Angemessene Nachlizenzierung nach Urheberrechtsverletzung
Es ist nicht gestattet, einen urheberrechtlich geschützten Stadtplanausschnitt ohne Genehmigung des Rechteinhabers gewerblich zu nutzen. Im Folgenden Fall war genau dies geschehen und zu klären, in welcher Höhe eine nachträgliche Lizenzgebühr anzusetzen ist. Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Frage der angemessenen Nachlizenzierung befasst. Nach Ansicht der Richter sei eine Lizenzierung nach Verletzung nicht ohne weiteres geeignet, den objektiven Wert der bloßen (zukünftigen) Nutzung zu belegen. Durch die vorangegangene Verletzung werde dabei regelmäßig mehr als nur die einfache Nutzung entgolten.
Was war geschehen?
Die Klägerin bietet gegen Zahlung von Lizenzgebühren Nutzungsrechte von Stadtplänen an. Sie hat die ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte inne. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Beratungsunternehmen. Zur Lagebeschreibung ihrer Standorte hat sie im Zeitraum von 2011 bis 2013 auf ihrer Webseite unter vier verschiedenen Internetadressen Kartenausschnitte der Klägerin benutzt. Ein Lizenzvertrag mit der Klägerin bestand jedoch nicht. Aufgrund dieser ungenehmigten Verwendung hat die Klägerin die Beklagte abgemahnt. Neben Unterlassung und Abmahnkosten in Höhe von 578 € sowie Ermittlungskosten in Höhe von 95 € ist eine Lizenzgebühr von 6.480 € erhoben worden. Die Höhe der Lizenzgebühr hat sich aus zahlreichen durch die Klägerin vorgelegten Lizenzverträge ergeben. Die Beklagte war jedoch der Ansicht, dass diese Verträge nicht repräsentativ seien: Ein Großteil der Verträge war erst nach einer urheberrechtlichen Abmahnung, also nach Verletzung, geschlossen worden.
Der Weg zum BGH
Demzufolge hat die Beklagte zwar eine Unterlassungserklärung abgegeben. Eine Zahlung verweigerte sie jedoch, sodass die Klägerin vor Gericht gezogen ist und die insgesamt 7.153 € einforderte. Dies hatte vor dem LG München I bis auf einen Teil der Zinsforderung weitestgehend Erfolg. Dahingegen reduzierte das OLG München die Lizenzgebühr deutlich auf 1.800 € und sprach der Klägerin insgesamt 2.473 € zu.
Nach Ansicht des OLG sei ein vom Landgericht eingeholtes Gutachten zur Schätzung einer branchenüblichen Lizenz jedenfalls nicht geeignet. Das Gutachten hatte lediglich auf Tarife von Wettbewerbern abgestellt, ohne Feststellungen zur tatsächlichen Durchsetzbarkeit dieser Tarife getroffen zu haben.
Weiter begründete das OLG: Letztendlich können mittels der Lizenzverträge der Klägerin keine Rückschlüsse auf die Höhe des unter gewöhnlichen Umständen angemessenen Lizenzbetrags gezogen werden. Diese seien erst geschlossen worden, nachdem es zu einer entsprechenden Nutzung ohne Lizenzierung gekommen war. Bei Verhandlungen solcher Verträge könne der Rechteinhaber mit der Geltendmachung der ihm aus der vorangegangenen Urheberrechtsverletzung erwachsenen Ansprüche drohen. Deshalb habe er eine erheblich stärkere Position als bei gewöhnlichen Verhandlungen. Ein derartiger Vertragsschluss sei ungeeignet, den objektiven Wert der bloßen Nutzung festzulegen. Die Klägerin gab sich damit nicht einverstanden. Deshalb zog sie zur höchstrichterlichen Instanz, um die ihr in erster Instanz zugesprochene Lizenzgebühr voll einfordern zu können.
Keine bloßen Rückschlüsse auf Lizenzierung nach Verletzung
Der BGH hat sich nun zu der Thematik geäußert und folgendes klargestellt: Aus Lizenzverträgen, die nach einer Abmahnung geschlossen worden sind, können keine maßgeblichen Rückschlüsse auf die lizenzrechtliche Schadensersatzhöhe gezogen werden. Der angenommene Wert stelle in solchen Fällen nicht die Vergütung dar, die als Gegenleistung für den Wert der künftigen legalen Benutzungshandlung zwischen vernünftige Parteien vereinbart worden wäre. Denn die Summe bilde darüber hinaus auch eine zusätzliche Gegenleistung für die einvernehmliche Einigung über die geltend gemachten Ansprüche aus der vorangegangenen Rechtsverletzung. Andernfalls werde der jeweilige Verletze nämlich angesichts eines ansonsten drohenden Rechtsstreits häufig von dem Ziel geleitet, einer kostenintensiven gerichtlichen Auseinandersetzung aus dem Wege zu gehen. Der bei einem Nachlizenzierungsvertrag gegenüber einer freihändigen Lizenzierung vergütete „Mehrwert“ stehe typischerweise der Annahme entgegen, ein solcher Lizenzvertrag habe eine Indizwirkung für den objektiven Wert der angemaßten Benutzungsberechtigung.
Ermittlung der branchenüblichen Vergütungssätze
Im Vorliegenden Fall fehlte es an einer eigenen am Markt durchgesetzten Lizenzierungspraxis der Klägerin. Insofern sei es für die Festsetzung einer angemessenen Lizenzgebühr erforderlich, branchenübliche Vergütungssätze und Tarife als Maßstab heranzuziehen. Dies war durch die Vorinstanz nicht geschehen. Wenn erforderlich sei demnach durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären, welche Lizenzgebühren für die streitigen Benutzungshandlungen üblich und angemessen ist. Insofern hat der BGH das Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das OLG München zurückverwiesen. Dieses müsse die branchenüblichen Vergütungssätze ermittelt, notfalls durch ein weiteres Gutachten. Erst wenn dies erfolglos bleibe, dürfe geschätzt werden.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.06.2020, Az. I ZR 93/19