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Anschlussinhaber haftet nicht grundsätzlich für Urheberrechtsverletzung

Landgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 18.12.2018, Az. 2-03 S 14/18


Anschlussinhaber haftet nicht grundsätzlich für Urheberrechtsverletzung

In einem Beschluss vom 18.12.2018, Az. 2-03 S 14/18 entschied das Landgericht Frankfurt am Main, dass ein Anschlussinhaber nicht für eine Urheberrechtsverletzung hafte, wenn er einerseits darlegen könne, dass dritte Personen Zugriff auf seinen Internetanschluss hatten, und er andererseits auch seinen Kinder illegale Downloads aus dem Internet untersagt hat.

Urheberrechtsverletzung durch Filesharing
Die Klägerin warf dem Beklagten, einem Internet-Anschlussinhaber und Familienvater, eine Verletzung ihrer Rechte an einem Computerspiel durch sogenanntes Filesharing vor und klagte deshalb auf Zahlung von Schadensersatz und der angefallenen Abmahnkosten. Der Beklagte bestritt die Rechtsverletzung und brachte vor, dass für diese allenfalls sein Sohn A (zum Tatzeitpunkt 15 Jahre alt) und seine Tochter B (zum Tatzeitpunkt 18 Jahre alt) in Betracht kämen, auch wenn er diese in der Vergangenheit ausdrücklich instruiert habe, nichts Illegales aus dem Internet herunterzuladen bzw. zu installieren. Zu beachten sei auch, dass sein Sohn mehrfach Freunde zu LAN-Partys eingeladen habe, sodass auch die Möglichkeit der vermeintlichen Tatbegehung durch diese bestehe. Ferner habe er die im Haushalt befindlichen Rechner untersucht und seine Familie nach Erhalt der Abmahnung zur Rede gestellt, allerdings hätten seine Kinder die Tatbegehung verneint.

Amtsgericht wies Klage ab
Obwohl die Klägerin die vorgebrachte Möglichkeit der Tatbegehung durch andere Personen nicht für plausibel hielt, entschied das Amtsgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 27.06.2018, Az. 29 C 1229/17 (44) zugunsten des Beklagten und wies die Klage ab. Das Gericht hielt fest, dass es überzeugt sei, dass neben dem Beklagten weitere Personen, insbesondere sein Sohn sowie dessen Freunde, aufgrund der veranstalteten LAN Partys die konkrete Möglichkeit zum Zugriff auf das Internet des Beklagten gehabt hätten. Auch die zeitliche Komponente der Tatbegehung erscheine wegen der hessischen Osterferien durchaus denkbar. Außerdem sei eine Täterschaft des Beklagten aufgrund der Rechneruntersuchung sowie der Konfrontation seiner Familie eher unwahrscheinlich.

Belehrung der Kinder über Downloads aus dem Internet
Darüber hinaus stellte das Gericht fest, dass der Beklagte seine Kinder darüber belehrt habe, keine illegalen Downloads aus dem Internet vorzunehmen. Dies reiche aus, um auch die Haftung des Beklagten infolge der Verletzung von Aufsichtspflichten auszuschließen, auch wenn nicht ermittelt werden konnte, ob der Beklagte seine Kinder auch explizit bezüglich der Verwendung von Tauschbörsen ermahnt habe. Er habe den Kindern jedenfalls eingebläut, dass sie vorher um Erlaubnis zu fragen hätten, falls sie Downloads aus dem Internet beabsichtigten.

Klägerin berief sich auf EuGH-Urteil
Die Klägerin gab sich mit dem Urteil des Amtsgerichts nicht zufrieden und legte Berufung hiergegen ein. Sie berief sich auf ein EuGH-Urteil in Sachen „Bastei Lübbe“ (Urteil vom 18.10.2018 – C-149/17), welches für die Beurteilung des Streitfalles herangezogen werden müsse. Hiernach habe der Inhaber eines Internetanschlusses nachvollziehbar, vollständig und wahrheitsgemäß vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit gehabt hätten, die fragliche Verletzungshandlung vorzunehmen, wenn er selbst die Tat bestreite. Nach der Ansicht der Klägerin bestünden bei Heranziehung des Beklagtenvortrages aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die von ihm benannten Nutzer die Verletzung begangen hätten.

Belehrung gegenüber Kindern laut Klägerin veraltet
Falls das Gericht diese Auffassung allerdings nicht teile, so führte die Klägerin an, müsse der Beklagte jedenfalls aufgrund einer Verletzung seiner Aufsichtspflichten gemäß § 832 BGB haften. Auch wenn tatsächlich eine Belehrung des Beklagten gegenüber seinen Kindern stattfand, so sei diese, was die Beweisaufnahme gezeigt habe, nicht hinreichend genug gewesen, zumindest aber laut Vortrag des Beklagten zu einem Zeitpunkt erfolgt, als er und seine Ehefrau den Kindern erstmals Kontakt zum Internet gewährt hatten. Dies liege im Hinblick auf den Streitfall jedoch schon einige Jahre zurück. Eine Wiederholung der Belehrung sei jedoch nicht auszumachen. Außerdem bestritt die Klägerin, dass eine konkrete Belehrung zum Verbot der Nutzung von Tauschbörsen stattfand.

Berufung wurde zurückgewiesen
Allerdings hatte die Klägerin auch mit der eingelegten Berufung keinen Erfolg. Das Landgericht Frankfurt am Main schloss sich nämlich der Auffassung der Vorinstanz an. Demnach sei das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass eine Haftung des Beklagten als Täter ausscheide.

Keine hinreichend große Wahrscheinlichkeit für Täterschaft
Das Gericht hielt fest, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine tatsächliche Vermutung zu Lasten des Anschlussinhabers bestehen kann, wenn über seinen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen wurde und nicht die ernsthafte Möglichkeit bestand, dass Dritte den Internetanschluss genutzt haben (BGH, Urteil vom 08.01.2014, Az. I ZR 169/12 – Bear Share). Allerdings bedeute dies keine generelle Vermutung, dass der Anschlussinhaber Täter einer Urheberrechtsverletzung, die von seinem Anschluss aus begangen wurde und die er widerlegen oder erschüttern müsste, sei, nur, weil ihm die Inhaberschaft des Anschlusses zukomme. Laut Berufungsgericht bestehe aber angesichts der positiven Feststellung der amtsgerichtlichen Beweisaufnahme, dass der Anschlussinhaber Dritten Zugriff auf seinen Anschluss gewährte und diese anderen Personen zum konkreten Tatzeitpunkt in der Lage gewesen wären, die Rechtsverletzung zu begehen, keine hinreichend große Wahrscheinlichkeit für die Annahme der Täterschaft des Beklagten (BGH, Urteil vom 30.03.2017, Az. I ZR 19/16 – Loud). Somit habe der Beklagte nicht nur die ihm zukommende Darlegungslast erfüllt, sondern sogar auch den Beweis geführt, dass die ernsthafte Möglichkeit des Internetzugriffs Dritter und die Tatbegehung durch diese bestand.

Keine falsche Beweiswürdigung des Amtsgerichts
Ebenso könne dem Amtsgericht entgegen der Ansicht der Klägerin nicht der Vorwurf einer falschen Beweiswürdigung zur Last gelegt werden. Es habe die Aussagen der Zeugen nachvollziehbar und ohne erkennbare Verstöße gewürdigt. Es durfte zu Recht mit einer Anwesenheit der Kinder und einer entsprechenden Computernutzung in den hessischen Osterferien rechnen. Auch die Feststellung, dass derjenige, der LAN-Partys ausrichte, in der Lage sein dürfte, Filesharing-Software zu nutzen, begegne keinen Bedenken, so das Landgericht weiter. Darüber hinaus sei das von der Klägerin angeführte EuGH-Urteil in Sachen „Bastei Lübbe“ für den Streitfall nicht heranzuziehen. Die Klägerin verkenne nach Ansicht des Berufungsgerichts insoweit bereits, dass der Sachverhalt der besagten Entscheidung und der des gegenständlichen Geschehens nicht miteinander zu vergleichen seien.

Keine Haftung für Verletzung von Aufsichtspflichten
Zuletzt verneinte das Landgericht auch den hilfsweisen Vorwurf der Klägerin, dass der Beklagte zumindest seine Aufsichtspflichten verletzt habe, indem seine Belehrung nicht hinreichend genug erfolgte und zudem bereits länger zurücklag. Das Gericht befand, dass das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen war, dass die  – nach Durchführung der Beweisaufnahme festgestellte und unstreitige – gegenständliche Belehrung des Beklagten gegenüber seinen Kindern im Einklang mit dem vom Bundesgerichtshof in solchen Fällen aufgestellten Maßstab hinreichend genug war.

Belehrung genügte Anforderungen des Bundesgerichtshofs
Wie das höchste Zivilgericht in seiner Entscheidung Tauschbörse II (Urteil vom 11.06.2015, Az. I ZR 7/14) statuierte, genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, dass ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Zwar habe der Beklagte seine Kinder nach Feststellung des Landgerichts nicht explizit hinsichtlich der Teilnahme an Tauschbörsen ermahnt. Allerdings stehe dieser Umstand den Anforderungen des Bundesgerichtshofs an eine hinreichend erfolgte Belehrung nicht im Wege, so das Gericht weiter. Der Beklagte habe nämlich durchaus explizit illegale Downloads untersagt und die Kinder darauf hingewiesen, dass es im Internet grundsätzlich nichts umsonst gebe, was in der realen Welt etwas koste. Somit habe er nicht nur für eine hinreichende Belehrung unzureichende allgemeine Verhaltensregeln aufgestellt. Er habe sodann auch klar und deutlich definiert, was als „illegal“ zu verstehen sei, so dass seine Kinder auch selbst ersehen hätten können, welche Handlungen vom Verbot erfasst waren. Die Belehrung habe somit faktisch auch jedwedes Agieren bei einer Tauschbörse umfasst. Außerdem hätten den Beklagten mangels besonderer Umstände keine weiterreichenden Pflichten als hinsichtlich normalentwickelter Kinder getroffen, so das Gericht weiter, weshalb das von der Klägerin vorgetragene Erfordernis der Wiederholung der Belehrung bereits fragwürdig erscheine. Auch der zurückliegende Belehrungszeitpunkt sei aus diesem Grund nicht angriffswürdig. Insgesamt könne der Beklagte daher nicht als Verantwortlicher der Urheberrechtsverletzung herangezogen werden.

Landgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 18.12.2018, Az. 2-03 S 14/18

von Sabrina Schmidbaur, Dipl.Jur.-Univ.


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