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Beim Filesharing müssen Eltern die Namen ihrer Kinder preisgeben

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18.02.2019, Az. 1 BvR 2556/17


Beim Filesharing müssen Eltern die Namen ihrer Kinder preisgeben

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschied mit Beschluss vom 18.02.2019, dass der grundrechtliche Schutz der Familie Eltern nicht davor bewahre, selbst belangt zu werden, wenn sie das illegale Filesharing ihrer volljährigen Kinder decken. Grundsätzlich liege die Vermutung der Täterschaft beim Anschlussinhaber. Allerdings werde Familienmitgliedern eine Wahlmöglichkeit eingeräumt, gegen einzelne Familienmitglieder auszusagen oder selbst als Anschlussinhaber für das Filesharing in Anspruch genommen zu werden.

Wird das Recht auf Familie verletzt, wenn Eltern wegen Filesharing ihre Kinder verraten sollen?
Die Eltern wandten sich als Beschwerdeführer gegen ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) sowie die Entscheidung der Vorinstanzen. Klägerin in dem Ausgangsverfahren war ein Tonträgerhersteller. Dieser verlangte von den Beschwerdeführern die Zahlung von Schadenersatz aufgrund illegalem Downloads. Über den Internetanschluss der Eltern waren diverse Titel eines Musikalbums im Rahmen einer Internet-Tauschbörse zum Herunterladen angeboten worden. Daraufhin wurden die Eltern von der Klägerin abgemahnt. Die Eltern gaben eine Unterlassungserklärung ab, verweigerten aber die Zahlung des Schadenersatzes. Sie selbst hätten den Anschluss zur fraglichen Zeit nicht genutzt, wohl aber eines ihrer drei Kinder. Sie wussten auch welches, wollten es aber nicht belasten. Die Vorinstanzen verurteilten daher die Eltern zur Zahlung des Schadenersatzes. Der den Fall auch entscheidende BGH beschloss, dass eine Vermutung für die Täterschaft des Internetanschlusses spräche, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen den Anschluss nutzen konnten. Hierzu müsste sich der Anschlussinhaber aber im Rahmen seiner Darlegungs- und Beweislast äußern. Die Beschwerdeführer gingen hiergegen vor, da sie durch die Äußerungsverpflichtung den grundrechtlichen Schutz der Familie verletzt sahen.

Durch Preisgabe der Namen wird grundsätzlich das Grundrecht auf Familie beeinträchtigt
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschied, dass die vorinstanzlichen Entscheidungen zwar das Grundrecht auf Achtung des Familienlebens beeinträchtigt hätten. Denn dieses Grundrecht stelle die Familie unter den besonderen Schutz des Staates. Bestimmungen, welche die Familie schädigen, stören oder sonst beeinträchtigen, seien damit unvereinbar. Familienmitglieder seien grundsätzlich berechtigt, ihre Gemeinschaft nach innen in familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht frei zu gestalten. Dies gelte auch für das Verhältnis zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern. In diese innerfamiliäre Beziehung werde eingegriffen, wenn vom Anschlussinhaber verlangt werde, Tatsachen zum Verhalten der Kinder vorzubringen, um sich selbst zu entlasten.

Beeinträchtigung des Grundrechts auf Familie ist aber hinnehmbar
Jedoch befand das BVerfG auch, dass der Schutz der Familien durch die vorinstanzlichen Entscheidungen nicht über Gebühr beeinträchtigt worden sei. Denn dem Eigentumsschutz der Klägerin, also des Tonträgerherstellers, komme in Abwägung der beiden Grundrechte erhebliches Gewicht zu. Die Vorinstanzen hätten diese widerstreitenden Grundrechte ausreichend gegeneinander abgewogen. Denn dem Anschlussinhaber obliege die prozessuale Pflicht, sich vollständig und wahrheitsgemäß zu äußern. Diese Verpflichtung bestehe im Interesse eines fairen Verfahrens gegenüber Gericht und Gegner, da dadurch die Rechtsfindung erleichtert werde. Zwar finde die Wahrheitspflicht dort ihre Grenzen, wo eine Partei gezwungen wäre, sich selbst zu belasten. Gleiches dürfte gelten, wenn es um die Belastungen von nahen Angehörigen gehe. In dem Fall könne den Parteien aber das Risiko einer für sie ungünstigen Tatsachenwürdigung auferlegt werden.

Weiterreichender Grundrechtsschutz nicht erforderlich
Das Gericht sah einen darüber hinaus gehenden Schutz als verfassungsrechtlich nicht erforderlich an. Zwar lasse sich nicht verallgemeinern, wie die Verteilung der Beweislast bei Grundrechtspositionen zu beurteilen sei. Allerdings biete das Prozessrecht mit seiner Verpflichtung zur fairen Anwendung des Beweisrechts und seinen Beweislastregelungen hierfür geeignete Möglichkeiten. Damit könnten sich gegenüberstehende Grundrechtspositionen in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden. Den Gerichten stehe dabei erheblicher Spielraum zu. Es dürfe nur nicht einer Partei voller Beweis für Umstände auferlegt werden, die nicht in ihrer Sphäre und in ihrer Kenntnis liege, wenn die andere Partei ohne weiteres darüber Beweis erbringen könnte. Grundsätzlich habe der Rechteinhaber in Filesharing-Verfahren regelmäßig keine Möglichkeit, die zugrundeliegenden Umstände zur Täterschaft zu beweisen. Denn die Internetnutzung und das Filesharing seien ihm vollständig entzogen.

Wahlmöglichkeit zwischen Erklärung und Schweigen
Daher entschied das oberste Verfassungsgericht, dass die vorinstanzlichen Gerichtsentscheidungen nicht in das Grundrecht der Beschwerdeführer eingegriffen hätten. Dem Schutz der Familie könne kein Vorrang vor dem Eigentumsschutz des Rechteinhabers eingeräumt werden. Denn die Beeinträchtigung der familiären Beziehungen werde durch die Beweislastregelung in Grenzen gehalten. Grundsätzlich könne von den Eltern nicht erzwungen werden preiszugeben, wer von den Kindern der Täter sei. Vielmehr tragen sie nur das Risiko einer für sie ungünstigen Tatsachenwürdigung, wenn sie den Beweisanforderungen nicht genügen. Dem Schutz der innerfamiliären Bindungen werde dadurch Rechnung getragen, dass die Familienangehörigen sich nicht gegenseitig belasten müssen, wenn der tatsächliche Täter nicht zu ermitteln sei. Die Möglichkeit, innerfamiliäre Spannungen durch Schweigen im Prozess zu verhindern, führe umgekehrt nicht dazu, dass dieses Schweigen generell eine Haftung ausschließen müsse. Vielmehr gebe es eine faktische „Wahlmöglichkeit“ im Zivilprozess, innerfamiliäres Wissen zu offenbaren oder aber zu schweigen. Denn grundsätzlich diene der Schutz der Familie nicht dazu, sich der eigenen Haftung für Verletzungshandlungen zu entziehen. Der bloße Umstand, mit anderen Familienmitgliedern zusammenzuleben, führe nicht automatisch zum Haftungsausschluss für den Anschlussinhaber.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18.02.2019, Az. 1 BvR 2556/17


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