Filesharing-Abmahnungen: BGH entschärft Beweislast
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Urteil vom 06.10.16 unter dem Az. I ZR 154/15 entschieden, dass ein Anschlussinhaber, der wegen einer angeblichen Tauschbörsennutzung abgemahnt wurde, nicht verpflichtet ist, die Computer von Familienmitgliedern auf eventuell vorhandene P2P-Software abzusuchen. Auch eine Protokollierung der Anwesenheit der Mitbenutzer eines Anschlusses scheidet aus.
Damit wies der BGH die Revision auf Kosten der Klägerin zurück.
Geklagt hatte die Firma Constantin Film gegen einen Inhaber eines Internetanschlusses. Dieser soll illegal einen Film in einer Tauschbörse zum Herunterladen angeboten haben.
Die Kanzlei Waldorf-Frommer mahnte den Anschlussinhaber ab und verlangte insgesamt 1106 Euro, die sich aus Kostenerstattung (506 Euro) und Schadensersatz (600 Euro) zusammensetzen. Nachdem der Abgemahnte nicht zahlte und nur eine modifizierte Unterlassungserklärung abgab, reichte die Kanzlei Waldorf-Frommer beim Amtsgericht Braunschweig eine Klage ein.
Der Beklagte beantragte Klageabweisung und begründete dies mit dem Vorhandensein einer Sicherheitslücke. Er hat bestritten, den Film zum Tausch angeboten zu haben und behauptete, den fraglichen Zeitpunkt überhaupt nicht in seiner Wohnung verbracht zu haben. Es nutzte jedoch auch seine Ehefrau den Internetanschluss. Der von der Familie benutzte Router Speedport W 504V von der Telekom habe zum fraglichen Zeitpunkt eine Sicherheitslücke aufgewiesen. Diese habe die Telekom später erst geschlossen.
Dritte hätten bei einer aktivierten WPS-Funktion unbefugten Zugriff auf den Anschluss haben können. Es sei davon auszugehen, dass WPS in der Voreinstellung aktiviert war. Diese Einstellung habe er nicht geändert. Die Ehefrau sagte als Zeugin aus, keine Filesharingsoftware genutzt zu haben. Auch sie habe den Film nicht im Internet angeboten.
Das Amtsgericht wies die Klage ab. Auch die Berufung durch den Kläger wurde vom Landgericht in Braunschweig abgewiesen. Die Revision vor dem BGH hat nun ebenfalls keinen Erfolg. Mit seiner Begründung schafft der BGH mehr Klarheit zur sekundären Darlegungslast und zur Beweislastumkehr zugunsten abgemahnter Anschlussinhaber.
Den Richtern des BGH ging die Filmfirma mit ihren Anwälten zu weit. Es sei für Anschlussinhaber zur Abwendung der Täterhaftung nicht zumutbar, die Internetnutzung der Familie und des Ehepartners zu protokollieren oder den PC nach Filesharingsoftware zu durchsuchen. Abzuwägen sei auf das Grundrecht auf Eigentum des Filmproduzenten und der Schutz von Ehe und Familie vor staatlichen Eingriffen. Letzteres Recht überwiege in diesem Fall.
Außerdem könne der Kläger nicht vermuten, dass der Anschlussinhaber automatisch der Täter einer Urheberrechtsverletzung ist. Es komme ihm nicht die Beweislast zu, nur weil er den fraglichen Internetanschluss besitzt. Er müsse nur dann einen Verdacht widerlegen, wenn ein Anscheinsbeweis gegen ihn spreche. Wenn sich jedoch mehrere Familienmitglieder einen Anschluss teilen, sei gerade das aber nicht möglich.
Da es eine interne Angelegenheit des Anschlussinhabers ist, wie er den Anschluss nutzt, kommt ihm insoweit eine sekundäre Darlegungslast zu. Denn der Urheberrechtsberechtigte habe im Regelfall keinerlei Kenntnis von der Art der Nutzung.
Es genügt nach Ansicht des BGH die Darlegung, wer außer ihm zum entsprechenden Zeitpunkt Zugriff auf das WLAN gehabt habe. Anders als der Kläger meint, sei es nicht die Sache des Beklagten, Umstände zu beweisen, die gegen die tatsächliche Vermutung der Haftung sprechen. Daraus folge, dass der Inhaber eben nicht dazu verpflichtet sei, selbst den Täter zu ermitteln oder die Computer von Mitgliedern des Haushaltes zu untersuchen. Auch komme keine Pflicht des Anschlussinhabers in Betracht, die An- und Abwesenheitszeiten der Mitbenutzer zu notieren.
Darüber hinaus könne der Anschlussinhaber, wie vom Landgericht Braunschweig bereits festgestellt, weder als Störer noch als Täter in Anspruch genommen werden.
BGH, Urteil vom 06.10.16, Az. I ZR 154/15
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Maria
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