamtbetrag von 850 Euro ließ er sich nicht ein.
In der Folge klagte die Rechteinhaberin ihre Forderung ein. Vor dem Amtsgericht Stuttgart beantragte sie die Festlegung eines Schadensersatzes von mindestens 2.000 Euro, berechnet nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie. Zusätzlich verlangte sie die Erstattung der Anwaltskosten von 1.099 Euro.
Der Beklagte bestritt, das Spiel selbst angeboten zu haben. Er machte geltend, sein Internetanschluss sei von seiner damaligen Ehefrau und seinen zwei Söhnen mitgenutzt worden. Allerdings präsentierte er keinen konkreten Täter. Damit gab sich die Klägerin nicht zufrieden. Sie behauptete weiterhin die Täterschaft des Beklagten und bestritt die Existenz seiner Söhne.
Urteilsbegründung
Das Amtsgericht Stuttgart weist die Klage zurück. Es führt aus, der Anschlussinhaber habe im Rahmen der sekundären Darlegungslast einen alternativen Geschehensablauf vorzutragen, der eine Tatbegehung durch Dritte als ernsthafte Möglichkeit erscheinen lasse. Der Vortrag müsse hinreichend konkret sein. Ein Verweis auf namentlich nicht genannte Dritte, die den Anschluss mitbenutzen konnten, oder die pauschale Vermutung eines Hackerangriffs reiche nicht. Vielmehr treffe den Anschlussinhaber - soweit zumutbar - eine Nachforschungspflicht. Er müsse einen klar abgrenzbaren Personenkreis präsentieren, der zum Tatzeitpunkt effektiv Zugriff auf den Internetanschluss hatte. Weitere Recherchen und die Benennung des Täters seien jedoch nicht erforderlich.
Nach Ansicht der zuständigen Richterin hat der Beklagte seine Nachforschungs- und Darlegungspflicht erfüllt. Er habe alle Familienmitglieder angehört und im Verfahren deren Nutzungsverhalten und die Möglichkeit einer Täterschaft erörtert. Eine Pflicht, die Computer der Angehörigen auf die Existenz von Filesharing-Software zu untersuchen, habe nicht bestanden.
Da die Klägerin die Darlegung des Beklagten bestritten hat, stellt sich die Frage, wer die Beweislast trägt. Einige Gerichte gehen davon aus, dass bei Rechtsverletzungen im Internet immer eine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers spricht. Die Vermutung kann nur erschüttert werden, wenn der Anschlussinhaber die Möglichkeit einer Tatbegehung durch Dritte darlegt und - sofern bestritten - unter Beweis stellt.
Das Amtsgericht Stuttgart vertritt hingegen den Standpunkt, dass bei Drittnutzung die Tätervermutung gar nicht erst entsteht und folglich nicht erschüttert werden muss. Es stützt sich auf die BGH-Entscheidung "BearShare" (Urteil vom 08.01.2014, Az. I ZR 169/12). Darin hält der Bundesgerichtshof fest, eine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers sei nicht begründet, sofern andere Personen zum Tatzeitpunkt auf den Anschluss Zugriff gehabt hätten.
Das Amtsgericht sieht entsprechend die Beweispflicht beim Anspruchsteller. Weil ihm bezüglich einer allfälligen Drittnutzung aber die Kenntnis fehle, treffe den Anschlussinhaber die sekundäre Darlegungslast. Habe dieser genügend vorgetragen, liege es wieder beim Anspruchsteller, Umstände darzutun und gegebenenfalls nachzuweisen, die für die Täterschaft des Anschlussinhabers sprächen.
Indem der Beklagte mögliche Täter benannt habe, sei er seiner Darlegungspflicht nachgekommen. Die Klägerin sei indessen für die Täterschaft des Anschlussinhabers beweisfällig geblieben. Zwar falle dem Rechteinhaber der Nachweis der Täterschaft regelmäßig schwer, zumal sich Familienmitglieder auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen könnten. Es stehe dem Gericht allerdings nicht zu, die Darlegungslast des Anschlussinhabers über Gebühr auszudehnen. Eine allfällige Änderung der Beweislastregeln bei Urheberrechtsfällen sei Sache des Gesetzgebers.
AG Stuttgart, Urteil vom 31.08.2016, Az. 4 C 1254/16