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Beweislast beim Filesharing in Mehrpersonenhaushalten

AG Mannheim Urteil vom 18.01.2017, Az. U 10 C 1780/16


Beweislast beim Filesharing in Mehrpersonenhaushalten

Bei illegalem Filesharing in Mehrpersonenhaushalten genügt der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast, wenn er die Tat bestreitet und weitere Zugangsberechtigte benennt. Dies hat das Amtsgericht Mannheim mit Urteil vom 18. Januar 2017 (Az. U 10 C 1780/16) entschieden. Eine Verpflichtung zu Nachforschungen gegen Familienmitglieder verletze den grundgesetzlichen Schutz der Familie. Außerdem widerspreche eine Täterschaftsvermutung zulasten des Anschlussinhabers der heutigen Lebensrealität, in der der Internetzugang mit Familienmitgliedern und Besuchern geteilt werde.
 
Sachverhalt
Vom Internetanschluss der Beklagten wurde ein Computerspiel illegal zum Download angeboten. Nach erfolgloser Abmahnung klagte die Rechteinhaberin auf Schadensersatz in der Höhe von 640,20 € und Erstattung der Abmahnkosten von 859,80 €.
 
Die Beklagte wehrte sich gegen die klägerischen Ansprüche mit dem Argument, sie spiele keine Computerspiele und habe den PC zum Tatzeitpunkt nicht genutzt. Ihr Ehemann und die beiden erwachsenen Söhne, die ebenfalls im Haushalt lebten, hätten gleichberechtigten Zugriff auf das Internet.
 
Die Klägerin bestritt pauschal, dass Ehegatte und Söhne zur fraglichen Zeit im Haushalt der Beklagten wohnten und deren Internetzugang nutzen konnten.
 
Aus den Gründen
Das Amtsgericht Mannheim weist die Klage zurück. Es schließt eine Störerhaftung der Beklagten wegen einer allfälligen Tatbegehung durch Familienangehörige aus. Ehemann und Söhne seien volljährig. Die Beklagte habe keine Anhaltspunkte gehabt, dass sie Rechtsverletzungen begingen, weshalb sie keine Verhinderungsmaßnahmen habe ergreifen müssen.
 
Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zufolge streitet eine tatsächliche Vermutung der Täterschaft gegen den Anschlussinhaber. Um die Vermutung zu erschüttern, muss der Anschlussinhaber im Rahmen der sekundären Darlegungslast Dritte benennen, die Zugriff auf das Internet hatten und als Täter infrage kommen. Zu diesem Zweck ist er – soweit zumutbar – zu eigenen Nachforschungen verpflichtet.
 
Der zuständige Amtsrichter kritisiert die BGH-Rechtsprechung in markigen Worten. Die Täterschaftsvermutung stamme aus "analoger Zeit" und sei in Anbetracht der heute üblichen geteilten Nutzung des Internets anachronistisch. Die geforderten Kontrollen und Nachforschungen würden vielleicht "in Studierstubenwelten so gehandhabt", seien jedoch realitätsfremd.
 
Bei einem Mehrpersonenhaushalt müsse es vielmehr genügen, wenn der Anschlussinhaber die Tat bestreite und vortrage, dass weitere Personen Zugriff auf das Internet gehabt hätten. Eigene Ermittlungen seien nicht notwendig. Und vom Anschlussinhaber zu erwarten, dass er die Internetnutzung seiner Familienmitglieder kontrolliere, verstoße gegen den Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG. Nur bei einem Einpersonenhaushalt sei es zulässig, die weitergehende Darlegung von Gründen zu verlangen, die gegen die Alleintäterschaft des Anschlussinhabers sprächen.
 
Die behauptete Urheberrechtsverletzung sei zwar im Wahrnehmungsbereich der Beklagten erfolgt, der sich der Klägerin verschließe. Daraus lasse sich indes nicht die Notwendigkeit einer Beweislastumkehr ableiten. Dass der Anspruchsteller die volle Darlegungs- und Beweislast trage, gehöre im Gegenteil zu den rechtsstaatlichen Grundprinzipien im Zivilprozess. Situationen, in denen der Anspruchsteller sicher wisse, dass ein Verstoß einer bestimmten Personengruppe zuzuordnen sei, aber nicht beweisen könne, wem konkret, seien hinzunehmen.
 
Das Gericht stützt seine Auffassung ferner auf die EuGH-Entscheidung im Fall des bayerischen Piraten-Politikers Mc Fadden (Urteil vom 15.09.2016, Az. C-484/14). Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Anbieter öffentlich zugänglicher WLANs nach Art. 12 Abs. 1 der E-Commerce-Richtlinie (2000/31/EG) für Rechtsverletzungen Dritter nicht schadensersatzpflichtig sind. WLAN-Anbieter können zudem eine Unterlassungshaftung abwenden, indem sie den Zugang zum Netzwerk durch ein Passwort schützen und die Nutzer identifizieren.
 
Angesichts des EuGH-Urteils hält das Amtsgericht Mannheim die Kontroll- und Nachforschungspflichten, die der Bundesgerichtshof dem Anschlussinhaber auferlegt, für willkürlich. Es sei nicht einzusehen, weshalb ein "drastisch rigideres Haftungsregime" bei rechtlich unerfahrenen Privatpersonen eingreifen solle, derweil kommerzielle WLAN-Anbieter von Haftungsprivilegien profitierten. Zumal der Anschlussinhaber durch das Teilen des Internetanschlusses im eng begrenzten privaten Kreis eine weit geringere Gefahr für Urheberrechtsverletzungen schaffe als Anbieter öffentlicher WLAN-Hotspots. Sarkastisch rät der zuständige Amtsrichter im Hinblick auf die BGH-Rechtsprechung "jedem Privatmann [...], seinen Internetanschluss öffentlich zugänglich zu machen", um von der Haftungsprivilegierung für Access-Provider zu profitieren.
 
AG Mannheim Urteil vom 18.01.2017, Az. U 10 C 1780/16


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