Auch bei Zerstörung greift Schutz vor Beeinträchtigung
Der Bundesgerichtshof entschied am 21.02.2019, dass die Entfernung und Zerstörung einer Kunstinstallation eine „andere Beeinträchtigung“ darstelle. Dies könne Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche nach sich ziehen.
Kann bei Vernichtung das Entstellungs- und Beeinträchtigungsverbot eingreifen?
Die Kläger waren Künstler; Beklagte der Betreiber einer Indoor-Minigolfanlage. Die Kläger hatten ursprünglich die Räumlichkeiten mit Farbe, die unter Schwarzlicht leuchtete, einer Brunneninstallation im Eingangsbereich sowie einer Sterninstallation gestaltet. Die Minigolfanlage wurde später umgestaltet, wobei die Installationen entfernt und zerstört wurden. Die Kläger klagten daraufhin auf Schmerzensgeld und Schadenersatz. Die Klage wurde jedoch abgewiesen, da die Vorinstanz den Beklagten als Eigentümer der Installationen ansah. Zudem sei die vollständige Vernichtung des Werkes auch nicht als Entstellung oder Beeinträchtigung anzusehen.
Vernichtung als stärkste Form der Beeinträchtigung
Der BGH entschied, dass die Vernichtung als schärfste Form der Entstellung und Beeinträchtigung anzusehen sei. Zwar mag eine Entstellung den Fortbestand des Werkes voraussetzen. Jedoch handele es sich dabei nur um einen besonderen Fall der Beeinträchtigung. Dem stehe auch das allgemeine Sprachverständnis nicht entgegen. Auch hiernach sei die Vernichtung nur ein weiterer Fall der Beeinträchtigung.
Normzweck spricht für Verbot der Vernichtung
Zweck der einschlägigen Norm sei es, die berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen des Urhebers an seinem Werk zu schützen, so das Gericht. Dies spreche dafür, dass der Urheber grundsätzlich auch eine Vernichtung seines Werks verbieten könne. Denn durch die Vernichtung werde das Fortwirken des Werks vereitelt und erschwert. Hierdurch werde das geistige Band zwischen dem Urheber und seinem Werk durchschnitten.
Bezug auf Grundrechte erfordert Interessenabwägung
Nach Ansicht des BGH sei auch zu beachten, dass der Interessenkonflikt zwischen dem Werkeigentümer und dem Urheber grundrechtlichen Wertungen unterliege. Ersterer könne sich auf sein Eigentum berufen, mit dem er nach Belieben verfahren könne und somit auch vernichten. Der Urheber dagegen könne sich auf die Kunstfreiheit berufen, die nicht nur das Erschaffen, sondern auch die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks schütze. Es sei im Wege der Interessenabwägung festzustellen, welches Recht überwiege. Eine solche Interessensabwägung sei in den Vorinstanzen jedoch nicht erfolgt.
Vorschläge für abzuwägende Interessen
Für die Neuverhandlung gab der Gerichtshof der Vorinstanz auf, folgende Gesichtspunkte in die Überlegungen mit einzubeziehen: Im Falle einer Vernichtung sei insbesondere zu berücksichtigen, ob es sich bei dem Werk um das einzige Vervielfältigungsstück gehandelt habe oder noch weitere existieren. Ferner sei auch in die Überlegungen einzubeziehen, welche Gestaltungshöhe das Werk aufweise und ob es zweckfreie Kunst sei oder als angewandte Kunst einem Gebrauchszweck diene. Auf der Eigentümerseite können bei einem Bauwerk bautechnische Gründe oder das Interesse an einer Nutzungsänderung eine Rolle spielen. In der Regel gingen die Eigentümerinteresse an einer anderweitigen Nutzung oder Bebauung des Grundstücks den Urheberinteressen am Werkerhalt vor. Auch könne eine Rolle spielen, ob der Eigentümer dem Urheber Gelegenheit gegeben habe, das Werk zurückzunehmen oder Vervielfältigungsstücke hiervon anzufertigen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.02.2019, Az. I ZR 15/18